Transkript
Rheuma Top
Wie lange nützt die Resorptionshemmung bei Osteoporose?
Überlegungen zu Therapiedauer und zum Vorgehen bei Therapiestopp
Immer mehr Daten zeigen, dass eine langjährige antiresorptive Therapie bei Osteoporose nicht nur positive Effekte hat. Wie lange sollte nun behandelt werden und welche Faktoren gibt es zu beachten, wenn ein Therapiestopp geplant ist? Über diese Fragen sprach Dr. Diana P. Frey, Zürich. Zudem gab sie einige Empfehlungen zur Supplementierung von Kalzium und Vitamin D.
Dr. Diana P. Frey, Leiterin Osteoporosezentrum, Universitätsspital Zürich, startete ihre Ausführungen mit einem Beispiel aus der Praxis. Sie beschrieb den Fall einer 55-jährigen Frau, bei der 2012 ein Mammakarzinom diagnostiziert worden war. Im Anschluss an Operation, Chemo- und Radiotherapie folgte eine Nachbehandlung mit einem Aromatasehemmer (Letrozol). Vorgängig wurde eine Knochendichtemessung durchgeführt. Der ermittelte T-Score ergab für die Lendenwirbelsäule mit –1,4 eine leichte Osteopenie, die anderen Messwerte (Hüfte total und Schenkelhals) waren normal. «Da eine längerfristige Behandlung mit einem Aromatasehemmer mit einem erhöhten Risiko für eine Osteoporose einhergeht – das Risiko liegt hier etwa gleich hoch wie bei einer Steroidtherapie – wurde bei der Patientin eine Prophylaxe mit Denosumab, Kalzium und Vitamin D gestartet», erklärte Frey. Eine Kontrollmessung drei Jahre später zeigte dann auch an der Lendenwirbelsäule eine normale Knochendichte. Die Medikation wurde unverändert noch für zwei weitere Jahre, bis 2017, fortgeführt. Dann wurde beschlossen, die Aromatasehemmerbehandlung zu stoppen. «Damit stellt sich nun die Frage, wie lange eine Therapie mit Denosumab, oder auch einem Bisphosphonat, durchgeführt werden sollte und ob eine solche Therapie bedenkenlos gestoppt werden kann», so Frey.
Wie lange solle eine Therapie mit Bisphosphonaten oder Denosumab durchgeführt werden?
Problematik: • Denosumab und Bisphosphonate erhöhen mit zunehmender Therapiedauer das Risiko für
atypische Femurfrakturen. • Nach Stoppen der Medikamente kann es zu einem Anstieg des Frakturrisikos kommen. • Bei Denosumab kann sich das Frakturrisiko (multiple Wirbelfrakturen) bereits nach weni-
gen Monaten stark erhöhen.
Mögliche Lösungen: • Nutzen-Risiko-Analyse zum Therapiestopp vs. Therapieweiterführung durchführen. • Bei geringem Risiko für eine osteoporotische Fraktur Bisphosphonate nach drei bis sechs
Jahren stoppen • Bei hohem Risiko mit Bisphosphonaten weitertherapieren oder allenfalls zu Denosumab
oder Teriparatid wechseln. • Denosumab nur bei sehr geringem Frakturrisiko stoppen. Möglichst bald danach Therapie
mit einem Antiresportivum beginnen. Engmaschige Kontrollen durchführen.
