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Jeder dritte Patient mit schizophrener Psychose spricht auf Neuroleptika schon hinsichtlich der Positivsymptome nicht befriedigend an. Viele Kollegen erhöhen in dieser Situation die Dosis des Antipsychotikums. Dabei gäbe es noch weit mehr Möglichkeiten: Substanz wechseln, mehrere Wirkstoffe kombinieren oder die Augmentation mittels anderer Psychopharmaka versuchen.
V on einer Therapieresistenz bei Patienten mit schizophrener Psychose wird nach der immer noch gültigen Definition von Kane aus dem Jahr 1988 ausgegangen, wenn in weniger als fünf Jahren drei mindestens sechswöchige Therapieversuche mit zwei oder mehr Klassen von Antipsychotika fehlgeschlagen sind, wobei die Dosis mindestens einmal 1000 mg Chlorpromazin äquivalent gewesen sein sollte.
Definition berücksichtigt in erster Linie Positivsymptome Das Problem dabei sei, dass sich diese Definition weitgehend auf die Positivsymptomatik beziehe, kritisierte PD Dr. Thomas K. Messer, Pfaffenhofen, am Kongress der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde. Ob ein Patient sich hinsichtlich der Negativsymptome bessert, wird praktisch nicht berücksichtigt. Zudem gibt es allen Forschungsanstrengungen zum Trotz keinerlei valide Biomarker, neurobiologische oder genetische Korrelate, an denen sich Therapieresistenz festmachen liesse. Tatsache scheint zu sein, dass zirka 35 Prozent der Patienten bereits mit der Positivsymptomatik nicht auf das erste Erstgenerationsneuroleptikum ansprechen und dass die Chancen, im zweiten Versuch mit einer ähnlichen Substanz Erfolg zu haben, verschwindend gering sind. Immerhin sprechen 40 bis 70 Prozent dieser Patienten aber auf Clozapin an, das weiterhin als Stärkstes der Atypika gelten kann. Das hat auch eine Studie bestätigt, in der Patienten nach Versagen des ersten
Neuroleptika-resistente Psychose
Welche Strategien helfen weiter?
Atypikums auf verschiedene andere Atypika umgestellt wurden: Clozapin zeigte mit Abstand die besten Ergebnisse. «Wir kommen bis auf Weiteres um diesen Goldstandard nicht herum», betonte Messer.
Wechsel vor Kombination
Wichtig sei dabei, die Monotherapie nicht bis zur Verträglichkeitsgrenze auszureizen, denn auch moderne Antipsychotika bergen kardiale Risiken, die mit der Dosis steigen, gab der Psychiater zu bedenken. Bevor man sich aber zu einer Kombination entschliesst, sollte der Wechsel auf ein anderes Antipsychotikum erwogen werden. Das hat mehrere Vorteile: Man erspart dem Patienten eine Kombination von Nebenwirkungen, verringert das Interaktionsrisiko und kann ausserdem genauer feststellen, ob das neu angesetzte Medikament wirkt oder nicht. Zudem sollte beachtet werden, dass Begleiterkrankungen wie Angststörungen oder Depression, aber auch Alkohol- oder Drogenmissbrauch eine Therapieresistenz vortäuschen können. Eine sorgfältige Eva-
luation solcher Komorbiditäten ist deshalb unbedingt erforderlich, bevor man einen Patienten als therapieresistent abstempelt. Schliesslich sollte man bei mangelndem Ansprechen auch eine Augmentation erwägen. Geeignet und relativ gut untersucht sind zum Beispiel Antidepressiva, Mood-Stabilizer und glutamaterge Substanzen, während die Evidenz etwa für Antidementiva und Ginkgo biloba auf schwachen Füssen steht. Entschliesst man sich zur Kombination oder Augmentation, sollte man sich Zeit nehmen, um die Wirkung zu beurteilen: 6 bis 10 Wochen kann es dauern, bis ein Effekt zu erkennen ist, so Dr. Messer. Ein Rückschritt zur Monotherapie sollte unterbleiben, wenn die Kombination erfolgreich war. Das Risiko, den Patienten zu destabilisieren, ist zu gross.
Manuela Arand
Quelle: «Therapieresistente Psychosen – pharmakologische Empfehlungen und alternative Interventionsmöglichkeiten», DGPPN-Kongress 2012, 21. bis 24. November in Berlin.
Therapeutisches Drugmonitoring zu selten genutzt
Viel zu selten genutzt wird nach Auffassung von Messer das Instrument des Therapeutischen Drugmonitorings (TDM), also die Messung der Medikamentenspiegel. Wie viele andere Psychopharmaka auch werden eine ganze Reihe von Antipsychotika über die diversen Zytochrom-P-450-Isoenzyme der Leber verstoffwechselt. Etwa 7 Prozent der Kaukasier sind «ultrafast metabolizer» und metabolisieren bestimmte Medikamente so schnell, dass es auch mit hohen Dosen nicht gelingt, wirksame Spiegel aufzubauen. Weitere 10 bis 15 Prozent gelten als «slow metabolizer». Die deutsche Arbeitsgemeinschaft für Neuropsychopharmakologie und Pharmakopsychiatrie (AGNP) hat kürzlich eine Leitlinie veröffentlicht, in der Referenzbereiche und Schwellenwerte verzeichnet sind (1). Ein TDM wird etwa für Amisulprid, Clozapin und Haloperidol empfohlen.
1. AGNP-Konsensus-Leitlinien für therapeutisches Drug-Monitoring in der Psychiatrie: Update 2011 Psychopharmakotherapie 2012; 19: 91–122. Als Download: www.ppt online.de/archiv/artikel/2012/ 03/732.html
6 Neurologie/Psychiatrie DGPPN/ECNP 2012