Transkript
ESC
Lipidsenkung durch PCSK9-Hemmung
Weitere Reduktion kardialer Ereignisse unter Langzeittherapie
Am Jahreskongress der European Society of Cardiology (ESC) wurden die Ergebnisse der Verlängerung der FOURIER-Studie vorgestellt, in der die Sicherheit und die Wirksamkeit einer Langzeittherapie mit dem PCSK9-Hemmer Evolocumab untersucht wurde. Durch die weitere Lipidsenkung erfolgte eine anhaltende Reduktion von kardiovaskulären Ereignissen bei guter Verträglichkeit.
Eine lipidsenkende Behandlung ist in der Regel auf lange Zeit ausgelegt. Viele Studien mit Lipidsenkern dauern jedoch nur 2 bis 3 Jahre, sodass über Langzeiteffekte und Nebenwirkungen keine Aussage getroffen werden kann. Um solche Fragen zu beantworten, wurde die ursprünglich median 2,2 Jahre dauernde FOURIER-Studie mit dem PCSK9-Hemmer Evolocumab um weitere 5 Jahre verlängert. In der ursprünglichen FOURIER-Studie erhielten 27 564 Patienten mit stabiler atherosklerotischer kardiovaskulärer Erkrankung (ASCVD) zusätzlich zu einer Statintherapie randomisiert entweder Evolocumab (140 mg alle 2 Wochen oder 420 mg monatlich) oder Plazebo. Der PCSK9-Hemmer senkte in der Beobachtungszeit mit Anfangsverzögerung das Risiko für schwere kardiovaskuläre Ereignisse (MACE), definiert als kardiovaskulärer Tod, Myokardinfarkt und Hirnschlag. Eine explizite Reduktion der kardiovaskulären Mortalität wurde während der Studienlaufzeit allerdings nicht beobachtet (1). Die offene Studienverlängerung um median 5 Jahre (FOURIER-OLE) sollte Informationen darüber liefern, ob die Therapie auch bei einer Langzeitverabreichung so nebenwirkungsarm bleibe wie in der Ursprungsstudie und wie sich die weitere Lipidsenkung auf die Rate der kardiovaskulären Ereignisse weiter auswirke, berichtete Studienleiterin Dr. Michelle O’Donogue, Brigham and Woman’s Hospital, Boston (USA), am ESC-Kongress. An der Verlängerung nahmen 6635 Patienten aus der Ursprungsstudie teil, 3355 aus dem Evolocumab-Arm und 3280 aus dem Plazeboarm. Alle Teilnehmer konnten zwischen Evolocumab 140 mg alle 2 Wochen und monatlich 420 mg auswählen. Alle 24 Wochen, das erste Mal nach 12 Wochen, wurden Kontrolluntersuchungen inklusive Nüchternlipidmessungen durchgeführt (2). Die Patienten aus der Verumgruppe starteten mit einem LDL-Cholesterin-(LDL-C-)Spiegel von median 0,78 mmol/l, jene aus der Plazebogruppe mit 2,4 mmol/l (1). Nach der 12. Woche der Verlängerung war der LDL-C-Spiegel bei allen Patienten auf 0,75 mmol/l gesunken (2). Schwere Nebenwirkungen, Muskelschmerzen, Diabetesneuerkrankungen, hämorrhagischer Hirnschlag sowie neurokognitive Ereignisse traten während der Studienlaufzeit nicht häufiger auf als in der Plazebogruppe und nahmen mit der Zeit auch nicht zu (2).
Hirnschlag, Hospitalisierung infolge unstabiler Angina pectoris oder koronarer Revaskularisation (Hazard Ratio [HR]: 0,85; 95%-Konfidenzintervall [KI]: 0,75–0,96; p = 0,008). Im sekundären Endpunkt, bestehend aus der Kombination von kardiovaskulärem Tod, Myokardinfarkt oder Hirnschlag, zeigte sich eine Risikoreduktion von 20 Prozent (HR: 0,80; 95%-KI: 0,68–0,93; p = 0,003). Was sich in der Ursprungsstudie nach 2,2 Jahren noch nicht gezeigt hatte, wurde nach Abschluss der Verlängerung sichtbar: Das Risiko für kardiovaskulären Tod sank in der Verum-Verum-Gruppe um 23 Prozent signifikant (HR: 0,77; 95%-KI: 0,60–0,99; p = 0,04). Diese Wirkung begann sich etwa 1 Jahr nach Beginn der Verlängerung abzuzeichnen (2). Gemäss der Studienleiterin handelt es sich dabei um einen verzögert einsetzenden, aber anhaltenden Effekt der kontinuierlichen LDL-C-Senkung. Die Studie wurde zeitgleich in «Circulation» publiziert.
Je früher, desto besser
Diskutant Prof. Ulrich Laufs, Universitätsspital Leipzig (D), betonte in seinem Kommentar die Wichtigkeit dieser Studienresultate. Sie zeigten, dass eine jahrelange Lipidsenkung auf unter 0,8 mmol/l mit dem humanen PCSK9-Antikörper Evolocumab zu keinen weiteren Nebenwirkungen führe, auch nicht zu vermehrter Kataraktbildung. Dies trotz der Tatsache, dass PCSK9 in verschiedenen Organen wie Leber, Dünndarm, Niere und Gehirn exprimiert würde. Dass der Effekt der kardiovaskulären Ereignisreduktion erst verzögert einsetze, erkläre sich mit der Pathophysiologie der Plaqueentwicklung und der Progression über die Zeit. Deren Bremsung durch die LDL-C-Senkung nehme ebenfalls einige Zeit in Anspruch, wirke dann aber anhaltend. Je früher die Therapie demnach beginne, umso besser sei es, so Laufs. Eine Langzeithemmung von extrazellulärem PCSK9 durch den humanen Antikörper Evolocumab, zusätzlich zu einem hochwirksamen Statin, führe zu einem sehr tiefen LDL-CSpiegel. Diese Strategie sei sicher, gut verträglich und wirksam in der Prävention von Myokardinfarkt und kardiovaskulärem Tod, so seine Konklusion aus diesen Studienresultaten. s
Risikoreduktion bei kardiovaskulärem Tod
Nach den 5 Jahren erreichte die Verum-Verum-Gruppe im Vergleich zur Plazebo-Verum-Gruppe eine Risikoreduktion von 15 Prozent beim primären Wirksamkeitsendpunkt, der Kombination aus kardiovaskulärem Tod, Myokardinfarkt,
Valérie Herzog
Quelle: «ESC Guidelines Overview». Jahreskongress der European Society of Cardiology (ESC), 26. bis 29. August 2022 in Barcelona.
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ESC
Referenzen: 1. Sabatine MS et al.: Evolocumab and clinical outcomes in pati-
ents with cardiovascular disease. N Engl J Med. 2017;376:1713– 1722. 2. O’Donoghue ML et al.: Long-term evolocumab in patients with established atherosclerotic cardiovascular disease. Circulation. 2022;10.1161/CIRCULATIONAHA.122.061620.
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