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Demenz als multifaktorielles Geschehen
Stellenwert von Ginkgo-Extrakt gestärkt
Strategien, bei Menschen mit erhöhtem Risiko den Ausbruch einer klinisch manifesten Demenzerkrankung zu verhindern, werden dringend benötigt. Neben experimentellen Methoden wie den in Studien befindlichen Vakzinen und Antikörpern werden auch Lebensstilinterventionen und Phytotherapeutika in dieser Indikation untersucht.
P rof. Reto W. Kressig, Chefarzt am Felix-Platter-Spital in Basel, weist auf die kürzlich publizierten Ergebnisse der FINGER-Studie hin, die nahelegen, dass eine multimodale Intervention über Ernährung, Bewegung und kognitives Training bei Risikopatienten die kognitiven Funktionen erhalten oder verbessern könnte (1). Auch Ginkgo biloba wird in dieser Indikation untersucht. Die verschiedenen publizierten Studien ergeben ein gemischtes Bild. So konnte in der Intention-to-treat-Population der OREGON-Studie durch Einnahme von Ginkgo-Extrakt das Auftreten kognitiver Einschränkungen bei hochbetagten Probanden nicht verhindert werden. Kressig: «Das Problem bei solchen Studien ist jedoch immer die Adhärenz.» Tatsächlich zeigte eine Subgruppenanalyse, dass bei adhärenten Patienten aus der Verumgruppe das Risiko einer kognitiven Verschlechterung sehr wohl signifikant reduziert war. Die Autoren schlagen daher vor, bei zukünftigen Studien zur medikamentösen Demenzprävention das Thema Adhärenz besser im Auge zu behalten (2). Mit dem Problem der Adhärenz hatten auch die Autoren der deutlich grösseren GEM-Studie zu kämpfen. So gelang es in diesem Kollektiv nicht, mit Ginkgo das Gesamtdemenzrisiko in der Studienpopulation zu reduzieren. Allerdings traten vaskuläre Demenzen in der Ginkgo-Gruppe signifikant seltener auf. Die Adhärenz war jedoch mit rund 60 Prozent sehr schlecht (3). In der GIMCIPlus-Studie wurde die Wirkung von Ginkgo-biloba-Extrakt EGb 761® (Dr. Willmar Schwabe GmbH & Co. KG, Karlsruhe, Deutschland) einerseits auf die Kognition, darüber hinaus aber auch auf die neuropsychiatrischen Symptome von Patienten mit Mild Cognitive Impairment untersucht. Die Studie fand in der Verumgruppe eine Reduktion des NPI (Neuropsychiatric Inventory) Composite Scores von 7,0 ± 4,5 im Vergleich zu 5,5 ± 5,2 unter Plazebo. Eine Verbesserung um mindestens vier Punkte wurde bei 78,8 Prozent der Verum- und 55,7 Prozent der Plazebopatienten erreicht. Der Ginkgo-Extrakt erwies sich auch hinsichtlich weiterer Endpunkte als überlegen, so zum Beispiel in den Trail-Making Tests A und B, die bezüglich der Kognition als aussagekräftig gelten (4).
Plädoyer für multimodales Konzept Für Prof. Serge Gauthier von der McGill University in Montreal sind die Ergebnisse der FINGER-Studie «die gute Nachricht des Jahres». Er unterstreicht die Bedeutung des multimodalen Ansatzes, der in der FINGER-Studie gewählt wurde. Möglicherweise sei es möglich, dieses multimodale Konzept auf
die medikamentöse Therapie auszuweiten: «Möglicherweise kommt man nicht weit, wenn man nur einzelne Faktoren der Erkrankung behandelt.» So könne es besonders bei älteren Patienten wichtig sein, die vaskuläre Komponente der Demenz im Auge zu behalten.
Empfehlung in aktueller Leitlinie Das empfohlene Vorgehen bei Demenz wird unter anderem in der aktuellen Leitlinie der World Federation of Societies of Biological Psychiatry (WFSBP) beschrieben (5). Diese Leitlinie schreibt Ginkgo biloba einen mit den Acetylcholinesterase-Inhibitoren und Memantin gleichwertigen Stellenwert zu – nämlich eine Grad-3-Empfehlung mit Evidenz-Level B. Die Cholinesterase-Inhibitoren sind seit Jahren im Einsatz und haben sich als begrenzt wirksam erwiesen. Gauthier: «Der Vorteil ist, dass wir mit diesen Medikamenten viel Erfahrung haben und sie kostengünstig sind. Auch atypische Antipsychotika müssen bei Demenzpatienten immer wieder eingesetzt werden. Sie führen allerdings bei Demenzpatienten zu einem erhöhten Risiko für Schlaganfall und Tod.» Die positive Einschätzung von Ginkgo-biloba-Extrakt EGb 761® wurde auch in einem 2014 publizierten systematischen Review der Studien zu Ginkgo bei Demenz bestätigt (6). In die Analyse gingen die Daten von 1396 Ginkgo- und 1229 Plazebopatienten ein. Dabei erwies sich EGb 761® hinsichtlich Kognition, Aktivitäten des täglichen Lebens und Gesamtbewertung als signifikant überlegen. Diese Überlegenheit wurde auch bei Patienten mit neuropsychiatrischen Symptomen gefunden. Gauthier: «Wir waren überrascht, bei diesen Patienten sogar einen deutlicheren Effekt zu sehen. Das legt nahe, dass die Wirkung bei der weiter fortgeschrittenen Demenz ausgeprägter sein könnte als bei der leichten Demenz.» Hinsichtlich Nebenwirkungen und Therapieabbrüchen fand die Studie keinen signifikanten Unterschied zwischen den Verum- und den Plazebogruppen. Die Experten betonten, dass sich diese Daten auf EGb 761® beziehen und nicht einfach auf andere, nicht in kontrollierten Studien untersuchte Ginkgo-Produkte übertragen lassen.
Reno Barth
Referenzen: 1. Ngandu T et al.: A 2 year multidomain intervention of diet, exercise, cognitive training, and vascular risk monitoring versus control to prevent cognitive decline in at-risk elderly people (FINGER): a randomised controlled trial. Lancet 2015; 385(9984): 2255–2263.
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2. Dodge HH et al.: A randomized placebo-controlled trial of Ginkgo biloba for the prevention of cognitive decline. Neurology 2008; 70(19 Pt 2): 1809–1817. 3. DeKosky ST et al.: Ginkgo Evaluation of Memory (GEM) Study Investigators. Ginkgo biloba for prevention of dementia: a randomized controlled trial. JAMA 2008; 300(19): 2253–2262. 4. Gavrilova SI et al.: GIMCIPlus Study Group. Efficacy and safety of Ginkgo biloba extract EGb 761 in mild cognitive impairment with neuropsychiatric symptoms: a randomized, placebo-controlled, double-blind, multi-center trial. Int J Geriatr Psychiatry 2014; 29(10): 1087–1095. 5. Ihl R et al.: World Federation of Societies of Biological Psychiatry (WFSBP) guidelines for the biological treatment of Alzheimer’s disease and other dementias. World J Biol Psychiatry 2011; 12(1): 2–32. 6. Gauthier S, Schlaefke S: Efficacy and tolerability of Ginkgo biloba extract EGb 761® in dementia: a systematic review and meta-analysis of randomized placebo-controlled trials. Clin Interv Aging 2014; 9: 2065–2077. Quelle: Satellitensymposium «Expectations management for neurocognitive disorder patients» von Dr. Willmar Schwabe im Rahmen des EAN-Kongresses am 20. Juni in Berlin.
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