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WUNDMANAGEMENT
Die Behandlung von Narben
KELOIDE BESSER KONSERVATIV ANGEHEN
Von Wolf-Ingo Worret
Narben werden nicht nur als ästhetisch störend empfunden. Sie können auch funktionelle Behinderungen nach sich ziehen. Therapeutisch gibt es eine Fülle von Möglichkeiten, deren Einsatz sich nach Art
Merkpunkt
● Hypertrophe Narben und Keloide werden primär konservativ behandelt – insbesondere Keloide, die mit einem hohen Risiko von Rezidiven belastet sind.
und Stadium der Narbe richtet.
Keloide sind Narben, die bei der Wundheilung über
die eigentlichen Wundränder zungenförmig (Chele
Unter praktisch-ästhetischem Gesichtspunkt unter- = gr. Krebsschere) hinauswachsen. Im Gegensatz
scheidet man sechs Arten von Narben:
dazu respektieren hypertrophe Narben, auch Wulst-
● unauffällige («physiologische») Narben
narben genannt, die Wundränder und sind dadurch
● sklerotische Narben
relativ scharf begrenzt. Symptome wie Jucken, Bren-
● schüsselförmig eingesunkene Narben
nen, Rötung und Schmerzen werden bei Keloiden
● scharfkantig eingezogene Narben
weit häufiger beobachtet als bei hypertrophen Nar-
● hypertrophe Narben
ben. Eine Reihe von Faktoren kann zur Bildung von
● Keloide.
Keloiden prädisponieren (Tabelle 1). Bei hypertro-
phen Narben werden spontane Rückbildungen
Unauffällige Narben sind so wenig ausgeprägt, dass beobachtet, Keloide bilden sich nur äusserst selten
man mit den heute zur Verfügung stehenden Mit- ohne entsprechende Therapie zurück.
teln keine Verbesserung mehr erreichen kann. Die
Möglichkeit, dass man das Aussehen der Narbe verschlechtert, ist so gross, dass man zu einem aktiven
Operative Therapie
Nichtstun gezwungen wird. Lediglich eine Narben- Die Behandlung von Narben umfasst zahlreiche
creme und die Camouflage vermögen die Ästhetik Verfahren und richtet sich immer nach dem Nar-
der Narbe zu verbessern.
bentyp (Tabelle 2). Sklerotische Narben können
Sklerotische Narben sind im Gegensatz dazu hart, durch spezielle plastisch-operative Techniken (z.B.
unelastisch und neigen zum Schrumpfen. Liegen sie Z-Plastik) verlängert werden, um Bewegungsein-
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über Gelenken, so können sie zu Kontrakturen oder schränkungen zu verhindern. Man kann auch die
Immobilisation führen.
gesamte unschöne Narbe herausschneiden, um noch-
Schüsselförmig eingesunkene und scharfkantig ein- mals sauber, intrakutan und spannungsfrei zu nähen.
gezogene Narben entstehen oft bei der Akne. Hier- Schüsselförmig eingesunkene Narben kann man,
bei treten sie aber meist so multipel auf, dass eine wenn sie fest am Untergrund verhaftet sind, mit
Therapie aller Narben, auch finanziell, kaum zu ver- geeigneten Messern lösen und so die Narbe anhe-
treten ist. Grössere und einzelstehende Exemplare ben. Alternativ kommen Füllsubstanzen (Kollagen,
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Hyaluronsäure o.ä.) infrage.
