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HAUTKREBS
Evidenzbasierte Medizin bei epithelialen Hauttumoren und beim malignen Melanom
INTERVIEW MIT PROFESSOR DR. MED. REINHARD DUMMER, LEITENDER ARZT DER DERMATOLOGISCHEN KLINIK DES UNIVERSITÄTSSPITALS ZÜRICH
Therapien wie CO2-Laser, Radiotherapie, Kryotherapie beziehungsweise die photodynamische Therapie oder lokale zytostatische Arzneimittel wie 5-Fluorouracil und Imiquimod eingesetzt werden.
Prof. Dr. med. Reinhard Dummer, Leitender Arzt der
Dermatologischen Klinik des
UniversitätsSpitals Zürich
W ie ist der Stellenwert der operativen Therapie im Vergleich zu anderen Therapieoptionen bei epithelialen Hauttumoren? Bei den epithelialen Hauttumoren steht die Chirurgie sowohl in diagnostischer als auch in therapeutischer Hinsicht im Vordergrund. Wir sind der Meinung, dass eine histologische Sicherung der Diagnose durch Biopsie immer notwendig ist. Die therapeutischen Massnahmen richten sich nach der Ausbreitung und dem histologischen Typ des Tumors. Die operative Therapie mit histologischer Kontrolle stellt die Standardtherapie dar. In vielen Situationen kann diese auch eine komplette Exzision des Tumors beinhalten. Es gibt jedoch Fälle, bei denen die Chirurgie an ihre Grenzen stösst, wie zum Beispiel bei grossflächigem Tumorbefall (Feldkanzerisierung). In diesen besonderen klinischen Situationen können entweder physikalische
Welche Probleme bezüglich Evidenz bestehen bei der Therapie von epithelialen Tumoren? Die verschiedenen Therapiemodalitäten bei epithelialen Tumoren sind gut untersucht worden, insbesondere die neueren Verfahren, welche die Zulassung in den letzten Jahren erhalten haben. Hierzu gehören die photodynamische Therapie oder die vor der Zulassung stehende Therapie mit Imiquimod. Die Effizienz und Sicherheit konnte in grossen Studien belegt werden. Ältere Verfahren jedoch, die in einem anderen medizinischen Umfeld entwickelt und getestet wurden, können bezüglich Evidenz teilweise nicht den heutigen strengen Kriterien standhalten. Damit eine individuelle Beratung des Patienten als optimal gelten kann, sollte begründet werden können, warum in welcher Situation welche Behandlung bevorzugt werden muss. Dies ist nur möglich, wenn genügend Studiendaten zu Vergleichen verschiedener Therapieoptionen vorliegen. Diese fehlen leider zu einem grossen Teil, da für solche aufwändigen und komplexen Projekte, welche idealerweise an universitären Forschungsinstituten durchgeführt werden sollten, die Finanzierung fehlt. Für Pharmafirmen ist es meist nicht mehr von Interesse, nach der Zulassung eines Präparates oder Verfahrens weitere Studien zu finanzieren. Interesse an Fragestellungen zur Wirksamkeit und zu ökonomischen Aspekten verschiedener Therapien sollten eigentlich die Öffentlichkeit beziehungsweise die Krankenkassen haben. Aufgrund der knappen finanziellen Mittel wird das Umfeld diesbezüglich aber immer schwieriger.
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Tabelle 1:
einer Resektion Interferon gegeben wird. Hier ist die Frage
Geschätzte Inzidenzen des Basalioms, des Melanoms offen, welches Interferon in wel-
und des Spinalioms
cher Dosierung am effektivsten
Inzidenz
Life time risk*
ist. Auch wir sind an solchen Studien beteiligt, wie beispiels-
Malignes Melanom Basaliom Spinaliom Aktinische Keratose
15–18/100 000/Jahr ca. 100/100 000/Jahr 20–30/100 000/Jahr ca. 250/100 000/Jahr
1:70 1:8 1:25 1:5
weise an der EOTRC-Melanomgruppen-Studie der Europäischen Gesellschaft . Die über fünf Jahre dauernde Interferonbehandlung
* für im Jahr 2000 Geborene
soll Aufschlüsse über die rezidiv-
freie Überlebenszeit und die
Gesamtüberlebenszeit geben.
Wie gut ist die Evidenz bei den Therapien des malignen In diesem Zusammenhang raten wir von Mistelpräparaten
Melanoms?
ab, da gemäss Studien die Heilungschancen sogar ver-
Beim Melanom sind wir in einer anderen Situation. Wir schlechtert werden.
haben sehr gute Untersuchungen zu primären Massnah-
Im Bereich der Fernmetastasierung des malignen
men. Die neuesten Studien haben ergeben, dass der Melanoms sind noch zu wenig verlässliche Daten vorhan-
Sicherheitsabstand von 3 cm auf 2 cm reduziert werden den. Deshalb empfehlen wir Patienten, sich in Rahmen von
kann, was den Vorteil für den Patienten bringt, dass Ope- Studien in geeigneten Zentren behandeln zu lassen. Durch
rationen vermehrt unter örtlicher Betäubung durchgeführt die Vernetzung solcher Zentren, zu welchen auch unsere
werden können. Dieser neue Sicherheitsabstandswert ist in Klinik gehört, mit anderen europäischen Kliniken, können
der Schweiz, wie auch in einigen weiteren Länden, in den Daten gesammelt und für ein besseres Verständnis genutzt
neuen Guidelines verankert worden. Diese Änderung werden, um schliesslich in Richtlinien einzufliessen.
scheint sich international durchzusetzen.
Ebenso ist es dem Patienten möglich, an Studien
Ein weiteres Thema ist die Bewertung der Sentinel- mit ganz neuen Wirkstoffen teilzunehmen. Neue Behand-
lymphknotenbiopsie. Dass die rezidivfreie Überlebenszeit lungsmöglichkeiten eröffnen in Zukunft zum Beispiel
mit dem Status des Wächterlymphknotens korreliert, war biologische Therapien mittels Antikörper oder Immunstimu-
zu erwarten. Welchen Stellenwert die Sentinellymphkno- lanzien. Erforscht werden Moleküle, welche die Signal-
tenbiopsie im Hinblick auf eine Verbesserung des Gesamt- übertragung in Tumorzellen unterbrechen können. Wir
überlebens hat, sollten in etwa zwei bis drei Jahren die in haben momentan fünf Studien offen, in welchen wir den
verschiedenen Universitäten laufenden Studien beantwor- Patienten auch solche Substanzen anbieten können. q
ten können.
Für die adjuvante Behandlung von Patienten mit Die Redaktion dankt Herrn Professor Dr. med. Reinhard
Lymphknotenmetastasierung gilt die Richtlinie, dass nach Dummer für das interessante Gespräch.
Kutane Lymphome: Eine Herausforderung für Pathologen und Kliniker
Eine Retrospektive: 30 Jahre Lymphomforschung in der Dermatologie
Zürich, 16. Februar 2006, 10.00 bis 17.00
Hörsaal B OST, Gloriastrasse 29, UniversitätsSpital Zürich 6
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