Transkript
EASD
Multipotente SGLT2-Hemmer
Hoffnung für Typ-2-Diabetes-Patienten mit Nierenerkrankung
Fotos: vh
Die Typ-2-Diabetes-Erkrankung hat zerstörerische Folgen. Sie erhöht erstens das Risiko für atherosklerotisch bedingte Herzerkrankungen wie Myokardinfarkt, Hirnschlag oder kardiovaskulären Tod, sie führt zweitens häufig zu einer Herzinsuffizienz und ist drittens die häufigste Ursache für eine fortschreitende Nephropathie. Bei den ersten beiden Konsequenzen haben SGLT2-Hemmer bereits eindrückliche Risikoreduktionen zeigen können. Den dritten Punkt scheint diese Substanzklasse mit der Präsentation der Ergebnisse der CREDENCE-Studie am EASD-Kongress nun auch abmildern zu können.
Prof. Hiddo Lambers Heerspink Prof. Vlado Perkovic
Das Fortschreiten der chronischen Nierenerkrankung zu bremsen, war bislang ein unerreichtes Ziel in der Diabetesbehandlung, dessen Gelingen nun erstmals in der Phase-3-Studie CREDENCE belegt werden konnte. In dieser am EASD-Kongress präsentierten doppelblind randomisierten Multizenterstudie wurde die renale Wirkung des SGLT2-Hemmers Canagliflozin untersucht. Dazu wurden 4401 Patienten mit Typ-2-Diabetes und chronischer Nierenerkrankung im Stadium 2 und 3 mit geschätzter glomerulärer Filtrationsrate (eGFR) zwischen 30 und 90 ml/min/1,73 m2 und Makroalbuminie (Albumin-Kreatinin-Ratio [ACR] > 300 – ≤ 5000 mg/g) rekrutiert, die eine Standardtherapie inklusive maximal dosierte ACEHemmer oder Angiotensin-2-Rezeptor-Antagonisten erhielten. Zusätzlich zu dieser Standardtherapie bekamen die Teilnehmer randomisiert Canagliflozin 100 mg/Tag oder Plazebo. Als primärer Endpunkt war die Kombination aus terminaler Nierenerkrankung (Dialyse, Transplantation, eGFR < 15 ml/min/1,73 m2), Verdoppelung des Serumkreatinins oder nieren- oder herzbedingtem Tod definiert. Studie wegen Vorteils vorzeitig gestoppt Nach einer geplanten Zwischenanalyse sei die Studie infolge überlegener Ergebnisse nach einem medianen Follow-up von 2,6 Jahren vor- Prof. Christoph Wanner zeitig gestoppt worden, berichtete Prof. Hiddo Lambers Heerspink, Department of Clinical Pharmacy and Pharmacology, University Me- dical Center Groningen (NL), am EASD-Kongress. Die Resultate zeigten folgendes Bild: In der Canagliflozin- gruppe war das Risiko für den primären Endpunkt um 30 Prozent tiefer, mit Ereignisraten von 43,2 beziehungs- weise 61,2 pro 1000 Patientenjahre unter Plazebo (Hazard Ratio [HR]: 0,70; 95%-Konfidenzintervall [KI]: 0,59–0,82; p = 0,00001). Der nierenspezifische Endpunkt terminale Nierenerkrankung, Verdoppelung des Serumkreatinins und nierenbedingter Tod sank unter Canagliflozin im Vergleich zu Plazebo um 34 Prozent (HR: 0,66; 95%-KI: 0,53–0,81; p = 0,001) und das Risiko für terminale Nierenerkrankung um 32 Prozent. Ausserdem war der Abfall der eGFR unter Canagliflozin weniger steil (-1,85/Jahr) als unter Plazebo (-4,59), was einer 60-prozentigen Verlangsamung des jährlichen Abfalls entspricht. Unter dem SGLT2-Hemmer zeigte sich auch ein signifikant tieferes Risiko für kardiovaskulären Tod, Myokardinfarkt oder Hirnschlag sowie für herzinsuffizienzbedingte Hospitalisierung. Es gab keine Anzeichen für erhöhte Amputationsoder Frakturraten unter Canagliflozin. Bei Patienten mit Typ-2-Diabetes und Nierenerkrankung war das Risiko für eine Niereninsuffizienz und für kardiovaskuläre Ereignisse auch nach einer verkürzten Beobachtungszeit von zweieinhalb Jahren signifikant tiefer. Das heisst, dass Canagliflozin gemäss Lambers Heerspink eine gute Behandlungsoption zur Nieren- und Kardioprotektion bei Typ-2-Diabetes-Patienten mit chronischer Nierenerkrankung darstellt. Die signifikanten Reduktionen von kardiovaskulären Ereignissen gehen konform mit den Studien mit anderen SGLT2Hemmern wie Empagliflozin mit der EMPA-REG-OUTCOME-Studie, Dapagliflozin mit der DECLARE-TIMI-58und der CANVAS-Studie mit Canagliflozin, die alle eine kardiovaskuläre Überlegenheit gegenüber Plazebo bewiesen haben. Daher ist eine Überbewertung des Effekts von Canagliflozin wegen des vorzeitigen Studienabbruchs eher unwahrscheinlich (1). Anhand dieser Ergebnisse werde die American Diabetes Association (ADA) ihre Guidelines um die Empfehlung (Grad A) ergänzen, bei Typ-2-Diabetikern mit diabetischer Nephropathie mit eGFR ≥ 30 ml/min/1,73 m2 und ACR > 300 mg/g Albuminurie einen SGLT2-Hemmer zu verwenden, um das Risiko einer Progression der Nierenerkrankung oder von kardiovaskulären Ereignissen oder beidem zu reduzieren, ergänzte Studienautor Prof. Vlado Perkovic, Leiter des George Institute for Global Health, University of New South Wales, Sydney (AUS).
