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INFEKTIONEN
Hautinfektionen im Alter
Nach einem Vortrag von PD Dr. A. Cozzio anlässlich einer interdisziplinären Fortbildungsreihe zum Thema «Hautveränderungen im Alter: Dermatologie oder Innere Medizin» vom 26. März 2009 am Universitätsspital Zürich
Dieser Beitrag weist auf einige Zusammenhänge
zwischen Infektionsanfälligkeit und Altershaut hin
und legt den Fokus auf ausgewählte Erkrankungen,
die im Rahmen der Konsiliarvisite am Universitäts-
spital Zürich häufig anzutreffen sind. Dies sind die
Intertrigo, Onychomykose und der Herpes zoster,
wobei auf Staphylokokken- und Streptokokken-
bedingte Hautinfektionen hier nicht eingegangen
wird.
Da ab dem Alter von 40 bis 50 Jahren vermehrt Funktionsstörungen der Haut auftreten, nimmt die Infektionsanfälligkeit der Haut im Alter generell zu. Ursachen der Störungen dieser sogenannten Altershaut sind sowohl auf intrinsisch chronologische als auch auf extrinsische Alterungsprozesse zurückzuführen. Letztere lassen sich massgeblich durch unser Verhalten beeinflussen, insbesondere durch sorgfältigen Schutz der Haut vor UV-Strahlung. Die Auswirkungen der intrinsischen und extrinsischen Alterungsprozesse sind funktionelle und strukturelle Veränderungen der Haut, bedingt durch Funktionseinbussen und durch die Verminderung der Syntheseleistung. Mit zunehmendem Alter akkumulieren sich die DNA-Schäden, was eine überproportionale Zu-
nahme der Mutationsraten und, parallel dazu, eine erhöhte Hautkrebsinzidenz zur Folge hat. Neben den verringerten Schutzmechanismen sind mit zunehmendem Alter auch die Schweiss- und Talgproduktion sowie die Synthese kollagener und elastischer Fasern reduziert. Die Verletzlichkeit der Haut ist erhöht und die Wundheilung verzögert. Die veränderte Barrierefunktion der Haut führt zu einer Störung der Feuchtigkeitsregulation. Die Altershaut ist meist trocken, und es entsteht eine Xerose. Deshalb ist im Alter eine rückfettende Behandlung zu empfehlen. Ein weiterer Aspekt ist die hauteigene antibakterielle Abwehr durch natürliche antimikrobielle Peptide wie die Beta-Defensine und -Kathelizidine. Diese sind ebenso wie die Immunabwehr (dendritrische Zellen) und Barrierefunktion im Alter reduziert. Die erwähnten Faktoren führen in Gegenwart exogener Noxen zusammen mit der erhöhten Verletzlichkeit der Haut zu einer vermehrten Infektionsanfällikeit.
Unsere «Garantiezeit» ist nach 40 bis 45 Jahren abgelaufen.
Intertrigo
Als Folge der Abnahme der Immunkompetenz (= Immunoseneszenz) treten im Alter gehäuft Hautinfektionen wie die Intertrigo auf. Bei über 90 Prozent der Patienten handelt es sich um eine CandidaIntertrigo. Die Einlage von Leinenplätzchen vermindert die Reibung der entzündeten Hautfalten
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aufeinander. Die Therapie besteht hauptsächlich im sich in der Kindheit mit Varizella-Zoster-Viren an
«Trockenlegen» der betroffenen Hautstellen. Zu und entwickeln sowohl eine humorale als auch eine
empfehlen ist das einmal tägliche Auftragen einer T-zelluläre Immunität und sind für längere Zeit ge-
Cremepaste. Hingegen sollten keine Cremen ver- schützt. Nach der durchgemachten Varizellen-Infek-
wendet werden, da sie einen okklusiven Effekt tion persistieren diese Viren über Jahre in den dor-
haben und die Intertrigo nicht austrocknen. In der salen Wurzelganglien und können reaktiviert wer-
nässenden Phase kann eine wässrige Eosinlösung den. Eltern, deren Kinder an Varizellen erkranken,
aufgetragen werden, dies aber aufgrund der toxi- werden reexponiert, und es kommt zu einer sym-
schen Wirkung nicht häufiger als einmal täglich.