Datenlage zu Therapiedauer und Therapiestopp
Mittlerweile ist bekannt, dass es mit zunehmender Dauer einer Therapie mit Denosumab oder Bisphosphonaten (BP) zu einem steigenden Risiko für atypische Femurfrakturen (AFF) kommt (1). Die mediane Behandlungsdauer bei Fällen mit einer AFF unter BP betrug sieben Jahre. Das Risiko für eine AFF unter BP wurde mit 3 bis 50 Fällen pro 100 000 Patientenjahre angegeben. «Im Vergleich dazu käme man bei einem 10-Jahres-Risiko von 5 Prozent für eine osteoporotische Hüftfraktur auf etwa 500 Fälle pro 100 000 Patientenjahre. Ist bei einer Patientin das Risiko für eine osteoporotische Fraktur relativ hoch, so spricht eine Nutzen-Risiko-Analyse wahrscheinlich weiterhin für den längerfristigen Einsatz einer antiresorptiven Therapie», erklärte die Referentin. Generell empfahl sie, bei geringem Risiko BP nach drei bis sechs Jahren zu stoppen, bei einem hohen Risiko diese weiter zu geben oder allenfalls zu Denosumab oder Teriparatid zu wechseln. Im Weiteren zeigten Untersuchungen, dass es eine gewisse Zeit nach dem Stopp einer antiresorptiven Therapie zu einer Abnahme der Knochendichte und einem Anstieg des Frakturrisikos kommt. Bei Patientinnen, die während fünf Jahren mit Alendronat behandelt worden waren, traten nach dem Umstellen auf Plazebo innerhalb von weiteren fünf Jahren 55 Prozent mehr klinische Wirbelfrakturen auf als bei Patientinnen, die mit dem BP weiterbehandelt worden waren (2). Bezüglich nicht vertebraler Frakturen ergab sich kein Unterschied. «Ähnliche Daten existieren auch für Zoledronat», ergänzte die Referentin. Für Denosumab ergab ein erst kürzlich publizierter Review, dass es bereits acht Monate nach der letzten Injektion zu einem massiven Rebound des Knochenmetabolismus und einem stark erhöhten Risiko für (multiple) Wirbelfrakturen kam (3). Das höchste Risiko wiesen Patientinnen auf, die bereits eine vorbestehende Wirbelfraktur hatten. «Die aktuelle Meinung ist, dass man möglichst bald nach dem Stoppen einer Denosumab-Therapie die Behandlung mit einem anderen Antiresorptivum beginnen soll», sagte Frey in diesem Zusammenhang. «Möglichst bald bedeutet hier, die Therapie möglichst rasch nach dem Zeitpunkt zu beginnen, an dem die nächste Denosumab-Injektion fällig gewesen wäre.» Ob der Prozess mit diesem Vorgehen wirklich aufgehalten werden könne, sei aber nach wie vor nicht klar.
30 • CongressSelection Rheumatologie • November 2017
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Im Zusammenhang mit dem eingangs geschilderten Fall der Mammakarzinom-Patientin mit Aromatasehemmertherapie meinte Frey abschliessend: «Ich denke, bei dieser Patientin könnte die Behandlung mit Denosumab gestoppt werden, da sie wirklich ein sehr niedriges Risiko aufweist. Es müsste aber sicher mit ihr diskutiert werden, ob nicht anschliessend ein Bisphosphonat eingesetzt werden sollte. Zudem würde ich engmaschig eine Bestimmung der Knochenmarker durchführen. Sollten diese sehr stark ansteigen, dann wäre dies spätestens der Zeitpunkt, ein Bisphosphonat oder Denosumab zu geben.»
Supplementierung von Kalzium – welche Dosis, welches Intervall?
Im zweiten Teil ihres Vortrages ging Frey auf das Thema der Supplementierung von Vitamin D und Kalzium ein. «Hier stellt sich die Frage, welche Dosis in welchem Intervall am besten ist.» Zwei Publikationen aus den Jahren 2010 und 2011 verbanden eine Supplementierung von Kalzium mit einem erhöhten Risiko für Myokardinfarkte und zerebrovaskuläre Insulte (4, 5). In der neuesten Metaanalyse wurde aber festgehalten, dass von 21 Subgruppen aus zwölf Studien nur zwei ein klar erhöhtes kardiovaskuläres Risiko zeigten (6). Im Weiteren fand sie bei elf Subgruppen aus zehn Studien ebenfalls nur zwei mit einem klar erhöhten Risiko für zerebrovaskuläre Insulte. Die Untersucher schlossen daher, dass die Zufuhr von Kalzium (durch Nahrung und Supplemente) unter der empfohlenen oberen Einnahmegrenze von 2000 bis 2500 mg pro Tag bei ansonsten gesunden Erwachsenen nicht mit einem erhöhten kardiovaskulären Risiko assoziiert ist. «Ich finde diese Kalziumdosis allerdings etwas hoch. Meiner Meinung nach genügen 1000 mg pro Tag», kommentierte Frey. Sie empfahl, die Kalziumaufnahme über die Nahrung zu berechnen beziehungsweise berechnen zu lassen und nur dann zu supplementieren, wenn auf diese Weise weniger als 800 mg täglich aufgenommen werden.