10 CongressSelection Diabetologie | Kardiologie | Dezember 2019
EASD
Diabetische Nierenerkrankung ohne Makroalbuminurie
Die diabetische Nierenerkrankung charakterisiert sich üblicherweise durch hohe Albuminspiegel (UACR > 300 mg/g) bei einer Makroalbuminurie. Jüngere Erkenntnisse hätten aber gezeigt, dass auch ein Phänotyp einer diabetischen Nierenerkrankung ohne Makroalbuminurie, dafür mit reduzierter glomerulärer Filtrationsrate (GFR) existiere, erklärte Prof. Christoph Wanner, Leiter der Nephrologie am Universitätsklinikum Würzburg und Co-Autor der EMPA-REGStudie. Dieser Phänotyp sei eigentlich der häufigere bei der diabetischen Nierenerkrankung, doch sei er in den Subgruppen der Studien selten berücksichtigt und in der CREDENCEStudie sogar explizit ausgeschlossen worden. In der am EASD-Kongress präsentierten explorativen Analyse der EMPA-REG-OUTCOME-Studiendaten hatten von den 7020 Studienteilnehmern 11 Prozent (n = 769) eine Makroalbuminurie und 18 Prozent (n = 1290) eine diabetische Nierenerkrankung ohne Albuminurie (UACR ≤ 300 mg/g) mit eGFR < 60 ml/min/1,73 m2 (2). Dabei zeigte sich, dass der positive kardiorenale Effekt von Empagliflozin bei diabetischer Nierenerkrankung ohne Makroalbuminurie konsistent ist mit allen anderen klinischen Phänotypen der chronischen Nierenerkrankung. Dieses Resultat legt nahe, dass die Abwesenheit einer Makroalbuminurie die kardiorenale Therapieresponse von Empagliflozin nicht schmälert.
Zurzeit läuft die EMPA-KIDNEY-Studie (3), in welcher der
kardiorenale Effekt bei einer breiten Population von rund
5000 Patienten mit Nierenerkrankungen mit und ohne Dia-
betes wie auch mit tieferen Proteinuriewerten untersucht
wird. Der Hintergrund dafür ist die Überlegung, dass SGLT2-
Hemmer in der Niere den intraglomerulären Druck reduzie-
ren können, damit vermutlich die Albuminurie reduzieren
und den weiteren Abfall der Nierenfunktion bei Diabetikern
aufhalten. Dieser Effekt zeigte sich auch bei bereits verbesser-
ten Blutzuckerwerten, scheint also unabhängig von der hyper-
glykämischen Umgebung zu sein. Von diesem Nutzen könn-
ten möglicherweise auch nierenkranke Patienten ohne Dia-
betes profitieren, so Wanner abschliessend.
L
Valérie Herzog
Quelle: «SGLT2 inhibitors: glucose and beyond (OP1)». Jahreskongress der European Association for the Study of Diabetes (EASD) 2019, 16. bis 20. September in Barcelona.
Referenzen: 1. Perkovic V et al.: Canagliflozin and Renal Outcomes in Type 2
Diabetes and Nephropathy. N Engl J Med 2019: 380: 2295–2306. 2. Wanner C et al.: Empagliflozin and cardiorenal outcomes in pa-
tients with non-proteinuric kidney disease in the EMPA-REG OUTCOME trial. Abstract 5, präsentiert am Jahreskongress der European Association for the Study of Diabetes (EASD) 2019, 16. bis 20. September in Barcelona. 3. Herrington WG et al.: The potential for improving cardio-renal outcomes by sodium-glucose co-transporter-2 inhibition in people with chronic kidney disease: a rationale for the EMPAKIDNEY study. Clin Kidney J 2018; 11: 749–761.
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