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EASD
Pleiotrope Effekte der GLP-1-Rezeptor-Agonisten
Mehr als «nur» Antidiabetika
Mit den heute verfügbaren Antidiabetika bei Patienten mit Typ-2-Diabetes nur den Blutzucker zuverlässig zu senken, ist schon fast ein Kunstfehler. Denn die modernen Antidiabetika wie beispielsweise GLP-1-Rezeptor-Agonisten senken neben dem Blutzucker auch das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse. Wie das zustande kommt, ist allerdings ungeklärt. Manches spreche für einen direkten Zusammenhang mit der Senkung des HbA1c, wie Experten am EASD-Kongress ausführten.
GLP-1-Rezeptor-Agonisten (GLP-1-RA) senken
zuverlässig den erhöhten HbA1c-Wert bei Typ-2Diabetikern. Seit ihrer Einführung zeigte sich
aber darüber hinaus, dass sie bei Patienten mit
atherosklerotischen kardiovaskulären Vorer-
krankungen (ASCVD) auch einen kardiovasku-
lären Zusatznutzen besitzen, wie eine Metaana-
lyse zeigte (1). Laut dieser Analyse reduzieren sie
das Risiko für schwere kardiovaskuläre Ereig-
Dr. Mart Roosimaa
nisse (major adverse cardiovascular events, MACE) um 13 Prozent. Einzeln betrachtet, sinkt
das Risiko für kardiovaskulären Tod um 12 Pro-
zent, für nicht tödlichen Myokardinfarkt um 8
Prozent und für nicht tödlichen Hirnschlag um
16 Prozent. Auch die Hospitalisationsrate infolge
Verschlechterung einer Herzinsuffizienz verrin-
gert sich um 9 Prozent (1). Wie kommen diese
Effekte zustande? Während die kardiovaskulären
Effekte bei SGLT2-Hemmern, die das Risiko für
MACE in einem ähnlichen Umfang (11%) redu-
Prof. Hertzel Gerstein
zieren (Tabelle), vermutlich durch kardiorenale Effekte zustande kommen, ist die Ursache der
pleiotropen Effekte bei GLP-1-RA unklar. Ob die Senkung des
HbA1c-Werts dafür verantwortlich ist, untersuchte Dr. Mart Roosimaa, North Estonia Medical Center, University of Tartu
(Estland), das Ergebnis stellte er am EASD-Kongress vor. In die
Analyse flossen Daten aus 7 GLP-1-RA-Outcome-Studien ein
(ELIXA, EXSCEL, HARMONY, SUSTAIN-6, PIONEER-6,
LEADER). Als Resultat zeigte sich eine starke Korrelation des
kumulativen HbA1c-Werts mit MACE. Eine Reduktion des HbA1c-Werts um 1 Prozent bewirkte eine Risikoreduktion um 25 Prozent, konsistent für alle analysierten Studien.
REWIND-Studie verstärkt Hinweis
Auch Dulaglutide vemochte das Risiko für MACE in der kardiovaskulären Outcome-Studie REWIND nach über 5 Jahren um 12 Prozent zu senken (Hazard Ratio [HR]: 0,88; 95%-Konfidenzintervall [KI]: 0,79–0,99; p = 0,026) (3), das sowohl bei vorhandener als auch nicht vorhandener kardiovaskulärer Vorerkrankung beziehungsweise bei Patienten mit kardiovaskulären Risikofaktoren. Der Erstautor der REWIND-Studie, Prof. Hertzel Gerstein, Population Health Research Institute, Master University & Hamilton Health Sciences, Hamilton (CAN), berichtete am EASD-Kongress, dass die Daten auch eine Reduktion des Gewichts und des Blutdrucks gezeigt hätten. Ob die MACE-Risikoreduktion durch die Senkung des HbA1c-Werts, des Gewichts oder des Blutdrucks zustande kam, wurde in einer exploratorischen Post-hoc-Analyse untersucht. Die signifikante Reduktion des HbA1c-Werts über die ganze Studienlaufzeit belief sich auf 0,61 Prozent, das Gewicht verringerte sich signifikant um 1,5 kg und der systolische Blutdruck signifikant um 1,7 mmHg. Alle 3 Parameter sind anerkannte Risikofaktoren für MACE, aber nur die Veränderung des HbA1c-Werts scheint gemäss des Analyseergebnisses einen nennenswerten Einfluss (36%) auf MACE zu haben. Statistisch gesehen sei das ein starker Hinweis dafür, dass der HbA1c-Wert einen grossen Einfluss ausübe, so Gerstein abschliessend. s
Valérie Herzog
Quelle: «Incretin based therapies». Jahreskongress der European Association for the Study of Diabetes (EASD), 21. bis 25. September 2020, virtuell.
Tabelle: Welche Substanzklassen können was?
Substanzklasse GLP-1-RA
Wirkung auf das Herz
MACE 13% (1)
• cv-Tod 12%
• nicht tödlicher Herzinfarkt 8%
• nicht tödlicher Hirnschlag 16%
HHF 9%
Wirkung auf die Niere
Verringerung der Nierenfunktionsverschlechterung durch Reduktion der Makroalbuminurie (2)
SGLT2-Hemmer MACE 11% (2) • cv-Tod 16% • nicht tödlicher Herzinfarkt 11% • nicht tödlicher Hirnschlag 3% HHF 31% Reduktion des eGFR-Abfalls (2)
Abkürzungen: cv: kardiovaskulär; HHF: herzinsuffizienzbedingte Hospitalisation; eGFR: geschätzte glomeruläre Filtrationsrate Quelle: M. Roosimaa, EASD 2020
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Referenzen: 1. Giugliano D et al.: GLP-1 receptor agonists for prevention of car-
diorenal outcomes in type 2 diabetes: An updated meta-analysis including the REWIND and PIONEER 6 trials. Diabetes Obes Metab. 2019;21(11):2576-2580. 2. Zelniker TA et al.: Comparison of the Effects of Glucagon-Like Peptide Receptor Agonists and Sodium-Glucose Cotransporter 2 Inhibitors for Prevention of Major Adverse Cardiovascular and Renal Outcomes in Type 2 Diabetes Mellitus. Circulation. 2019; 139(17):2022-2031. 3. Gerstein HC et al.: Dulaglutide and cardiovascular outcomes in type 2 diabetes (REWIND): a double-blind, randomised placebo-controlled trial. Lancet. 2019;394(10193):121-130.
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