Transkript
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Update zur Osteoporose
Neues zur Frakturrisikobeurteilung und zur Therapie
Seit April 2015 ist es möglich, den TBS (Trabecular Bone Score) im FRAX-Tool einzugeben. Auch ins Tool der Osteoporose-Plattform der Schweizerischen Gesellschaft für Rheumatologie (TOP) kann der TBS einbezogen werden. Dadurch wird die Abschätzung des Frakturrisikos noch weiter verfeinert, was die Behandlungsentscheidung beeinflussen kann. Darüber und über zwei neue Medikamente mit osteoanaboler Wirkung – Romosozumab und Abaloparatid – sprach Dr. Diana Frey, Leiterin Osteoporosezentrum, Klinik für Rheumatologie, Universitätsspital Zürich.
K nochendichtemessungen an zwei Wirbelsäulen können praktisch identische Werte ergeben, obschon die eine Wirbelsäule eine homogene Knochenstruktur aufweist und die andere eine inhomogene Struktur mit grösseren Löchern und potenziell höherem Frakturrisiko. Um die Qualität des trabekulären Knochens und seiner Mikroarchitektur quantitativ zu beurteilen, kann der TBS herangezogen werden. Bei der Patientin muss dazu keine weitere Untersuchung durchgeführt werden, denn der TBS kann aufgrund der üblichen DXA-Knochendichteuntersuchung der LWS berechnet werden, auch retrospektiv. Erforderlich ist eine spezielle Computersoftware, welche die Graustufen des DXA-Bildes analysiert und den Score berechnet. Bei homogener Struktur errechnet das Programm einen höheren Score. Ein TBS über 1,350 entspricht einer normalen Knochenmikroarchitektur und einem tiefen Frakturrisiko. Bei inhomogener, löchriger Struktur resultiert ein tieferer Score. Ein TBS unter 1,200 ist
Berechnungsbeispiel: FRAX ohne TBS und mit TBS
• 55-jährige Frau (Gewicht 65 kg, Körpergrösse 165 cm, BMI 23,9) mit rheumatoider Arthritis, chronischer Glukokortikoidtherapie und einer Knochenmineraldichte T-Score -1,4.
• FRAX-Berechnung ohne TBS ergibt ein 10-Jahres-Risiko für eine wichtige osteoporotische Fraktur von 15 Prozent.
• Verfeinerung der Frakturrisikoabschätzung durch Einbezug des TBSWertes der Lendenwirbelsäule.
• Bei hohem TBS von zum Beispiel 1,400 (gute Mikroarchitektur) verringert sich das Frakturrisiko für eine wichtige osteoporotische Fraktur relativ wenig auf 12 Prozent.
• Bei tiefem TBS von zum Beispiel 1,000 (schwächere Mikroarchitektur) erhöht sich die TBS-korrigierte 10-Jahres-Wahrscheinlichkeit für eine wichtige osteoporotische Fraktur relativ stark auf 24 Prozent.
• Die durch Einbezug des TBS nach oben korrigierte Risikoabschätzung kann die Behandlungsentscheidung beeinflussen.
Link zum FRAX-Risikorechner online: http://www.shef.ac.uk/FRAX/
mit einer schwächeren Mikroarchitektur und einem potenziell erhöhten Frakturrisiko korreliert.
