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Neuartiger «Gene silencer» Vutrisiran bremst
ATTR-CM
ATTR ist eine fortschreitende, tödliche Krankheit, bei der
sich fehlgefaltetes Transthyretin-Protein als Amyloidablage-
rungen in verschiedenen Körperbereichen ansammelt, häufig
auch kardial. In der doppelblind randomisierten HELIOS-B-
Studie mit Patienten mit echokardiografisch bestätigter
ATTR-Kardiomyopathie (ATTR-CM) (erblich [h] oder
Wildtyp [wt]) wurde untersucht, ob Vutrisiran, ein small in-
terfering RNA (siRNA) Therapeutikum, mit der Hemmung
der Transthyretinproduktion auch die klinischen Ergebnisse
verbessert. Die im Median 76,5 Jahre alten Patienten erhiel-
ten dazu entweder 25 mg Vutrisiran oder Plazebo s. c. alle 3
Monate bis zu 36 Monaten. Bei Patienten, die bereits eine
Behandlung mit dem Krankheitsstabilisator Tafamidis er-
hielten, wurde diese fortgesetzt. Als primärer Endpunkt war
eine Kombination aus Gesamtsterblichkeit und wiederkeh-
renden kardiovaskulären Ereignissen definiert. Zu den se-
kundären Endpunkten gehörten unter anderem die Verände-
rung der funktionellen Kapazität (6-Minuten-Gehtest) die
Lebensqualität (Kansas City Cardiomyopathy Questionnaire
Overall Summary) und die New-York-Heart-Association
(NYHA)-Klasse. Mehr als drei Viertel (77,6%) der Teilneh-
mer hatten eine Herzinsuffizienz der NYHA-Klasse II, und
40% nahmen zu Studienbeginn Tafamidis ein.
Die Studie erreichte die primären Endpunkte. Vutrisiran re-
duzierte das Risiko für Gesamtsterblichkeit und wiederkeh-
rende kardiovaskuläre Ereignisse in der Gesamtpopulation
signifikant um 28% (Hazard Ratio [HR]: 0,72; 95%-Konfi-
denzintervall [KI]: 0,56–0,93; p = 0,01) und um 33% in der
Monotherapie-Population (HR: 0,67; 95%-KI: 0,49–0,93; p
= 0,016). Bei Patienten unter Tafamidis reduzierte Vutrisiran
den kombinierten Endpunkt um weitere 21% (HR: 0,79;
95%-KI: 0,51–1,21). Verbesserungen zeigten sich auch in
allen sekundären Endpunkten. Die Mehrzahl der Nebenwir-
kungen waren mild bis moderat, die Abbruchraten mit der
Plazebogruppe vergleichbar (Vutrisiran: 3,1 vs. Plazebo:
4,0%).
Der sogenannte «gene silencer» Vutrisiran wirkt damit kon-
stant und unabhängig von einer allfälligen Hintergrundmedi-
kation.
vh
Quelle: «HELIOS-B – Primary results from phase 3 study of vutrisiran in patients with transthyretin amyloidosis with cardiomyopathy». Hotline 1, Jahreskongress der European Society of Cardiology (ESC), 30. August bis 2. September 2024, London.
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SGLT2-Hemmer-Zusatz bei HFrEF und CKD
Die Vierfachtherapie wird bei Herzinsuffizienz mit reduzierter Auswurffraktion (HFrEF) nach wie vor unzureichend eingesetzt. Unter den geeigneten Patienten nehmen die meisten ACE-I/ARB und Betablocker, weniger MRA und ARNI. Es gibt viele Fragen bezüglich der Hinzufügung neuer Basisarzneimittel, bei gleichzeitigem Auftreten von HFrEF und chronischer Nierenerkrankung (CKD). Das Ziel der Unter-
suchung war es, die Sicherheit und Wirksamkeit der Einfüh-
rung von SGLT2-Hemmern bei Patienten mit HFrEF und
CKD unter Standardtherapie mit ARNI oder ACE-I zu ver-
gleichen.
Dazu wurden 54 symptomatische Patienten mit HFrEF (EF ≤
40%) und CKD mit einer geschätzten glomerulären Filtrati-
onsrate (eGFR) zwischen 30 und 60 ml/min/1,73 m2 unter
Standardtherapie (ACE-I oder ARNI, Betablocker, MRA)
identifiziert. Alle Patienten wurden in 2 Gruppen aufgeteilt:
Gruppe 1: 26 Patienten unter ARNI, Betablockern, MRA;
Gruppe 2: 28 Patienten unter ACE-I, Betablockern, MRA.
