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ESC
Antithrombotische Therapie bei stabiler KHK plus Vorhofflimmern
Monotherapie scheint sicherer als Kombination
Bei Patienten mit stabiler koronarer Herzkrankheit (KHK) und Vorhofflimmern ist die Wahl der wirksamsten antithrombotischen Therapie eine Herausforderung. Denn es soll bei maximaler Prävention von thrombotischen Ereignissen ein möglichst tiefes Blutungsrisiko erreicht werden. Dass ein Jahr nach einer Revaskularisation die empfohlene Monotherapie mit einem Antikoagulans besser vor kardiovaskulären Ereignissen und Hirnschlag schützt als die weitverbreitete Weiterführung mit einer Plättchenhemmerkombination, darauf weist die vorzeitig abgebrochene AFIRE-Studie hin.
Fotos: vh
Dr. Satoshi Yasuda
Etwa 20 bis 30 Prozent der Patienten mit Vorhofflimmern weltweit haben auch eine KHK. Schätzungen zufolge wird diese Zahl demografiebedingt weiter ansteigen. Die Guidelines empfehlen bei diesen Patienten in den ersten 12 Monaten nach einer Revaskularisation eine antithrombotische Therapie mit einer Kombination, bestehend aus einem Plättchenhemmer und einem Antikoagulans. Danach soll die Therapie nur noch mit dem Antikoagulans allein weitergeführt werden. In der Praxis werde der zweite Schritt aber nicht immer nachvollzogen und die Kombinationstherapie häufig weiterverordnet. Dieses Vorgehen berge unnötige Risiken, erklärte Dr. Satoshi Yasuda, National Cerebral and Cardiovascular Centre, Suita (JP).
Kombination gefährlicher
Um in dieser Frage Klarheit zu schaffen, wurde
Prof. Freek Verheugt
die multizentrische, offene, randomisierte AFIRE-Studie durchgeführt, deren Resultate
am ESC-Kongress präsentiert wurden. In der
Studie erhielten 2236 Patienten ein Jahr nach der Revaskula-
risation eine Monotherapie mit Rivaroxaban 10 oder 15
mg/Tag oder eine Kombinationstherapie mit Rivaroxaban 10
oder 15 mg pro Tag plus Plättchenhemmer (Acetylsalicyl-
säure 80 oder 100 mg/Tag, Clopidogrel 50 oder 75 mg/Tag,
Prasugrel 2,5 oder 3,75 mg/Tag). Als primärer Endpunkt war
die Kombination aus Hirnschlag, systemischer Embolie,
Myokardinfarkt, instabiler Angina pectoris, Revaskularisa-
tionsfolge und Gesamtsterblichkeit definiert. Als primärer
Sicherheitsendpunkt galt eine schwere Blutung.
Die Studie wurde wegen höherer Gesamtsterblichkeitsraten
im Kombinationsarm nach einer medianen Beobachtungs-
dauer von 24 Monaten vorzeitig gestoppt.
Referenz: 1. Yasuda S et al.: Antithrombotic Therapy for Atrial Fibrillation with Stable Coronary Disease. N England Journal of Medicine 2019; 381: 1103–1113.
In der Monotherapiegruppe waren im Zeitraum von zwei Jahren bei 89 Patienten Ereignisse entsprechend dem primären Endpunkt eingetreten, während dies unter Kombination bei 121 Patienten der Fall war. Das entspricht einer Jahresinzidenz von 4,14 vs. 5,75 Prozent und ergibt für die Monotherapie ein signifikant tieferes Risiko (Hazard Ratio [HR]: 0,72; 95%-Konfidenzintervall [KI]: 0,55–0,95; p < 0,001 für Nichtunterlegenheit und p = 0,0188 für Überlegenheit). Die Rate schwerer Blutungen war in der Monotherapiegruppe signifikant tiefer als unter der Kombination (Inzidenz: 1,62 vs. 2,76% pro Jahr; HR: 0,59; 95%-KI: 0,39–0,89; p = 0,0115). Überdies zeigte sich, dass die Gesamtsterblich- keit unter der Monotherapie mit Rivaroxaban signifikant tie- fer war als mit der Kombination (1,85 vs. 3,37%; HR: 0,55; 95%-KI: 0,39–0,89; p = 0,0115). Aus diesen Ergebnissen er- gibt sich ein klinischer Nettoeffekt beziehungsweise ein Nut- zen-Risiko-Verhältnis von Ereignissen von 3,90 vs. 6,28 Pro- zent pro Jahr zugunsten der Monotherapie mit Rivaroxaban. Diese Resultate zeigten, dass eine Monotherapie mit einem oralen Antikoagulans ohne Plättchenhemmer für Patienten mit stabiler KHK und Vorhofflimmern die bessere Option sei, so das Fazit von Studienleiter Yasuda. Die Monotherapie war der Kombination in Bezug auf Wirkung und schwere Blutungen überlegen, inklusive der Gesamtsterblichkeit. Damit bestätige die Studie die Guidelines. Die Studie wurde mit der Präsentation zeitgleich im «New England Journal of Medicine» publiziert (1). Prof. Freek Verheugt, Department of Cardiology, Onze Lieve Vrouwe Gasthuis, Amsterdam (NL), gab in der Diskussion nach der Studienpräsentation einige Punkte zu bedenken: Erstens sei die Studie offen geführt worden. Zweitens seien in der japanischen Studie tiefere Dosierungen von Rivaroxaban verwendet worden, als im Westen gebräuchlich seien, was die Blutungsrate in einem besseren Licht erscheinen lassen könnte. Drittens seien Asiaten schlechte Metabolisierer von Clopidogrel, was die Blutungsraten ebenfalls verzerren könnte. Aus diesen Gründen könnten die Resultate von AFIRE nicht für andere direkte Antikoagulanzien oder Vit- amin-K-Antagonisten gelten. Doch bestätigten die Studienre- sultate die Empfehlungen der europäischen und amerikani- schen Guidelines, wonach ein Stopp der Plättchenhemmung ein Jahr nach der Revaskularisation sicherer und besser sei als deren Weiterführung. Und: Alles in allem rette es Leben. Für eine definitive Antwort dieser Frage bedürfe es aber wei- terer Studien, vorzugsweise bei Nichtasiaten. L Valérie Herzog Quelle: «Hotline 3», Jahreskongress der European Society of Cardiology (ESC) 2019, 31. August bis 4. September 2019 in Paris. 30 CongressSelection Diabetologie | Kardiologie | Dezember 2019