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Flug stört insulinpumpe
Höhenveränderungen während Flugreisen können den Blutzu-
ckerspiegel von Patienten mit Insulinpumpen beeinflussen. Das
legte eine in-vitro-Studie mit 26 Insulinpumpen in einer Druck-
kammer nahe, die Druckveränderungen während eines Linien-
flugs simulierte: ein 20-minütiger Aufstieg auf 550 mmHg, ein
30-minütiger Reiseflug bei 550 mmHg (8000 Fuss Reisehöhe)
und ein 20-minütiger Abstieg wieder auf den Bodenluftdruck
von 750 mmHg. Während der simulierten Flüge wurde die In-
sulininfusion auf 0,6 Einheiten pro Stunde eingestellt, eine in der
Erwachsenen- und Kinderpraxis übliche Dosierung.
Während des 20-minütigen Aufstiegs gaben die Insulinpum-
pen 0,60 Einheiten mehr Insulin aus den Kartuschen ab als
auf Bodenhöhe. Während des Sinkflugs setzten die Kartu-
schen dagegen 0,51 Einheiten weniger Insulin frei. Die unter-
schiedlichen Abgabemengen beim Auf- und Abstieg verän-
derten den Blutzucker gemäss den Forschern aber nicht in
genügendem Ausmass, um gesundheitliche Probleme zu ver-
ursachen.
Eine schnelle Dekompression führte dagegen zu einer Insu-
linabgabe von 5,6 Einheiten. Ein schneller Druckabfall in
grosser Höhe könnte somit infolge einer Insulinüberdosis
den Blutzuckerspiegel so stark senken, dass eine signifikante
Hypoglykämie auftreten könnte. In solchen Notfällen – bei-
spielsweise, wenn ein Flugzeug mitten im Flug eine Tür ver-
liert – wäre jedoch Zeit, um schnell wirkende Kohlenhydrate
zu sich zu nehmen, um dies auszugleichen, so die Forscher.
Um unbeabsichtigte Stoffwechselkonsequenzen zu vermei-
den, empfehlen die Forscher Trägern von Insulinpumpen,
diese vor dem Start vorübergehend zu trennen und die Luft-
blasen zu entfernen, bevor sie die Pumpe auf Reiseflughöhe
wieder anschliessen.
vh
Quelle: «Simulated commercial flights and the effects of atmospheric pressure changes on insulin pump delivery». Abstract 836, präsentiert am Jahreskongress der European Association for the Study of Diabetes (EASD), 9. bis 13. September 2024 in Madrid.
sss
Gewichtsreduktion könnte Risiko für schwere Infektionen vermindern
Beobachtungsstudien haben gezeigt, dass ein höherer BMI und eine schlechte Blutzuckerkontrolle mit schweren Infektionen in Verbindung stehen. In einer Studie mit Daten aus der UK Biobank gingen britische Forscher der Frage nach, inwiefern ein hoher Body-Mass-Index (BMI) und schlechte Blutzuckerkontrolle mit infektbedingten Spitalaufenthalten in Zusammenhang stehen. Dazu wurden Daten von 486 924 Spitalpatienten analysiert, die infolge bakterieller oder viraler oder Pilzinfekten hospitalisiert wurden, verglichen mit Spitalpatienten ohne Infekte. Die Analyse mittels Mendelscher Randomisierung zeigte, dass bei einer Zunahme des BMI um 5 Punkte (z. B. von 30 auf 35 kg/m2) das Risiko für eine bakteriell bedingte Spitaleinweisung um 56% anstieg,
eine viral bedingte um 24%. Ein kausaler Zusammenhang
zeigte sich auch für pilzbedingte Spitaleinweisungen (48%),
dieser war aber nicht signifikant.
Die Mendelsche Randomisierung ist eine Technik, die gene-
tische und epidemiologische Informationen nutzt, um festzu-
stellen, ob ein Faktor tatsächlich eine Erkrankung verursacht
und um zu überprüfen, ob die Zusammenhänge kausal sind.
Ein kausaler Zusammenhang von für länger dauernden
leichten Hyperglykämien und infektbedingten Hospitalisie-
rungen zeigte sich dagegen nicht.
Ein höherer BMI könnte den Ergebnissen zufolge ein kausa-
ler Risikofaktor für infektbedingte Hospitalisierungen sein.
Massnahmen zur Gewichtsreduktion könnten das Risiko für
schwere Infekte demzufolge senken, so das Fazit der For-
scher.
vh
Quelle: «Mendelian Randomisation provides evidence that higher BMI, but not mild hyperglycaemia, may be a causal risk factor for severe infection». Abstract 347, präsentiert am Jahreskongress der European Association for the Study of Diabetes (EASD), 9. bis 13. September 2024 in Madrid.