Alle Patienten erhielten zusätzlich Dapagliflozin in einer
Dosis von 10 mg täglich. Kalium (K), Kreatininwerte, eGFR
und klinischer Blutdruck wurden zu Beginn und in den Wo-
chen 1, 2, 4, 6, 8, 12 erhoben. Zu Beginn sowie in den Wo-
chen 4 und 12 wurden NT-proBNP, der Albumin-Krea-
tinin-Quotient (UCAR) bestimmt und es wurden 24-Stun-
den-Blutdruckmessungen durchgeführt.
Bei Patienten mit HFrEF und CKD führte die Hinzufügung
von SGLT2-Hemmern zur Standardtherapie mit ARNI, Be-
tablockern und MRA zu deutlichen Verbesserungen des
neurohumoralen Profils durch signifikant reduzierte
NTproBNP-Werte im Vergleich zur Gruppe mit ACE-I, Be-
tablockern und MRA. Die Einführung von SGLT2-Hem-
mern verursachte einen frühen Rückgang der eGFR, aber in
der ARNI-Gruppe war der Rückgang der eGFR weniger
ausgeprägt, mit einer stärkeren Reduktion der Albuminurie
und begleitet von einem niedrigeren Kaliumspiegel.
vh
Quelle: Obertynska O et al.: Safety and efficacy of initiation SGLT in heart failure with a reduced left ventricular ejection fraction and chronic kidney disease on top of standard therapy with ARNI or ACE-i. Abstract presented at ESC 2024, London.
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Ausschlafen senkt kardiovaskuläres Risiko
Ein strenger Arbeitsalltag kann dazu führen, dass der Schlaf
unter der Woche zu kurz kommt. Ein an Werktagen so an-
gehäuftes Schlafmanko (< 7 h/Nacht) kann entgegen früherer Auffassung am Wochenende mit einer längeren Schlafdauer aufgeholt werden. Zudem steht ein ausreichender kompensa- torischer Schlaf im Zusammenhang mit einem geringeren Risiko für Herzkrankheiten. Das zeigte eine Studie der UK Biobank mit Daten von > 90 000 Teilnehmern mit einer
Nachbeobachtungszeit über 14 Jahre. Die Teilnehmer, die
am Wochenende am meisten Schlaf nachholten, hatten ein
um 20% tieferes Risiko für die Entwicklung einer Herz-
erkrankung im Vergleich zu jenen, die am wenigsten aufhol-
ten. Unterschiede zwischen Männern und Frauen gab es
nicht.
vh
Quelle: «Weekend compensatory sleep is associated with reduced risk of heart disease: a prospective UK Biobank-based cohort study». Station 8, Jahreskongress der European Society of Cardiology (ESC), 30. August bis 2. September 2024, London.
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Finerenon verbessert häufigen Herzinsuffizienztyp
In der am ESC-Kongress vorgestellten FINEARTS-HF-Studie reduzierte der nicht steroidale Mineralokortikoidrezeptor-Antagonist (MRA) Finerenon Herzinsuffizienz-(HF-)Ereignisse und kardiovaskuläre Todesfälle bei Patienten mit leicht eingeschränkter oder erhaltener Auswurffraktion (HFmrEF/HFpEF), einer Patientengruppe, für die es nur begrenzte Therapieoptionen gibt. Diese Ergebnisse bieten neue Hoffnung auf eine zusätzliche wirksame Behandlung für Patienten, die mit dieser häufigen Form der Herzinsuffizienz leben. An der doppelblind randomisierten Multizenterstudie nahmen 6001 Patienten mit Herzinsuffizienz der New-YorkHeart-Association(NYHA)-Funktionsklasse II–IV und einer linksventrikulären Auswurffraktion (LVEF) von ≥ 40% (Durchschnitt 53%) teil. Sie erhielten während 32 Monaten entweder Finerenon bis 40 mg/Tag oder Plazebo. Als primärer Endpunkt war die Kombination aus allen Verschlechterungen der Herzinsuffizienz und kardiovaskulären Todesfällen definiert.
Die Ergebnisse zeigten in der Finerenongruppe verglichen mit den Kontrollen eine signifikante Reduktion der Ereignisse des primären Endpunkts (Rate Ratio 0,84; 95%-Konfidenzintervall [KI]: 0,74–0,95; p = 0,007). Die Ergebnisse des primären Endpunkts waren in allen vordefinierten Untergruppen konsistent, einschliesslich derer, die auf der Auswurffraktion oder der Basistherapie mit SGLT2-Hemmern basierten. Schwere unerwünschte Ereignisse waren zwischen den Gruppen ähnlich (Finerenon: 38,7%; Plazebo: 40,5%). Finerenon erhöhte das Risiko für Hyperkaliämie (9,7 vs. 4,2 %), verringerte jedoch das Risiko für Hypokaliämie (4,4 vs. 9,7 %). Da Finerenon auch bei Patienten, die bereits einen SGLT2Inhibitor erhielten, von Vorteil war, deuten die Ergebnisse darauf hin, dass Finerenon eine neue zweite Säule bei HFmrEF/HFpEF darstellt, so das Fazit des Studienleiters. vh
Quelle: «FINEARTS-HF - Finerenone in heart failure with mildly reduced and preserved ejection fraction». Hot Line 7, Jahreskongress der European Society of Cardiology (ESC), 30. August bis 2. September 2024, London.