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Tabelle 1:
Prädisponierende Faktoren der Keloidbildung
● Jugendliches Lebensalter ● Weibliches Geschlecht ● Schwarze Hautfarbe ● Bestimmte Körperregionen (Sternum) ● Erhöhte Hautspannung ● Vererbung ● Evtl. Hormone (Östrogene, Thyroxin)
Bei den kleinen scharfkantigen Närbchen im Gesicht (ice-pick scars), wie sie nach einer Akne auftreten können, hat sich die Schleifung in der Oberhaut (Dermabrasio nach Schreus, Abbildung 1) bewährt. Es handelt sich dabei um ein operatives Peeling. Da jedoch der Diamantschleifkopf mit seinen 3000 Umdrehungen/Sekunde in ungeübter Hand und bei plötzlichen Bewegungen des Patienten schwere Verletzungen verursachen kann, ist diese Methode immer mehr von der gut steuerbaren Verschorfungstiefe des CO2- oder des Erbium:YAG-Lasers abgelöst worden (Skin-Resurfacing). Eine ähnliche Wirkung kann auch durch ein mitteltiefes chemisches Peeling (30% Trichloressigsäure) erreicht werden, jedoch ist der Erfolg schwächer als bei den geschilderten operativen Methoden. Hypertrophe Narben und Keloide (Abbildung 2a und b) werden primär konservativ behandelt, da operative Interventionen, insbesondere bei Keloiden, mit einem hohen Risiko von Rezidiven belastet sind. Sind Exzisionen dennoch geplant, so sollten gleichzeitig weitere Therapien zum Einsatz kommen, wie Kortikoidinjektionen in die Schnittränder, Kryotherapie, Imiquimod, Verapamil oder postoperative Röntgenbestrahlung (18).
weiss wird. Falls das sehr schwer geht, ist eine kleinkalibrigere Spritze möglichst mit anschraubbarer Kanüle anzuwenden. Diese Prozedur wird anfangs nach zwei Wochen, dann alle drei Wochen wiederholt. Ist die Narbe sichtbar flacher geworden, muss eine längere Pause eingelegt werden, um keine Absenkung unter das normale Hautniveau zu provozieren.
Abbildung 1: Diamantfräse nach Schreus
Weitere Medikamente
Neue Studien zeigen, dass exzidierte Keloide praktisch nicht mehr rezidivieren, wenn sie täglich einmal mit Imiquimod eingerieben werden (3). Die Anwendung führt zu einer Entzündungsreaktion, begleitet von einem Brennen. Diese Reaktion ist möglicherweise wichtig für die Wirkung. Unterbleibt diese, rezidiviert das Keloid. Auf einem möglicherweise anderen, noch unbekannten Prinzip beruht die Wirkung von Verapamil. Dieses Präparat (2,5 mg/ml) soll direkt nach der Keloidexzision in die Wundränder injiziert werden (5). Weitere Injektionen folgen an den Tagen 7, 14, 28, 56. Eine Therapie mit oralen Antihistaminika und Pentoxyphyllin hemmt anscheinend die Proliferation von Fibroblasten (15). Eine Mischung aus Penicillamin und Kolchizin beschleunigt den Kollagenabbau (15). Ausserdem wird Methotrexat mit Erfolg angewendet (15). Topische Retinoide können Keloide weicher machen und deren Wachstum reduzieren (9, 16). Auch Interferone (IFN-␣ IFN-␣-2b) scheinen einen positiven Effekt auf Keloide zu haben (15). Grössere Studien, insbesondere zur Nutzen-Risiko-Beurteilung, stehen aber noch aus.
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Glukokortikoide
Im Allgemeinen reagieren alle hypertrophen Narben auf die Infiltration mit 10-prozentiger Triamcinolon-Kristallsuspension, Keloide und Brandnarben etwas weniger, Aknekeloide kaum. Die Wirkung erklärt man sich durch Hemmung der Kollagensynthese und Steigerung des Kollagenabbaus. Es ist wichtig, dass die Narbeninfiltration mit 10-prozentiger Triamcinolon-Kristallsuspension ohne Verdünnung mit einem Lokalanästhetikum durchgeführt wird. Durch den Zusatz von Lokalanästhetika wird nämlich die Wirkung des Steroids deutlich vermindert (7). Man sollte so viel von der Injektionslösung in der Narbe unterbringen, dass diese
Abbildung 2 a und b: Hypertrophe Narben und Keloide
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Tabelle 2: Therapiemöglichkeiten in der Narbenbehandlung
Methode
plastisch-operatives Vorgehen
Füllsubstanzen
Indikation funktionelle Behinderung
atrophische Narben
Synechienlösung