Supplementierung von Vitamin D: widersprüchliche Studien
Zum Thema der Vitamin-D-Supplementierung existiert eine Vielzahl an zum Teil auch widersprüchlichen Studien. «Ziemlich sicher wissen wir, dass die jährliche Einnahme von sehr hohen Dosen nicht günstig ist», erklärte Frey. So hatte eine Studie gezeigt, dass die 1-mal jährliche
Einnahme von 500 000 IE für 3 bis 5 Jahre im Vergleich zu einer Plazebogruppe mit 15 Prozent mehr Stürzen und 26 Prozent mehr Frakturen assoziiert war (7). Eine Dosis von 150 000 IE alle drei Monate ging zwar nicht mit negativen Effekten einher, zeigte aber im Vergleich zu Plazebo auch keine Unterschiede bezüglich Sturzhäufigkeit (8). In einer kürzlich in Zürich durchgeführten Untersuchung erhielten drei Patientengruppen monatlich entweder 24 000 IE, 60 000 IE oder 24 000 IE plus 300 µg Calcifediol (9). Verglichen mit der Gruppe mit 24 000 IE kam es in den beiden anderen Gruppen häufiger zu Stürzen. Je höher die Dosis dabei war, desto häufiger traten Stürze auf. Aufgrund der aktuellen Datenlage empfahl Frey daher, Vitamin D möglichst in häufigen kleinen Dosen (täglich oder wöchentlich, bis maximal monatlich) zu geben. Bei Patientinnen mit Osteoporose sollte die Supplementierung gemäss des Blutspiegels (mind. 30 µg/l) titriert werden. «Bei Personen über 65 ohne Osteoporose genügen 800 IU pro Tag zur Prophylaxe eines Mangels, eine Messung des Blutspiegels ist hier nicht notwendig», schloss sie.
Therese Schwender
Referenzen: 1. Shane E et al.: Atypical subtrochanteric and diaphyseal femoral fractures: second report of a task force of the American Society for Bone and Mineral Research. J Bone Miner Res 2014; 29: 1–23. 2. Schwartz AV et al.: Efficacy of continued alendronate for fractures in women with and without prevalent vertebral fracture: the FLEX trial. J Bone Miner Res 2010; 25: 976–982. 3. Tsourdi E et al.: Discontinuation of Denosumab therapy for osteoporosis: A systematic review and position statement by ECTS. Bone 2017; 105: 11–17. 4. Bolland MJ et al.: Effect of calcium supplements on risk of myocardial infarction and cardiovascular events: meta-analysis. BMJ 2010; 341: c3691. 5. Bolland MJ et al.: Calcium supplements with or without vitamin D and risk of cardiovascular events: reanalysis of the Women's Health Initiative limited access dataset and meta-analysis. BMJ 2011; 342: d2040. 6. Chung M et al.: Calcium Intake and Cardiovascular Disease Risk: An Updated Systematic Review and Meta-analysis. Ann Intern Med 2016; 165: 856–866. 7. Sanders KM et al.: Annual high-dose oral vitamin D and falls and fractures in older women: a randomized controlled trial. JAMA 2010; 303: 1815–1822. 8. Glendenning P et al.: Effects of three-monthly oral 150,000 IU cholecalciferol supplementation on falls, mobility, and muscle strength in older postmenopausal women: a randomized controlled trial. J Bone Miner Res 2012; 27: 170–176. 9. Bischoff-Ferrari HA et al.: Monthly High-Dose Vitamin D Treatment for the Prevention of Functional Decline: A Randomized Clinical Trial. JAMA Intern Med 2016; 176: 175–183.
Quelle: Rheuma Top 2017, 24. August 2017 in Pfäffikon.
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