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Aktuelles zum Management chronischer Handekzeme
Chronische Handekzeme sind entzündliche nicht infektiöse Hautveränderungen, die sich klinisch sehr unterschiedlich präsentieren. Ätiologisch sind sie variabel, nicht selten mit einer Überschneidung mehrerer ursächlicher Faktoren. Einen aktuellen Überblick über die Therapie chronischer Handekzeme gaben Experten an der 94. Jahresversammlung der SGDV.
E in akutes Handekzem heilt innerhalb von 3 Monaten ab und rezidiviert nicht mehr als einmal innerhalb eines Jahres. Als chronisch sind Handekzeme definitionsgemäss dann zu bezeichnen, wenn sie trotz adäquater dermatologischer Therapie und Mitwirkung der Patienten innerhalb von 3 Monaten nicht zur Abheilung kommen oder wenn sie innerhalb von 12 Monaten nochmals zweimal oder häufiger rezidivieren. Chronische Handekzeme stellen nicht eine einzige, einheitliche Erkrankung dar, sondern sind ein Konglomerat verschiedener Diagnosen. Bis heute gibt es noch keine einheitliche Klassifikation des Handekzems. Zweifellos ist ein Handekzem in der akuten Phase morphologisch anders ausgeprägt als in der chronischen Phase. Es gibt exogene ätiologische Faktoren – wie beim irritativen und beim allergischen Handekzem – und endogene, konstitutionelle Faktoren wie beim atopischen Handekzem.
Neue evidenzbasierte internationale Leitlinie
Zum Management von Handekzemen wurden mehrere nationale Leitlinien erarbeitet, die auch länderspezifische Besonderheiten berücksichtigen, zum Beispiel die Leitlinie der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft (Diepgen TL et al.: Management von Handekzemen; im Internet bei: www.awmf.org) oder neuerdings auch ein Schweizer Konsensuspapier (Publikation in «Dermatologica Helvetica»). Prof. Dr. Thomas L. Diepgen, Universität Heidelberg, stellte eine neue internationale S3-Leitlinie der European Society of Contact Dermatitis (ESCD) vor, die auf einem systematischen Cochrane-Review zur Therapie des Handekzems aufbaut. Es konnten insgesamt 45 randomisierte, kontrollierte, klinische Studien (RCT) ausgewertet werden, die seit 1977 publiziert wurden und Daten von 3455 Patienten umfassten. Meist handelte es sich um plazebokontrollierte Studien, die von Pharmafirmen durchgeführt wurden. Die Autoren des systematischen Cochrane-Reviews – des
höchsten Standards der evidenzbasierten Medizin – kommen zum Ergebnis, dass die Studienlage nicht ausreichend sei, um klare Empfehlungen für die tägliche Praxis zu geben. Andere Studien, die ebenfalls wichtige Hinweise zum Management liefern können, aber keine RCT sind, wurden im Cochrane-Review nicht berücksichtigt. Die von Prof. Diepgen vorgestellten internationalen Leitlinien, die aus einem besonderen Konsensusprozess resultierten, sind als ergänzende Fortsetzung des systematischen Cochrane-Reviews eine Hilfe im Praxisalltag. Ein akutes Handekzem sollte rasch, effektiv und konsequent behandelt werden, um eine Chronifizierung zu vermeiden. Wichtig sind die Identifikation und Vermeidung auslösender Faktoren. Zur Behandlung des akuten Handekzems werden topische Kortikosteroide empfohlen. Hydratation und Rückfettung der Haut mit Emollienzien bilden die Basistherapie. Empfehlungen zur Bevorzugung bestimmter Emollienzien sind aufgrund der bisherigen Studienlage nicht möglich.
Empfehlungen zum Management
Epikutantestungen (patch tests) werden bei allen Patienten mit chronischem Handekzem empfohlen. Die Epikutantestung stellt das Standardverfahren dar, um Typ-IV-Sensibilisierungen als Auslöser allergischer Kontaktekzeme zu erfassen. Bei der Therapie des chronischen Handekzems ist zu berücksichtigen, dass topische Kortikosteroide bei langfristigem Einsatz die Barrierefunktion der Haut beeinträchtigen (z.B. Hemmung der Stratum-corneum-Reparatur, Hautatrophien). Statt topische Kortikosteroide über Monate oder sogar Jahre zu verwenden, ist der kurzzeitige Einsatz ausreichend starker Kortikosteroide im akuten Schub vorzuziehen. Die internationale Leitlinie empfiehlt, die Dauer der topischen Kortikosteroidtherapie möglichst auf maximal 6 Wochen zu beschränken. Obschon diese Empfehlung nicht durch klinische Studien belegt ist, war der Konsens dazu einhellig. Als Erhaltungstherapie können Kortikosteroide intermit-
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Dyshidrosiformes Handekzem (Foto: Haendels, Wikimedia)
tierend – analog zum Vorgehen bei atopischer Dermatitis – auch beim Langzeitmanagement des Handekzems eingesetzt werden. Die Verwendung topischer Calcineurininhibitoren (Pimecrolimus, Tacrolimus) kann sich nicht auf überzeugende RCT stützen. Nach den Kortikosteroiden als First-Line-Therapie kommt sekundär die Fototherapie in Betracht. Zu erwähnen ist das Krebsrisiko bei Langzeitanwendung von Fotochemotherapie.
