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Neue Strategien gegen Psoriasis-Arthritis
Entzündung von der Haut bis zu den Gelenken
Foto: KD
Der Verlauf der Psoriasis-Arthritis (PsA) ist oft schwerer als angenommen. So sind bei mehr als 40 Prozent der PsA-Patienten fünf oder mehr Gelenke betroffen, nicht selten mit knöchernen Veränderungen. Neue, darunter auch intrazellulär wirkende Substanzen erweitern das Behandlungsspektrum.
Georg Schett
Bei jedem fünften Psoriasispatienten tritt oft viele Jahre nach Erscheinen der ersten Hautmanifestation eine Psoriasis-Arthritis (PsA) auf. Diese oft schmerzhafte entzündliche Erkrankung der Gelenke kann in selteneren Fällen auch vor oder sogar ganz ohne Hautbeteiligung auftreten. Betroffen sind – oft asymmetrisch – die kleinen Gelenke der Finger und Zehen, oft mit Beteiligung des distalen Interphalangealgelenks, oder auch einzelne grosse Gelenke. Bei etwa 40 Prozent der Patienten liegt zusätzlich eine Wirbelsäulenbeteiligung vor. Ebenfalls typisch für die PsA sind Entzündungen an den Ansatzstellen von Sehnen, Bändern oder Gelenkkapseln, wobei die Achillessehne am häufigsten betroffen ist.
Entzündung in drei Schritten
Obwohl jedes Jahr neue Erkenntnisse zur Pathogenese der Psoriasis-Arthritis hinzukommen, sind ihre Ursachen bislang nur unvollständig geklärt. Sicher scheint zu sein, dass sowohl genetische als auch umweltbedingte Faktoren eine wichtige Rolle bei der Entstehung dieser chronischen Entzündung spielen. Für die Psoriasispathogenese würden drei Schlüsselmechanismen verantwortlich gemacht, erklärte an einem Satellitensymposium der Firma Celgene Prof. Georg Schett von der Uniklinik Erlangen (Deutschland) (1): • ein überschiessender Zustrom von neutrophilen Gra-
nulozyten in die Haut (IL-8 und GM-CSF), • eine T-Zell-Infiltration (IL-23 und IL-17) sowie • eine Hyperproliferation der Epidermis. Bei einem akuten Krankheitsschub werden dendritische Zellen in der Epidermis und der Dermis aktiviert. Die dabei einsetzende Produktion von Zytokinen wie TNF-α und IL-23 fördert wiederum die Entwicklung besonderer T-Zell-Subgruppen (Th1, Th17). Eine solche Aktivierung von intrazellulären Signaltransduktionswegen spielt bei der Entstehung und Verstärkung der entzündlichen Immunreaktion und damit der Psoriasis und der PsoriasisArthritis eine wesentliche Rolle.
Enthesiophyten als PsA-Frühzeichen
Als ein Frühzeichen der PsA gelte das Auftreten von entzündlichen Enthesiophyten an den Ansatzstellen von Bändern, Sehnen und Gelenkkapseln, sagte Schett (2). Tatsächlich sind gemäss einer neuen Studie 38 Prozent der Psoriasispatienten von einer subklinischen Synovitis
betroffen (3). Das Risiko, später eine PsA zu entwickeln, liegt bei ihnen bei etwa 60 Prozent. Eine solche subklinische Synovitis könne daher als ein prädikiver Faktor für die Entwicklung einer PsA angesehen werden. Die nähere Untersuchung der entsprechenden Synovien bestätigt, dass viele proinflammatorische Zytokine, wie IL-1, IL-6, IL-12, IL-13, IL-17, IL-18, IL-23, IFN-γ oder TNF-α, überexprimiert sind. Die Identifikation solcher Moleküle könnte die Pathogenese der PsA erhellen und potenzielle therapeutische Angriffspunkte bieten, erklärte der Erlanger Rheumatologe.
