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Jede dritte osteoporotische Fraktur betrifft einen Mann
Immer noch Defizite bei Diagnostik und Therapie
Männer erkranken seltener und später an Osteoporose als Frauen. Abklärung und Therapie würden bei ihnen weniger konsequent durchgeführt, bemängelte PD Dr. Daniel Aeberli, Leitender Arzt der Klinik für Rheumatologie, Immunologie und Allergologie am Universitätsspital Bern. Bei Männern wirken die üblichen Osteoporosemedikamente genauso gut wie bei Frauen, der Nutzen einer Testosteronsubstitution ist hingegen nicht belegt.
E twa ein Drittel aller osteoporotischen Frakturen ereignen sich bei Männern, allerdings treten Knochenbrüche deutlich später auf als bei Frauen. Während die Zahl der
Hüftfrakturen bei Frauen schon Mitte 60 allmählich anzustei-
gen beginnt, sind Männer meist erst etwa ab 75 davon
betroffen. Nach Schätzungen einer
Schweizer Studie von Lippuner et
al. aus dem Jahr 2009 wird statis-
tisch jede zweite 50-jährige Frau
und jeder fünfte 50-jährige Mann in
der verbleibenden Lebenszeit eine
(klinische) osteoporotische Fraktur
erleiden. Die altersabhängigen Mor-
biditätsdaten zeigen, dass bei-
spielsweise eine 80-jährige Frau ein
10-Jahres-Frakturrisiko von 35 Pro-
Daniel Aeberli
zent aufweist, ein Mann im gleichen
Alter hingegen nur eines von
12 Prozent. Diese Zahlen lassen allerdings keine Aussage über
das Risiko einer Einzelperson zu.
In der täglichen Praxis werde die Osteoporose als gesund-
heitliches Problem von Männern nicht selten unterschätzt,
meinte Aeberli. Das könnte seiner Meinung nach damit zu-
sammenhängen, dass die Osteoporose bei Männern nicht
konsequent diagnostiziert würde. Zum Beweis zitierte Aeberli
eine am Boston Medical Center durchgeführte Studie, in der
Patienten mit distaler Radiusfraktur genauer unter die Lupe
genommen wurden. Dabei stellte sich heraus, dass bei
70 Prozent der Frauen, hingegen nur bei 20 Prozent der Män-
ner eine Knochendichtemessung durchgeführt wurde.
Take Home Messages
• Ein Drittel aller osteoporotischen Frakturen treten bei Männern auf. • Männer werden seltener auf Osteoporose abgeklärt (DXA) und therapiert. • Hypogonadismus geht mit verminderter Muskelkraft und Gehgeschwin-
digkeit sowie erhöhter Sturzgefahr einher. • Der Einfluss von Testosteronsupplementation auf das Frakturrisiko ist
nicht hinreichend belegt. • Bisphosphonate, Anti-RANKL (Denosumab, Prolia®) und Teriparatid
(Forsteo®) sind allesamt wirksam in der Verhinderung von sekundären osteoporotischen Frakturen.
Warum haben Männer ein geringeres Risiko? Dass Männer seltener und später eine Osteoporose entwickeln, hängt zum einen mit der im Vergleich zu Frauen höheren Knochenmasse zusammen. Während bis zur Pubertät die Knochenmasse geschlechterunabhängig zunimmt, kommt es mit Eintritt in die Pubertät zu einem deutlicheren Zuwachs der Knochenmasse bei jungen Männern, die dann im Alter zwischen 20 und 30 Jahren ihr Maximum erreicht und anschliessend langsam abnimmt. Bei der Frau führt der Östrogenmangel nach der Menopause zu einem raschen Knochenverlust. Auch hinsichtlich der Knochengeometrie sind Männer im Vorteil: Der grössere Durchmesser der Wirbelkörper und der langen Röhrenknochen schützt Männer lange Zeit vor osteoporotischen Frakturen.
Niedrige Testosteronspiegel – erhöhte Frakturrate? Grosse Kohortenstudien, wie die Framingham Heart Study (FHS), die European Male Ageing Study (MAS) und die Osteoporotic Fractures in Men (MrOS) Study haben bestätigt, dass das Testosteron bei Männern mit dem Alter abnimmt. In diesen Studien waren niedrige Testosteronspiegel nicht nur mit den allgemeinen Zeichen des Hypogonadismus, sondern auch mit verminderter Laufgeschwindigkeit, mit Schwierigkeiten beim Treppensteigen sowie mit einer erhöhten Gebrechlichkeit und Sturzgefahr assoziiert. Bedeutet also ein niedriges Testosteron auch ein erhöhtes Frakturrisiko? Die Dubbo osteoporosis epidemiology study aus dem Jahr 2008 schien diese Annahme zunächst zu bestätigen. An der Untersuchung waren bei etwa 600 Männern im Alter über 60 Jahre über einen Zeitraum von bis zu 13 Jahren (Median 6 Jahre) regelmässig Hormonwerte gemessen und zugleich neu auftretende Frakturen registriert worden. Im Ergebnis zeigte sich, dass nach Korrektur für verschiedene Frakturrisikofaktoren allein ein niedriger Testosteronspiegel Frakturen der Hüfte und nicht vertebrale Frakturen zu begünstigen schien. Männer mit Testosteronwerten unter 294 ng/dl hatten rechnerisch ein 25prozentiges Risiko, in 10 Jahren eine Fraktur zu erleiden, solche mit hohem Testosteron > 559 ng/dl hatten ein 10-prozentiges Risiko. In der FHS, der MAS und der MrOS konnten diese Ergebnisse jedoch nicht sicher bestätigt werden. Das Frakturrisiko scheint demnach eher von Sexualhormon-bindendem Globulin (SHBG) und Östrogen beeinflusst zu werden, während Testosteron
12 Rheumatologie • November 2015
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vermutlich eine untergeordnete Rolle spielt. Mit anderen Worten: Testosteron ist nach derzeitigem Wissensstand kein geeigneter Ansatz zur Therapie der Osteoporose, obwohl bei Testosteronsubstitution die Knochendichte etwas zunimmt – in signifikantem Ausmass allerdings nur bei Patienten mit sehr niedrigen Testosteronspiegeln vor Substitution.