eingezogene Narben
Dermabrasio nach Schreus
Aknenarben
mitteltiefe Peelings
Aknenarben
Narbenexzision
hypertrophe Narben, Keloide nur als Kombinationstherapie
Glukokortikoid-Injektion Keloide, hypertrophe Narben
Narbengeles (z.B. Contractubex®)
alle Narbentypen
weitere Medikamente Keloide
Behandlung mit Folien Keloide, hypertrophe Narben und Narbenpflastern
Drucktherapie
Keloide, Wulstnarben
Kryotherapie
Keloide, hypertrophe Narben
Strahlentherapie
Keloidprophylaxe
Lasertherapie
Aknenarben, hypertrophe Narben, Keloide nur als Kombinationstherapie
Kontraindikation evtl. Keloide
Aufwand Operationsraum
Allergie gegen die Füllsubstanz, Granulomneigung, Kollagenosen Gerinnungsstörung Keloide
schlechte Compliance starke Keloidneigung
teure Präparate
Operationsraum Operationsraum, Anästhesist gering Operationsraum
atrophische Narben
gering
Allergie gegen Inhaltsstoffe
gering
systemische Wirkung; Präparate spezifisch
z.T. teure Medikamente
keine
teuer, lange Anwendung
keine
Bandagist
Kryoglobulinämie
gering
Kinder, besondere Körperregionen (z.B. Schilddrüse)
Strahlenschutz, Geräte kaum vorhanden
starke Keloidneigung
teures Gerät
Erfolg gut meist gut
meist gut mässig mässig gut gut mässig unsicher unsicher gut meist gut unsicher
unsicher
Silkon-Gel-Folie und Silikon-Gel
wurde und nicht aus Silikon besteht, sondern aus Polyurethan, wirkt möglicherweise aufgrund der
Die Erfolge in Form einer Abflachung und Verbes- gleichen Faktoren und könnte, falls die gleiche
serung der Oberflächen bei der Behandlung von Wirksamkeit nachgewiesen wird, die Anwendung
Keloiden und hypertrophen Narben mit Silikon- von Silikon überflüssig machen.
Gel-Folie sind unbestritten (1, 8, 10). Nach langer Als unerwünschte Wirkung kommen bakterielle
(6 bis 12 Monate) täglicher Applikation nimmt die Reizungen und Impetiginisierungen der abgedeckten
Elastizität mit Fortdauer der Behandlung zu, die Hautstellen durch das lange Tragen vor. Deshalb
Narben flachen ab und werden weicher.
müssen die Folien täglich gesäubert und trocken
Die Wasserdampf-Transmission scheint eine bedeu- gehalten werden. Um die Prozedur mit der Anlage
tende Rolle bei der Behandlung zu spielen. Normale der Silikon-Gel-Folie überflüssig zu machen, ist seit
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Haut gibt zirka 8,5 g/m2 pro Stunde Wasserdampf kurzem ein visköses Silikongel (Dermatix®, ICN)
ab, hypertrophe Narben nur etwa 4,5 g/m2 pro auf dem Markt.
Stunde (1). Durch den Okklusionseffekt der Silikon-
folien wird die Wasserdampf-Transmission des Narbengewebes total verändert, was möglicherweise ei-
Topische Narbenpräparate
nen Einfluss auf den zellulären Umbau hat.
Als Zusatzbehandlungen werden einige «Narbencre-
Ein «Narbenpflaster», welches erst kürzlich im mes» angeboten. Contractubex® zum Beispiel ent-
28 deutschen Markt (Beiersdorf, Hamburg) eingeführt hält die pharmakodynamisch wirksamen Inhalts-
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Abbildung 4: Verbrühungsnarben; rechts nach Camouflage
Abbildung 3: Druckverband nach Jobst
stoffe Extractum cepae (Zwiebelextrakt), Heparin und Allantoin. Aus den vorliegenden Untersuchungsergebnissen kann geschlossen werden, dass dieses Präparat bei frühzeitigem Therapiebeginn der Bildung von Narben mit vermehrter Narbengewebsbildung – wie hypertrophe Narben und Keloide – entgegenwirken kann (20, 22). Die Wirkung zeigt sich erst nach einigen Monaten.
Kryotherapie
Die Kryotherapie mit flüssigem Stickstoff (Siedepunkt: -195,8 ºC) zeigt gute Resultate vor allem bei jungen, frischen Narben, aber auch bei älteren Keloiden (4). Dabei wird die zu behandelnde Narbe zirka 20 bis 30 Sekunden mit dem Stickstoff in Kontakt gebracht (24). Nach dieser Behandlung, die alle vier Wochen stattfinden sollte, bildet sich in dem Areal eine Blase, und die Narbe wird mit jeder Behandlung flacher. Bei hypertrophen Narben erzielte man so sehr gute Ergebnisse (82%), bei Keloiden immerhin noch eine 64-prozentige Korrektur.