Neue Strategien in Sicht
Neue Behandlungsstrategien sind notwendig, da die klassischen Standardbehandlungen der PsA limitiert sind. So seien NSAR zwar wichtig, sie besässen jedoch nur eine begrenzte Effektivität und zudem substanzielle Nebenwirkungen, so Schett. Glukokortikoide würden bei Psoriasis nur zur Behandlung lokaler Exazerbationen angewendet und könnten langfristig bekanntlich schwere Nebenwirkungen verursachen. Methotrexat zeige eine lediglich moderate Wirksamkeit bei Haut- und Gelenkmanifestationen und kaum Effekte bei Manifestationen wie Enthesitis. Durch die Entwicklung neuer, gegen bestimmte Zytokine (TNF-α, IL-17, IL-23 u.a.) gerichteter Substanzen haben sich die Behandlungsaussichten für rheumatoide Erkrankungen seit einigen Jahren deutlich verbessert. Neben mehreren bereits in der Schweiz zugelassenen TNF-α-Inhibitoren (Adalimumab, Certolizumab pegol, Etanercept, Golimumab, Infliximab) und dem IL-12/23-Hemmer Ustekinumab wird in Zukunft auch der Interleukin-17AHemmer Secukinumab zur Behandlung der PsA zur Verfügung stehen. Man könne einerseits solche Zytokine im Extrazellulärraum angreifen, so Schett, man könne andererseits aber auch versuchen, diese Entzündungsfaktoren gesamthaft bereits innerhalb der Zelle in Schach zu halten. Eine solche Strategie wird derzeit mit selektiven Phosphodiesterase-4-(PDE4-)Hemmern verfolgt. Phosphodiesterasen sind Enzyme, die cAMP zu AMP und cGMP zu GMP abbauen. Bei einer Entzündung erhöhen PDE4-Enzyme durch den Abbau von cAMP die Konzentration des intrazellulären AMP. Dadurch vermindert sich entzündungshemmendes cAMP. Umgekehrt erhöht sich die
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Take Home Messa es
® Psoriasis ist durch eine exzessive und nachhaltige Zytokinproduktion und Entzün-
dung der Haut gekennzeichnet.
® Psoriatische Gelenkerkrankungen beginnen an den Sehnenansätzen. Dies reflek-
tiert die mechanischen Trigger der Entzündung.
® Subklinische Gelenkveränderungen weisen auf den Beginn einer Psoriasis-Arthritis
(PsA) hin.
® Inhibitoren (Antikörper) oder Modulatoren (Apremilast) der proinflammatorischen
Zytokine sind effektive therapeutische Substanzen gegen Psoriasis und PsA.
Konzentration von inaktivem AMP. Folge: Eine Entzündung verstärkt sich. Wird dagegen die PDE4 blockiert, steigt die Konzentration von cAMP. Folge: Es werden weniger inflammatorische Zytokine in den Abwehrzellen gebildet, die Entzündung geht zurück. «Das ist genau das
Prinzip, wie der PDE4-Hemmer Apremilast arbeitet, er erhöht die cAMP-Konzentration und wirkt damit antiinflammatorisch», so Schett (4). Da es eine ganze Menge unterschiedlicher und auch sehr nützlicher Phosphodiesterasen gebe, sei es von Vorteil, dass Apremilast sehr selektiv den Subtyp 4 blockiere (5).
Klaus Duffner Referenzen: 1. Nestle FO et al.: New Engl J Med. 2009; 361: 496–509. 2. Simon D et al.: Ann Rheum Dis 2016; 75: 660–666. 3. Faustini F et al.: Ann Rheum Dis 2016; doi:10.1136/annrheumdis2015-208821 4. Schett G et al.: Clin Exp Rheumatol 2015; 33 (93): 98–100. 5. Schafer PH et al.: Cell Signal 2014; 26: 2016–2629.