Anti-Sclerostin-Antikörper mit osteoanaboler Wirkung Der innovative Anti-Sclerostin-Antikörper Romosozumab, der sich derzeit in klinischer Entwicklung befindet, wird einmal monatlich in einer Dosierung von 210 mg verabreicht (3 subkutane Injektionen zu je 70 mg). Das von Osteozyten sezernierte Sclerostin blockiert das Wnt-Glykoprotein und hemmt dadurch die Entwicklung von Osteoblasten. Diese können sich aus mesenchymalen Stammzellen entwickeln, wenn ihre Entwicklung und Reifung durch das Wnt-Glykoprotein stimuliert wird. Die Blockierung von Sclerostin durch einen AntiSclerostin-Antikörper stellt den stimulierenden Einfluss des Wnt-Glykoproteins wieder her, sodass sich Osteoblasten entwickeln können und ein osteoanaboler Effekt resultiert. In einer plazebokontrollierten Phase-II-Studie bewirkte Romosozumab nach 2-jähriger Behandlung eine beträchtliche Knochendichtezunahme in der Lumbalwirbelsäule (1). 419 postmenopausale Frauen mit erniedrigter Knochenmineraldichte (T-Score ≤ -2,0 und ≥ -3,5) erhielten während 2 Jahren entweder Plazebo oder Romosozumab in fünf verschiedenen Dosierungen. Der grösste Zuwachs an Knochendichte wurde nach 2 Behandlungsjahren mit der Dosierung von 210 mg pro Monat erreicht. Er betrug in der Lumbalwirbelsäule 15,7 Prozent und in der Hüfte 6,0 Prozent. Nach Ablauf der beiden Behandlungsjahre schloss sich eine 1-jährige Extensionsphase an, in der die aktiv behandelten Gruppen ebenso wie die Plazebogruppe neu randomisiert wurden zu Plazebo oder Denosumab (Prolia®), 60 mg im Abstand von 6 Monaten subkutan injiziert. Bei denjenigen Frauen, die im Anschluss an die Romosozumab-Therapie (210 mg pro Monat) mit Denosumab behandelt wurden, nahm die Knochendichte in der Lumbalwirbelsäule und der Hüfte mit einer Rate wie im 2. Romosozumab-Behandlungsjahr weiter zu. Die totale Zunahme in 3 Behandlungsjahren betrug 20 Prozent in der LWS und 7 Prozent in der Hüfte. Offenbar kann der beträchtliche Knochendichtezuwachs, der mit Romosozumab erreichbar ist, mit einer nachfolgenden Denosumab-Therapie noch weiter erhöht werden. Bei zuvor mit Romosozumab behandelten Frauen, die danach Plazebo erhielten, ging die Knochendichte dagegen
14 Rheumatologie • November 2015
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Take Home Messages
• Unabhängig von der Knochendichte erlaubt der durch ein Computerprogramm berechnete TBS (Trabecular Bone Score) Aussagen über die Mikroarchitektur des trabekulären Knochens und über das Frakturrisiko bei Osteoporose. Der TBS-Wert kann jetzt im FRAX-Tool und im TOP (Tool Osteoporose Plattform) eingegeben werden.
• Der Anti-Scerostin-Antikörper Romosozumab, der sich in klinischer Entwicklung befindet, hat eine sehr potente osteoanabole Wirkung. Nach 2-jähriger Behandlung nahm gemäss einer Phase-2-Studie die erniedrigte Knochenmineraldichte in der LWS um 15,7 Prozent und in der Hüfte um 6,0 Prozent zu. Weil der Knochendichtegewinn nach Beendigung der Therapie wieder verloren geht, ist eine Nachfolgetherapie erforderlich.
• Abaloparatid, ein innovatives, in klinischer Entwicklung befindliches Analog des PTH-rP, wirkt bei postmenopausalen Frauen mit Osteoporose nicht nur auf die Wirbelsäule, sondern auch auf die Hüfte osteoanabol. Eine Frakturstudie (ACTIVE) wurde bereits erfolgreich abgeschlossen, und erste Ergebnisse wurden am ASBMR-Meeting 2015 präsentiert, aber noch nicht publiziert.
Aktuelle Ergebnisse der Abaloparatid-Frakturstudie ACTIVE
Am Annual Meeting 2015 der American Society for Bone and Mineral Research (ASBMR) wurden am 10. Oktober 2015 Ergebnisse der Phase-3Studie ACTIVE (Abaloparatide Comparator Trial In Vertebral Endpoints) präsentiert (3): • 2463 Frauen mit postmenopausaler Osteoporose erhielten während
18 Monaten entweder Plazebo oder Abaloparatid täglich 80 µg subkutan oder Teriparatid täglich 20 µg subkutan. • Bei Frauen, die Abaloparatid erhielten, wurde die Inzidenz gewichtiger osteoporotischer Frakturen (klinische Frakturen; Frakturen von Oberarm, Unterarm, Hüfte, Schulter, Wirbelsäule) im Vergleich zu Plazebo um 70 Prozent reduziert (Frakturinzidenz 4,1% unter Plazebo vs. 1,2% unter Abaloparatid). • Im Vergleich zur Teriparatidgruppe war die Frakturinzidenz in der Abaloparatidgruppe um 55 Prozent geringer (2,8 vs. 1,2%).