Was ist eine Verdachtsdiagnose auf Hypogonadismus, und was ist zu tun? Dennoch gehört laut Aeberli bei Männern auch eine Testosteronbestimmung zur Standardabklärung einer Osteoporose, insbesondere wenn es Hinweise auf einen Hypogonadismus gibt – folgende Symptome sind hierfür typisch: • körperliche Symptome: Zunahme von Körperfett, Schweiss-
ausbrüche, Hitzewallungen, verminderte Muskelkraft • psychische Symptome: verminderte Libido, Müdigkeit,
Gedächtniseinbussen, Konzentrationsmangel, Stimmungsschwankungen, verminderte Leistungsfähigkeit, Depression. Allerdings sind diese Beschwerden unspezifisch und treten gerade bei älteren Männern häufig auch unabhängig von Testosterondefiziten auf. Je tiefer der Testosteronspiegel, desto mehr Symptome sind normalerweise zu erwarten. Welche Symptome auftreten, hängt auch vom Testosteronspiegel ab. Eine Faustregel lautet: Zuerst leidet die Libido, die Erektionsfähigkeit lässt erst bei deutlich erniedrigtem Testosteronspiegel nach. Liegen entsprechende Symptome vor, sollte laut Aeberli das Gesamttestosteron morgens nüchtern gemessen und bei Unklarheit durch eine zweite, notfalls durch eine dritte Messung bestätigt werden. Bei Testosteronwerten unter 12 nmol/l empfahl Aeberli eine Überweisung zum Endokrinologen oder Urologen.
Sekundäre Ursachen sind häufig Bei der Osteoporose des Mannes ist zu beachten, dass sekundäre Ursachen häufig sind (> 50%) (Tabelle 1). Zur Abklärung wird eine DXA-Untersuchung von Hüfte und LWS bei Männern ab 70 empfohlen, sofern Risikofaktoren vorhanden sind, auch deutlich früher. Bei Männern, die mit Antiandrogenen behandelt werden, sollten eine Knochendichtemessung am Radius sowie eine vertebrale Frakturanalyse erfolgen, forderte Aeberli. Ausserdem sind Laborbestimmungen regelmässiger Bestandteil der Diagnostik, um sekundäre Ursachen auszuschliessen (Tabelle 2).
Osteoporosetherapie wirkt auch bei Männern Grundsätzlich seien alle zugelassenen Osteoporosemedikamente auch bei Männern wirksam, erklärte Aeberli. Die grundlegenden Indikationen für die Osteoporosetherapie bei Männern fasste er in Tabelle 3 zusammen.
Uwe Beise
Quelle: Vortrag «Osteoporose beim Mann» beim Rheuma Top 2015, 21. August 2015 in Pfäffikon.
Tabelle 1:
Sekundäre Ursachen der Osteoporose
• Alkoholismus • Glukokortikoide • Hypogonadismus (idiopathisch, antiandrogene Therapie) • COPD • Gastrointestinal: Malabsorption, Zöliakie, PBC, IBD, bariatrische Ein-
griffe, Postgastrektomie • Hyperkalziurie • Hyperparathyreoidismus • Hyperthyreoidismus • medikamentös: Antikonvulsiva, Chemotherapeutika, neuromuskuläre
Erkrankungen • Post-Transplantations-Osteoporose • systemische Erkrankungen: Mastozytose, Thalassämie, monoklonale
Gammopathie, HIV, rheumatoide Arthritis
PBC: primäre biliäre Zirrhose, IBD: inflammatory bowel disease
Tabelle 2:
Laboruntersuchungen
Routinelabor: • Kalzium, Phosphat, Kreatinin, alkalische Phosphatase, Transaminasen,
Blutbild • Eiweisselektrophorese • 25-OH-Vitamin D3 • Total-Testosteron, LH, SHBG
Zusätzliche Abklärungen im Einzelfall: • PTH, TSH, • CTX*, PINP** • Transglutaminase/Gliadin-AK
* C-terminales Kollagen Typ-I -Telopeptid ** Prokollagen Typ Ι N-terminals Propeptid
Tabelle 3:
Therapie der Osteoporose beim Mann
Klinik
T-Score > -2,5 SD
Glukokortikoid-Bedürftigkeit < -1,5 SD (iatrogener Hypogonadismus) Erhöhtes Frakturrisiko: Alter > 80 J., pos FA etc.
< -2,5 SD prävalente osteoporotische NA Fraktur (peripher, vertebral) Hypogonadismus jüngerer Patient/symptomatischer Hypogonadismus NA Therapie Suppl. (Ca, Vitamin D3) Nikotin-, Alkoholstopp; körperliche Aktivität Bisphosphonat Denosumab Bisphosphonate Denosumab Bisphosphonate Denosumab ev. Teriparatid Testosteronsupplementation (nach Mosekilde, 2013) Rheumatologie • November 2015 13