ptomlosen Reaktivierung. Mit zunehmendem Alter
Die Intertrigo sieht einigen anderen Erkrankungen werden wir anfällig für Herpes zoster. Deshalb
ähnlich wie zum Beispiel einer Psoriasis inversa oder spricht man von einer Altersdermatose. Mit 40 bis
einer Tinea. Sowohl die Candida als auch die Tinea 50 Jahren ist gewissermassen unsere «Garantiezeit»
und die Psoriasis inversa sprechen gut auf Imidazol- abgelaufen. Die Zahl der spezifischen T-Zellen (Me-
Paste an. Die Intertrigo kann auch bakteriell indu- mory-Zellen) nimmt dramatisch ab. Dies ist auch bei
ziert sein, zum Beispiel durch Corynebacterium mi- Immunsupprimierten der Fall.
nutissimum, was aber selten ist. Bei einer Intertrigo Für die grosse Bedeutung des Herpes zoster spre-
leuchtet das Erytplasma unter UV-Licht vor allem rot chen zwei wichtige Faktoren:
auf. ● Hohe Prävalenz der Erstinfektion in früher Kind-
heit mit über 95 Prozent der Personen, die somit
Onychomykose
latent infiziert sind. ● Altersdermatose: Bis ein Drittel der Bevölkerung
Eine weitere, häufig anzutreffende Hautinfektion ist
entwickelt altersabhängig eine Herpes-zoster-
die Onychomykose und die Onychodystrophie. Das
Infektion.
erlaubt eine Differenzialdiagnose gegenüber Lichen
ruber, Psoriasis, Alopezia areata oder mechanischen Eine klare Diagnose erlaubt der typische Hautaus-
Schäden, aber auch paraneoplastischen Veränderun- schlag, der einzelne Dermatome befällt und als bul-
gen. Bei akutem Auftreten einer massiven Onycho- löse oder vesikulöse Veränderungen auf gerötetem
dystropie und distalen ekzematösen Veränderungen Grund zumeist unilateral auftritt. Wichtige Unter-
der Finger und Zehen muss an ein Karzinom ge- scheidungskriterien des Herpes zoster von anderen
dacht werden.
viral bedingten Exanthemen sind die Schmerzen
Wann soll eine Onychomykose im Alter behandelt und die Asymmetrie der Hautveränderungen. Im
werden? Da die Behandlungskosten hoch und die Frühstadium könnte, besonders im Gesichtsbereich,
Erfolgsaussichten nicht immer befriedigend sind, auch ein Erysipel vorliegen. Bei einer halbseitigen
sollte vor allem dann behandelt werden, wenn eine seit Wochen bestehenden Rötung, eventuell beglei-
gewisse Infektanfälligkeit besteht und die Onycho- tet von schmerzlosen Ulzerationen, muss auch an
mykose eine Eintrittspforte für bakterielle Infekte ein Angiosarkom gedacht werden, bei welchem eine
sein kann. In Abhängigkeit vom Erreger werden zur Biopsie Klarheit verschafft. Neben der segmentalen
systemischen Therapie Wirkstoffe wie Fluconazol, Form des Herpes zoster tritt auch eine disseminierte
Terbinafin oder Itraconazol eingesetzt. Wichtig ist Form, ähnlich der Varizellen-Infektion, auf. Dies
dabei, dass eine genügend lange Behandlungsdauer wird besonders bei Patienten hohen Alters oder bei
eingehalten wird. Voraussetzung dafür ist eine gute jüngeren immunsupprimierten Patienten beobach-
Compliance. Ebenso muss die Bioverfügbarkeit ge- tet. Neben der typischen thorakalen Lokalisation ist
währleistet sein. Viele Medikamente sollten nach auch der Gesichtsbefall häufig, besonders im Stirn-
dem Essen eingenommen werden. Die schwachen bereich. Es ist auch eine Augenbeteiligung möglich,
Basen werden nur dann resorbiert, wenn nach einer was den Beizug eines Ophthalmologen notwendig
relativ fetthaltigen Mahlzeit der pH-Wert im Magen- macht. Viel seltener ist der zervikale Herpes zoster.