fikant grösseren LWS-Knochendichteanstieg von 6,7 Prozent (vs. 1,6%). Ein erheblicher Knochendichtezuwachs von 5,5 Prozent wurde auch mit Teriparatid (20 µg täglich) erzielt, wobei der Unterschied zum Abaloparatideffekt nicht signifikant war. Bemerkenswert sei zudem, dass Abaloparatid auch günstig auf kortikalen Knochen wirke, so die Referentin. In der Dosierung von 80 µg täglich steigerte Abaloparatid die Knochendichte am Schenkelhals um 3,1 Prozent, signifikant stärker als Teriparatid (um 1,1%) und Plazebo (um 0,8%). An der Hüfte resultierte mit Abaloparatid (80 µg täglich) eine Zunahme der Knochendichte von 2,6 Prozent, signifikant mehr als mit Teriparatid (0,5%) oder mit Plazebo (0,4%). Eine Frakturstudie (ACTIVE) wurde bereits erfolgreich abgeschlossen, und erste Ergebnisse wurden am ASBMR-Meeting 2015 präsentiert (Kasten), aber noch nicht publiziert.
Alfred Lienhard
Referenzen: 1. McClung MR et al.: Effects of 2 years of treatment with romosozumab followed by 1 year of denosumab or placebo in postmenopausal women with low bone mineral density. Ann Rheum Dis 2015; 74 (Suppl 2): 166. (Abstract OP0251, am EULAR-Kongress 2015) 2. Leder BZ et al.: Effects of abaloparatide, a human parathyroid hormone-related peptide analog, on bone mineral density in postmenopausal women with osteoporosis. J Clin Endocrinol Metab 2015; 100: 697–706. 3. Williams G et al.: Effects of abaloparatide on major osteoporotic fracture incidence in postmenopausal women with osteoporosis: Results of the phase 3 ACTIVE trial. Abstract #1053, präsentiert am 10.10.2015 am ASBMR-Meeting 2015.
Quelle: Vortrag «Das Jahr im Rückblick – Osteoporose» am SGR-Jahreskongress 2015, 11. September 2015 in Lausanne.
wieder rasch zurück. Es sei zu hoffen, dass sich die Erhöhung der Knochendichte in einer Verringerung der Frakturrate niederschlägt, so die Referentin. Klarheit soll eine derzeit laufende Romosozumab-Frakturstudie liefen, deren Ergebnisse voraussichtlich Ende 2016 verfügbar sein werden.
Analog des PTH-rP mit osteoanaboler Wirkung Das Parathyroid Hormone-related Protein (PTH-rP) wirkt ähnlich wie Parathormon (PTH) und bindet auch an denselben Rezeptor. Während PTH für die Regulation der Kalziumhomöostase zuständig sei, reguliere PTH-rP die enchondrale Knochenentwicklung, sagte die Referentin. Das innovative synthetische Peptid Abaloparatid, das derzeit für die Behandlung der postmenopausalen Osteoporose in klinischer Entwicklung steht, ist ein Analog des PTH-rP und wirkt osteoanabol. Das Medikament wird 1-mal täglich subkutan injiziert. Im Februar 2015 wurden die Resultate einer 24-wöchigen, plazebokontrollierten Phase-II-Studie publiziert (2). An der Studie beteiligten sich 222 Frauen mit postmenopausaler Osteoporose. Randomisiert wurden fünf Gruppen gebildet, die täglich subkutane Injektionen von Plazebo oder von Abaloparatid in 3 verschiedenen Dosierungen oder von 20 µg Teriparatid (Forsteo®) erhielten. In der höchsten Dosierung (80 µg täglich) bewirkte Abaloparatid nach 24 Wochen einen im Vergleich zu Plazebo signi-
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