Systemtherapie mit Alitretinoin Schwere chronische Handekzeme, die nicht ausreichend auf Lokaltherapie ansprechen, benötigen eine systemische Therapie. Für Alitretinoin besteht die weitaus beste Evidenz aller Systemtherapien. Es fehlen Studien, die verschiedene Systemtherapien miteinander vergleichen. Zur Alitretinointherapie gibt es 3 RCT, darunter die BACH-Studie (Benefit of Alitretinoin in Chronic Hand eczema), die als grösste Studie insgesamt 1032 Patienten mit schwerem chronischem Handekzem umfasste. Die internationale Leitlinie empfiehlt Alitretinoin als Second-Line-Therapie (nach topischen Kortikosteroiden als First-Line-Therapie) mit dem stärksten Empfehlungsgrad (A = we recommend). Systemische Kortikosteroide eignen sich zwar zum kurzfristigen Einsatz bei einem akuten, schweren Handekzemschub, aber nicht zur langfristigen Behandlung eines schweren chronischen Handekzems. Die Nebenwirkungen und der fehlende Wirksamkeitsnachweis in RCT haben zu dieser Beurteilung geführt.
CARPE-Register für schwere chronische Handekzeme Die Deutsche Dermatologische Gesellschaft (DDG) hat ein Register eingerichtet, das sich mit den Charakteristiken und den Behandlungsmodalitäten von Patienten mit chronischem Handekzem beschäftigt. Dem CARPE-Register (Chronisches Handekzem-Register zum Patienten-Langzeitmanagement) hat sich jetzt auch die Schweizer Kontaktekzemgruppe angeschlossen, wie Prof. Dr. Peter Elsner, Universitätsklinikum Jena, berichtete. Innerhalb von zwei Jahren konnten bisher 1143 Patienten mit schwerem chronischem Handekzem (vorbehandelt mit topischen Kortikosteroiden, ohne dauerhafte Abheilung) ins Register aufgenommen werden. Der Langzeitverlauf der chronischen Hautkrankheit wird bei dieser weltweit grössten Patientengruppe mittels Arzt- und Patientenfragebögen prospektiv beobachtet.
Die bis anhin verfügbaren Anfangsinformationen zeichnen ein aktuelles Bild der Versorgungsrealität in der Praxis. Es zeigte sich, dass Patienten mit schwerem chronischem Handekzem meist im mittleren Lebensalter sind (Durchschnittsalter 47 Jahre) und dass sie schon mehrere Jahre vom Handekzem betroffen sind (Durchschnittsdauer 7,6 Jahre). Fast ein Drittel der Patienten (32,2%) wurde früher bereits in der Klinik stationär behandelt. Mehr als ein Drittel (35,7%) war in den letzten 12 Monaten vor Eintritt ins Register arbeitsunfähig. Einige mussten den Beruf wechseln oder verloren ihn. Nicht nur berufsbedingte Handekzeme (z.B. in Pflege- und Gesundheitsberufen, in Berufen der Nahrungsmittelindustrie), sondern auch berufsunabhängige chronische Handekzeme wurden erfasst. Meistens handelte es sich um kombinierte Diagnosen, wobei das irritative Handekzem am häufigsten vorkam (45%), danach folgten das hyperkeratotisch-rhagadiforme Handekzem (34%), das als idiopathisches endogenes Handekzem gewertet wurde, das atopische Handekzem (34%), das bläschenförmige Handekzem (30%), das allergische Handekzem (20%) und schliesslich das Fingerspitzenekzem. Aufgrund des PGA (Physician’s Global Assessment) wurde der Schweregrad zum Zeitpunkt des Eintritts ins Register folgendermassen beurteilt: bei 23 Prozent der Patienten als schwer, bei 46 Prozent als mässig, bei 20 Prozent als mild, bei 8 Prozent als «almost clear» (fast ohne Befunde, weil diese Patienten zwischen den Schüben bei vorübergehend praktisch abgeheiltem Handekzem ins Register aufgenommen wurden). Die Lebensqualität wurde durch das Handekzem überwiegend stark bis sehr stark beeinträchtigt. Weniger als 10 Prozent der Patienten gaben an, dass das Handekzem ihre Lebensqualität nicht beeinflusste. In der Regel ist die Lebensqualität umso schlechter, je schwerer die Ekzemausprägung ist. Es gibt aber auch Patienten, die bei leichtem Ekzem stark in ihrer Lebensqualität beeinträchtigt sind und umgekehrt bei schwerem Ekzem nur geringfügig. Weil die Lebensqualität nicht zuverlässig am Schweregrad abzulesen ist, sollte sie speziell erfasst werden. Viele Patienten waren langfristig mit potenten topischen Kortikosteroiden behandelt worden, was von Experten abgelehnt wird. Obschon gemäss den Leitlinien eigentlich alle Patienten eine Systemtherapie erhalten sollten, war das nur bei einem Drittel der Fall. Neben Alitretinoin als etablierter Systemtherapie kamen zu häufig systemische Kortikosteroide zum Einsatz. Oft verwendeten die Dermatologen systemische Antihistaminika, obschon diese beim Handekzem nach Ansicht der Experten keinen Stellenwert besitzen.
Alfred Lienhard
Quelle:
Lunch-Symposium III (Firma GSK): «Chronisches Handekzem – Neues zu Diagnostik und Therapie in der Praxis». 94. Jahresversammlung der SGDV, Bern, 31. August 2012.
8 Dermatologie SGDV/EADV 2012