sss
Intervallfasten verbessert Blutzucker
Essen Erwachsene mit Risiko für Typ-2-Diabetes lediglich in einem Zeitfenster von acht Stunden pro Tag, verbessert das ihre Blutzuckerkontrolle signifikant. Denn umso länger befindet sich Blutzuckerspiegel im normalen Bereich und umso weniger glykämische Schwankungen treten auf. Das zeigte eine britische Untersuchung, die bei 15 übergewichtigen Erwachsenen mit sitzendem Lebensstil, davon 9 Frauen, den Effekt einer eingeschränkten Nahrungsaufnahme in Zeitfenstern von 8 bis 16 Uhr versus 12 bis 20 Uhr verglich. Die Teilnehmer waren im Durchschnitt 52 Jahre alt, wiesen einen BMI von 28 kg/m2 und einen HbA1c-Wert von 5,62% auf. Sie verteilten ihre tägliche Nahrungsaufnahme gewohnheitsmässig auf über 14 Stunden. Als Intervention befolgten die Teilnehmer sequenziell beide Ernährungszeitfenster während jeweils drei Tagen. Sie erhielten dabei standardisierte eukalorische Diäten (50% Kohlehydrate, 30% Fett, 20% Protein). Der Blutzucker wurde mittels kontinuierlicher Glukosemessung (FreeStyle Libre 2) überwacht. Die Analyse zeigte, dass sich der Blutzuckerspiegel bei eingeschränkter Essenszeit (8 h/d) um 3,3% signifikant länger im normalen Bereich befand als bei gewohnheitsmässiger Nahrungsaufnahme (> 14 h/d). Die glykämische Variabilität sank ebenfalls. Die Tageszeit spielte dabei keine Rolle. Damit eröffne sich die eingeschränkte Essenszeit für diese Personen als eine einfacher umsetzbare Strategie zur Diabetesprävention als Kalorien zu zählen, so das Fazit der Forscher. vh
Quelle: «Time restricted eating improves glycaemic variability, independently of energy intake, in adults at risk of type 2 diabetes». Abstract 689, präsentiert am Jahreskongress der European Association for the Study of Diabetes (EASD), 9. bis 13. September 2024 in Madrid.
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KI erkennt Typ-2-Diabetes an der Stimme
Ein KI-Modell kann Veränderungen in der Stimme einer
Person erkennen und feststellen, ob sie Typ-2-Diabetes hat.
Das zeigte eine Studie mit 607 durchschnittlich 48-jährigen
Probanden mit und ohne Typ-2-Diabetes, die vorgegebene
Sätze in ihr Natel oder Laptop sprechen mussten. Zur Dia-
gnose nutzte das KI-Modell Angaben wie Alter, Geschlecht,
Body-Mass-Index (BMI) und Bluthochdruckstatus sowie 25
Sekunden der Sprachaufnahme.
Die sprachbasierten Algorithmen erkannten 66% der Frauen
mit Typ-2-Diabetes und 71% der Männer. Das Modell
schnitt bei Frauen ≥ 60 Jahre und bei Hypertonikern sogar
noch besser ab. Darüber hinaus gab es eine 93%ige Überein-
stimmung mit dem auf Fragebögen basierenden Risikotest
der American Diabetes Association (ADA), was auf eine
gleichwertige Leistung zwischen Sprachanalyse und einem
weit akzeptierten Screeningtool hinweist.
Die nächsten Schritte bestehen nun darin, gezielt frühe Sta-
dien von Typ-2-Diabetes und Prädiabetes einzubeziehen,
bevor dieser Ansatz als Screeningtool eingesetzt werden
könne, so die Autoren.
vh
Quelle: «Can we screen for type 2 diabetes using voice? Findings from the Colive Voice study». Abstract 365, präsentiert am Jahreskongress der European Association for the Study of Diabetes (EASD), 9. bis 13. September 2024 in Madrid.
Schlechte Blutzuckerkontrolle fördert Zahn-
fleischentzündung
Frühere Untersuchungen haben nahegelegt, dass Patienten
mit mikrovaskulären Komplikationen wie Retinopathie und
Neuropathie auch ein höheres Risiko für Periodontitis
haben. Um dieser Annahme auf den Grund zu gehen, haben
dänische Forscher vom Steno Center in Aarhus (DK) eine
Analyse mit Registerdaten von 15 922 durchschnittlich
63-jährigen Patienten mit Typ-2-Diabetes vorgenommen.
Nach Abgleich mit potenziellen Störfaktoren wie soziodemo-
grafischer Status, anderen Erkrankungen sowie Lebensge-
wohnheiten inklusive Rauchen und körperliche Aktivität,
zeigte sich ein klarer Zusammenhang zwischen mikrovasku-
lären Komplikationen und Periodontitis: Patienten mit einer
Retinopathie hatten ein um 21% höheres Risiko für eine
mittelstarke bis schwere Periodontitis im Vergleich zu Patien-
ten ohne Diabeteskomplikationen, bei Patienten mit einer
diabetischen Neuropathie war das Risiko um 36% höher. Bei
Vorliegen beider Komplikationen erhöhte sich das Risiko auf
51% im Vergleich zu Patienten ohne Diabeteskomplikatio-
nen. Eine gleichzeitig vorliegende Dyslipidämie erhöhte das
Risiko bei Patienten mit Diabeteskomplikationen noch wei-
ter.
Diese Ergebnisse helfen, Diabetespatienten mit erhöhtem Pe-
riodontitisrisiko zu erkennen und entsprechend Gegenmass-
nahmen zu ergreifen.
vh
Quelle: «Diabetes-related microvascular complications and periodontitis: Health in Central Denmark». Abstract 93, präsentiert am Jahreskongress der European Association for the Study of Diabetes (EASD), 9. bis 13. September 2024 in Madrid.
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