Quelle: Satellitensymposium «The challenge with PsA – it’s complicated …» (Veranstalter: Celgene) beim Jahreskongress der European League Against Rheumatism (EULAR), 9.˙Juni 2016 in London.
KONGRESSNOTIZEN
Foto: KD
Schnellere SpA-Diagnose dank Facebook
Entzündlicher Rückenschmerz (oder Spondyloarthritis, SpA) wird ge-
mäss einer britischen Studie im Durchschnitt mit einer mehr als acht
Jahre dauernden Verzögerung diagnostiziert. Das ist einerseits auf die
verspätete Konsultation eines Arztes zurückzuführen, andererseits
ist es für Patient und Allgemeinpraktiker häufig schwierig, entzünd-
liche von mechanischen Ursachen zu unterscheiden. Englische Medi-
ziner um Dr. Arumugam Moorthy aus Leicester entwarfen nun eine
neue Methode, um über Facebook vor allem jüngere Betroffene mit
typischen SpA-Symptomen zu identifizieren, und verglichen sie mit
anderen Identifikationsverfahren, wie zum Beispiel Zeitungsanzeigen.
Solche Symptome sind zum Beispiel Verschlimmerung der Schmerzen
im Lendenwirbelbereich in der Nacht beziehungsweise bei Ruhe. Von
585 detektierten SpA-Fällen wurden drei Viertel über Facebook ent-
deckt. Das mittlere Alter der Facebook-Gruppe war 41 Jahre, das der
Nicht-Facebook-Gruppe 59 Jahre.
KD
Pressemeldung «Facebook key to identifying thousands with inflammatory back pain», Abstract OP 0145, EULAR 2016.
Lupuspatientinnen mit höherem Risiko für Zervixkarzinom
Systemischer Lupus erythematodes (SLE) ist eine Autoimmunerkran-
kung, die verschiedene Organe (vor allem die Gelenke, Nieren und die
Haut) schädigt. Frauen sind zehnmal häufiger davon betroffen als
Männer. In einer neuen Untersuchung zeigten schwedische Forscher
um Dr. Hjalmar Wadström aus Stockholm, dass bei Frauen mit Lupus
auch das Risiko für Zervixkarzinome erhöht ist. So war zwischen 2002
und 2012 die Rate von Zervixdysplasien oder Zervixkarzinomen in
einer Kohorte von Frauen mit Lupus doppelt so hoch wie in der
Allgemeinbevölkerung. Vor allem Frauen, die mit systemischen Im-
munsuppressiva behandelt worden waren, hatten auffällig hohe
Werte.
KD
Pressemeldung «Lupus confirmed as risk factor for cervical cancer˚, Abstract OP 0189, EULAR 2016.
Schützende Blinddarmentzündung
Eine Appendizitis in der Kindheit halbiert fast das Risiko einer spä-
teren ankylosierenden Spondylitis (AS). AS, auch Morbus Bechterew
genannt, ist eine chronisch entzündliche, rheumatische Erkrankung
mit Schmerzen und Versteifung von Wirbelsäulengelenken. Basierend
auf 2600 AS-Fällen und 11 000 Kontrollen, fanden Forscher aus Gö-
teborg (S), dass eine Blinddarmentzündung in der Kindheit das
AS-Risiko im Erwachsenenalter um 40 Prozent reduziert. Eine solche
Risikoreduktion war bislang auch von chronisch-entzündlichen
Darmerkrankungen bekannt. Der genaue Mechanismus bleibt aller-
dings weiterhin unklar. Möglicherweise würde die frühe Blinddarm-
entzündung eine langfristige immunologische Veränderung in der
Darmmukosa hervorrufen, die sowohl vor Darmentzündungen als
auch vor AS schützt, so eine Vermutung von Studienleiter Ulf Lind-
ström.
KD
Pressemeldung «Appendicitis during childhood is linked to debilitating rheumatic disease», Abstract OP 0082, EULAR 2016.
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