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Wie soll man Immunsupprimierte impfen?
Empfehlungen bei autoimmun-entzündlichen Erkrankungen
Patienten, die unter einer Immunsuppression stehen, haben ein erhöhtes Infektionsrisiko. Daher sollte man gerade bei dieser Klientel auf einen guten Impfstatus achten. Doch nicht jede Impfung ist in diesen Fällen möglich. Welchen Patienten soll man also am besten wann gegen was impfen?
F rau Dr. med. Silja Bühler, Universitätsklinik Zürich, Institut für Epidemiologie, Biostatistik und Prävention, berät in der Abteilung für Infektionskrankheiten Reisende und ist mit verschiedenen Studien befasst. Fast täglich kommen also Betroffene zur Beratung, was mitunter eine grosse Herausforderung sein kann – je nach Reiseziel, so Bühler. Denn es zeigt sich immer wieder, dass auch Immunsupprimierte tropische Reiseziele mit Infektionsrisiken ansteuern. Aktuell führt ihr Institut eine schweizweite Studie durch zur Impfung gegen Hepatitis A und Tetanus bei Patienten, die wegen verschiedener rheumatischer Erkrankungen immunsuppressiv behandelt werden. Dazu wurden die Beratungen von 22 584 Reisenden im Zeitraum von Juli 2010 bis August 2012 ausgewertet. Unter diesen litten 412 Patienten (1,8%) an Autoimmunerkrankungen, davon ein Drittel an rheumatischen und ein weiteres Drittel an gastrointestinalen Erkrankungen. 34 Prozent von ihnen befanden sich unter immunmodulatorischer oder immunsuppressiver Medikation, davon waren 20 Prozent Biologika. Eine wichtige Basis der Beratungen bilden die Impfprinzipien und Empfehlungen, die hierzu vom Bundesamt für Gesundheit (BAG) und der Eidgenössischen Kommission für Impfungen (EKIF) herausgegeben wurden (1). Darin wird betont: Patienten mit rheumatischen Erkrankungen ohne immunsuppressive Therapie können geimpft werden wie jeder andere gesunde Reisende. Unter immunsuppressiver Therapie jedoch dürfen sie nicht mit Lebendvakzinen wie zum Beispiel Gelbfieber geimpft werden. Als Ausnahmen gelten • eine Immunsuppression mit niedrigdosierten Kortikosteroi-
den (< 20 mg Prednison/Tag) und • die Herpes-zoster-Impfung bei Patienten mit niedrigen Do-
sen von Methotrexat (≤ 0,4 mg/kg/Woche), Azathioprin (≤ 3,0 mg/kg/ Tag) oder 6-Mercaptopurin ( 1,5 mg/kg/ Tag). Beim Vergleich verschiedener nationaler Leitlinien und Impfempfehlungen für erwachsene Patienten mit rheumatischen Autoimmunerkrankungen zeigten sich viele Unterschiede, aber auch Übereinstimmungen (2). Die Regel, dass Patienten unter immunsuppressiver Therapie keine Lebendvakzine erhalten sollten, wird in einigen Leitlinien differenzierter be-
Replikationsrisiko bei Lebendvakzinen
hohes Risiko: mittleres Risiko: geringes Risiko: nahezu kein Risiko:
Gelbfieber Masern Varizellen, Röteln, Mumps orale Typhoid-Vakzine
trachtet, gibt es doch unter den Lebendvakzinen Unterschiede bezüglich des Risikos einer Replikation (Kasten). So kann eine Zweitimpfung gegen Mumps, Masern, Röteln oder Varizellen ohne Unterbrechung der Therapie erfolgen. Ebenfalls ohne Unterbrechung der Therapie können Patienten unter nicht-biologischen DMARD eine Lebendimpfung erhalten. Bei Patienten, die mit Biologika behandelt werden, können Lebendvakzine erst fünf Halbwertszeiten nach Unterbrechung der Biologika-Therapie verabreicht werden. Für inaktivierte Vakzine gilt dagegen, dass sie bei Patienten mit und ohne Immunosuppression sicher sind. Es gebe keine Exazerbationen vorhandener Erkrankungen und kein erhöhtes Vorkommen von Nebenwirkungen, so das Fazit der Autoren dieser Untersuchung (2). Allerdings gibt es auch bei dieser Regel eine Ausnahme, wie Bühler betonte: die Pneumokokken-Impfung bei Patienten mit Morbus Behçet. In vier Fällen von M. Behçet, die mit einer 23-valenten Polysaccharid-Vakzine (Pneumovax® 23) geimpft wurden, hätten sich schwere lokale und systemische Reaktionen unter verschiedenen Therapien (Abatacept/Prednisolon, Eternacept, Ibuprofen, Azathioprin) gezeigt. Als Hypothese wird hier ursächlich eine Streptokokkenhypersensitivität vermutet (3).
Empfehlungen Es sollte so früh wie möglich geimpft werden, wenn möglich noch vor Beginn der Immunsuppression, bei inaktivierten Vakzinen zwei bis vier Wochen und bei Lebendvakzinen vier Wochen davor. Inaktivierte Vakzine können bei Patienten mit rheumatoider Arthritis unter Immunsuppression appliziert werden, jedoch kann die Immunogenität reduziert sein. Der beste Zeitpunkt wäre dann, wenn die Immunsuppression am niedrigsten sei. Bei der Therapie mit Rituximab sei zu beachten, dass eine Antikörperbildung erst mehrere Monate nach Absetzen zu erwarten ist; hier sind vor einer neuen Impfung auf jeden Fall Antikörpermessungen durchzuführen. Unter Biologikatherapie sind Lebendvakzine in jedem Fall kontraindiziert. Neu ist, dass in Einzelfällen Lebendvakzine bei klinisch stabilen Patienten unter Niedrigdosierung von Methotrexat als Monotherapie (< 20 mg/Woche) erwogen werden können.
Eva-Maria Koch
Quelle: Vortrag von Silja Bühler «Treatment with biologics: vaccination recommendations» am SGAI-Kongress, 12. März 2015 in Basel.
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Referenzen: 1. Impfprinzipien und Empfehlungen für Personen mit autoimmun-entzündlichen rheumatischen Erkrankungen; Bundesamt für Gesundheit, Bulletin 8/2014: 159–161. 2. Papadopoulou D, Sipsas NV. Comparison of national clinical practice guidelines and recommendations on vaccination of adult patients with autoimmune rheumatic diseases. Rheumatol Int 2014; 34 (2): 151–163. 3. Hugle T et al. Streptococcal hypersensitivity reloaded: severe inflammatory syndrome in Behcet’s disease following 23-valent polysaccharide Streptococcus pneumoniae vaccine. Rheumatology (Oxford) 2012; 51 (4): 761–762.
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