Strahlentherapie
Drucktherapie
In 76,5 Prozent (15) der Fälle konnten mit der Rönt-
Eine der am häufigsten angewandten Behandlun- gentherapie Keloide zum Abflachen gebracht und
gen bei Verbrennungsnarben ist die Kompressions- gute kosmetische Resultate erzielt werden. Die Er-
therapie (Abbildung 3). Bei 85 Prozent der Patienten folge dieser Behandlung sind am grössten in der
mit hypertrophen Narben oder Keloiden erreicht man frühen postoperativen Phase nach Exzision eines
damit gute oder zufriedenstellende Ergebnisse (1, 10). Keloids (14). Das neu gebildete fibromatöse Gewebe
Zudem verringert der angewandte Druck den oft ist dann am empfindlichsten. Bewährt hat sich bei
bestehenden Juckreiz und den Schmerz (1).
älteren Keloiden die Verabreichung von Einzeldosen
Der Druck, der in Form von Bandagen oder Ohr- von 4 Gy in vierwöchigen Intervallen (20). Vorteil-
clips (bei Keloiden des Ohrläppchens) ausgeübt haft sind die langen Intervalle zwischen den einzel-
wird, sollte zirka 15 bis 40 mmHg betragen (10). nen Bestrahlungen auch deshalb, weil man bei dieser
Über vier bis acht Monate, manchmal sogar bis ein längeren Beobachtungszeit die Strahlenempfind-
Jahr, sollte die Behandlung erfolgen, um einen lichkeit oder -resistenz rechtzeitig beurteilen kann.
positiven Effekt zu erzielen.
Ist nach dreimaliger Bestrahlung keinerlei Regres-
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Die Drucktherapie sollte ausserdem nicht mehr als sion zu erkennen, so ist von einer weiteren Rönt-
30 Minuten pro Tag unterbrochen werden (11). Die genbehandlung abzuraten.
Kombination mit physiotherapeutischen Verfahren
bei gelenkübergreifenden Narben ist sinnvoll. Hier kommt auch die Bindegewebsmassage zum Einsatz
Lasertherapie
oder ein neues Gerät, welches eine kombinierte Auch Laserstrahlen werden zur Therapie von Kelo-
Saug-Druck-Massage auf das Gewebe ausübt ( LPGO, iden verwendet. Zur Anwendung kommen meist
30 Sophia Antipolis/Frankreich).
gepulste Farbstoff- und CO2-Laser. Da die alleinige
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Behandlung mit Laser bei diesem Narbentyp nicht viel Erfolg verspricht, wird sie meist in Kombination mit anderen Methoden verwendet. Bei hypertrophen Narben können Juckreiz und Schmerzen mit dem gepulsten Farbstofflaser in 83 Prozent der Fälle gebessert werden (2). Hyperpigmentierte Narben, insbesondere nach Verbrennungen, sind mit gutem Erfolg einer Behandlung mittels eines gütegeschalteten Rubin- und Neodyn:YAG-Lasers zugänglich (17).
Camouflage
Eine Besonderheit in der Dermatologie stellt die Kaschierung von Narben oder deren Restzuständen mit geeigneten Schminktechniken, auch Camouflage (frz. Tarnen, Täuschen) genannt, dar (Abbildung 4). Die dazu benutzten Farben werden durch einen speziellen Puder wasserfest gemacht, sodass
der Patient schwimmen oder schwitzen kann, ohne dass die Schminkfarben verlaufen. Diese Möglichkeit ist besonders wichtig bei Gesichtsnarben, um psychischen Alterationen vorzubeugen.
Korrespondenzadresse: Prof. Dr. med. Wolf-Ingo Worret Klinik und Poliklinik für Dermatologie und Allergologie Abt. für kosmetische Dermatologie TU München D-80802 München
Interessenkonflikte: keine deklariert
Diese Arbeit erschien zuerst in «Der Allgemeinarzt» 9/2007. Die Übernahme erfolgt mit freundlicher Genehmigung von Verlag und Autor. Literatur über www.allgemeinarzt-online.de
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