Vaduganathan M et al.: Finerenone in patients with heart failure with mildly reduced or preserved ejection fraction: Rationale and design of the FINEARTS-HF trial. Eur J Heart Fail. 2024;26(6):1324-1333. doi:10.1002/ejhf.3253.
Städtischer Lärm greift das Herz an
Forschungsergebnisse aus zwei Studien in verschiedenen eu-
ropäischen Städten zeigen, dass städtische Lärmbelastung
erhebliche negative Auswirkungen auf die Herzgesundheit
hat. Die DECIBEL-MI-Studie (n = 430) aus der deutschen
Stadt Bremen zeigt, dass junge Patienten im Alter von 50
Jahren oder jünger, die einen Herzinfarkt erlitten hatten,
höheren Lärmpegeln ausgesetzt waren als die Allgemeinbe-
völkerung. Die Studie belegt, dass städtischer Lärm das Ri-
siko für frühzeitige Herzinfarkte bei jungen Menschen mit
sonst wenig kardiovaskulären Risikofaktoren deutlich erhö-
hen kann. In einer zweiten Studie aus Frankreich (ENVI-MI)
wurde der Einfluss von Lärmbelastung auf die Prognose nach
einem ersten Herzinfarkt untersucht. Gefunden wurde ein
starker Zusammenhang zwischen städtischer Lärmbelas-
tung, insbesondere nachts, und einer schlechteren Prognose
ein Jahr nach dem ersten Herzinfarkt. Die täglich gemessenen
Lärmpegel an der Wohnadresse der Patienten betrugen 56
Dezibel (dB) über 24 Stunden und 49,0 dB nachts. Diese
Werte gelten als moderat und sind repräsentativ für einen
grossen Teil der europäischen Bevölkerung. Bemerkenswert
war, dass jede Erhöhung des nächtlichen Lärms um 10 dB das
Risiko eines schweren kardialen Ereignisses um 25% anstei-
gen liess, unabhängig von Luftverschmutzung, sozioökono-
mischen und anderen Störfaktoren.
vh
Quelle: «Influence of urban noise exposure on early-onset myocardial infarction risk prediction» und «Environmental noise exposure is associated with one-year survival after a first myocardial infarction». Station 4, Jahreskongress der European Society of Cardiology (ESC), 30. August bis 2. September 2024, London.
Rauchstopp halbiert Herzinfarktrisiko,
Konsum reduzieren bringt wenig
Das internationale CLARIFY-Register mit 32 378 Patienten
mit stabiler koronarer Herzkrankheit (KHK) untersuchte
den Einfluss des Raucherstatus auf schwerwiegende kardio-
vaskuläre Ereignisse (MACE), definiert als kardiovaskulärer
Tod oder Herzinfarkt während des 5-jährigen Follow-ups.
Von den Teilnehmern waren 41,3% Nie-Raucher, 46,2%
Rauchstopper nach der KHK-Diagnose und 12,5% Weiter-
Raucher.
Patienten, die nach der KHK-Diagnose mit dem Rauchen
aufgehört hatten, reduzierten im Vergleich zu jenen, die wei-
terrauchten das Risiko eines MACE um 44% (p < 0,001). Bei Rauchern, die ihre Zigarettenmenge reduzierten, wurde das MACE-Risiko dagegen nicht signifikant verändert. Bei Pati- enten, die nach der KHK-Diagnose weiterrauchten, stieg das MACE-Risiko sogar um 8% für jedes weitere Jahr des akti- ven Rauchens. Für einen Rauchstopp sei es deshalb nie zu spät, so Studienleiter Dr. Jules Mesnier, Hôpital Bichat-Claude Bernard, Paris. Raucher, die mit dem Rauchen aufhörten, erreichten jedoch nie das kardiovaskuläre Risikoniveau von Menschen, die nie geraucht hätten, selbst nach Jahren des Rauchstopps. vh Quelle: «Trajectories in smoking habits and outcomes in patients with stable coronary artery disease». Station 3, Jahreskongress der European Society of Cardiology (ESC), 30. August bis 2. September 2024, London. 6 CongressSelection Kardiologie | Diabetologie | November 2024