Darm-Trakt genügend sauer ist. Aus intrinsischer Etwa 8 bis 10 Prozent aller Patienten – es gibt Pub-
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Sicht müssen Medikamenteninteraktionen berück- likationen, die sogar von 25 Prozent ausgehen – ent-
sichtigt werden.
wickeln eine postherpetische Neuralgie. Dabei ist die
Zahl der Erkrankten wie auch die Dauer der Erkran-
Herpes zoster
kung altersabhängig. So entwickeln bei den über 50-Jährigen mehr als die Hälfte eine postherpetische
Von Herpes zoster sind Patienten mit reduzierter Neuralgie.
Immunabwehr betroffen, das heisst ältere und im- Da Herpes zoster und die postherpetische Neuralgie
18 munsupprimierte Personen. Praktisch alle stecken häufig chronische neuropathische Schmerzen ver-
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ursachen und damit die Lebensqualität einschränken sowie hohe Kosten verursachen, muss die Behandlung möglichst früh einsetzen. Innerhalb der ersten 72 Stunden nach Auftreten der Hautläsionen muss die virale Replikation mittels virostatischer Therapie unterbrochen werden. Dazu stehen wirkungsvolle Medikamente zur Verfügung (Aciclovir®, Famciclovir®, Valciclovir®, Bruvidin®). Bruvidin® setzt sich immer mehr durch. Zur Limitierung der Entzündung haben sich systemische Kortikosteroide nicht bewährt. Die Hautläsionen können lokal mit Schüttelmixturen abgedeckt werden. Ein ganz zentraler Therapieaspekt ist die Schmerzlinderung. Diese erfolgt in Zusammenarbeit mit dem Schmerzdienst des Universitätsspitals Zürich. Standardmässig werden zur Schmerzbehandlung zunächst Paracetamol, dann Antikonvulsiva wie Pregabalin, Gabapentin sowie trizyklische Antidepressiva wie Amitriptyllin oder kontrolliert Oxycontin eingesetzt. Lokal kann Neurodol oder bei brennenden lokalisierten Schmerzen Capsaizin verwendet werden. Capsaizin ist gemäss Magistralrezeptur der Kantonsapotheke in zwei Konzentrationen verfügbar. Damit die Nervenzellen mit der Pfefferapplikation depletiert werden und dadurch die brennenden Schmerzen verschwinden, ist es wichtig, den Wirkstoff fünfmal täglich aufzutragen. Zur Prävention der postherpetischen Neuralgie scheint die antivirale Behandlung als Massnahme nicht ausreichend zu sein. Neu liegen Daten für eine Varicella-zoster-Virus-Vakzine vor, die nicht nur zur Herpes-zoster-, sondern auch zur postherpetischen Neuralgie-Prävention geeignet ist. In einer grossen Studie wurde 2005 an fast 40 000 über 60-jährigen
Patienten der Impfstoff Zostavax® untersucht. Die Vakzinierung soll zum Tragen kommen, bevor die Immunoseneszenz die Infektionsabwehr schwächt. Da im Moment noch nicht klar ist, wie lange der Schutz ausreicht, muss die Impfung womöglich wiederholt werden. Die Zahl der vakzinierten Patienten und der Plazebogruppe wurde gleichmässig über Rasse und Geschlecht verteilt. Verglichen mit der Plazebo-Gruppe reduzierte sich die Inzidenz der Erkrankungen in der Impfgruppe um über 50 Prozent. Darüber hinaus verminderte der Impfstoff das Krankheitsgefühl (akuter Schmerz, Ausprägung der Beschwerden) um 60 Prozent. Die Schutzwirkung von Zostavax gegen postherpetische Neuralgie betrug 67 Prozent. Konnte die Herpes-zoster-Erkrankung nicht verhindert werden, war das Risiko geringer, anschliessend eine postherpetische Neuralgie zu entwickeln.
Merkpunkte zu Herpes zoster
● Die Herpes-zoster-Infektion ist sehr häufig und tritt meist als einmalige Dermatose auf.
● Die postherpetische Neuralgie tritt häufiger im Alter auf.
● Es ist wichtig, die Schmerztherapie vor dem Auftreten der postherpetischen Neuralgie anzusetzen.
● Die Herpes-zoster-Vakzinierung scheint ein wichtiger Pfeiler in der Prävention des Herpes zoster und der postherpetischen Neuralgie zu sein. ●
Gisela Stauber-Reichmuth
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