Transkript
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Gestationsdiabetes
Eine gute Blutzuckereinstellung
effektivste Diabetesprävention
Schwangerschaftsdiabetes zählt zu den häufigsten Schwangerschaftskomplikationen. Aufgrund der Folgen für Mutter und Kind stellt eine gute Blutzuckereinstellung während der Schwangerschaft die kürzeste und effektivste Diabetesprävention dar.
W ie PD Dr. Michael Hummel, München (D) erklärte, steigt die Bedeutung des Gestationsdiabetes. «So hat die relative Häufigkeit in Deutschland in der Zeit zwischen 2002 und 2011 deutlich zugenommen. Bei über 600 000 ausgewerteten Schwangerschaften im Jahr 2011 trat bei 4,4 Prozent, das sind mehr als 28 000 Fälle, ein Gestationsdiabetes auf.» Ein bereits bekannter Diabetes mellitus Typ 1 oder 2 lag bei 1 Prozent der Schwangerschaften vor. Als Ursache für den Gestationsdiabetes (GDM) wird von einer bereits präkonzeptionell bestehenden reduzierten Insulinsensitivität ausgegangen, die durch die ab der 20. Schwangerschaftswoche zunehmende, physiologische Insulinresistenz noch verschlimmert wird und durch die endogene Insulinsekretion nur unzureichend kompensiert werden kann (= relativer Insulinmangel) (1, 2). Für die Insulinresistenz und die -sekretionsstörung besteht teilweise eine genetische Prädisposition, die durch Umweltfaktoren, insbesondere durch Übergewicht, beeinflusst wird. Durch den transplazentaren Übertritt von Glukose, freien Fett- und Aminosäuren in den kindlichen Kreislauf führt die mütterliche Stoffwechselstörung zu einer fetalen Hyperinsulinämie (Fötus produziert ab 14. Schwangerschaftswoche Insulin).
Konsequenzen für Mutter und Kind
Ein GDM hat für Mutter und Kind Folgen. Gemäss bisher vorliegender Daten entwickeln 35 bis 60 Prozent der Frauen nach einem GDM innerhalb von 10 Jahren eine Glukosetoleranzstörung (3). Auch besteht ein Risiko von 35 bis 50 Prozent für das erneute Auftreten einer Glukosetoleranzstörung in weiteren Schwangerschaften (3). «Eine von den Geburtshelfern und Diabetologen am meisten gefürchtete Folge der fetalen Hyperinsulinämie stellt jedoch die Makrosomie dar», so Hummel. Dies nicht nur aufgrund der möglichen Geburtskomplikationen, sondern auch im Bezug auf Langzeitfolgen. «Zu schwere Neugeborene werden zu übergewichtigen Kindern und übergewichtigen Frauen, die bei einer Schwangerschaft ein doppelt so
hohes Risiko für einen Gestationsdiabetes aufweisen wie normalgewichtige», erklärte er. «Verhindern wir also, dass ein Kind zu schwer zur Welt kommt, dann tun wir nicht nur etwas für das Kind selbst, sondern auch bereits für die nächste Generation.»
Oft schon Diät und mehr Bewegung ausreichend
Gute Blutzuckereinstellung: Als beste Präventionsmassnahme gemäss den aktuellen Empfehlungen ist bei GDM ein Blutzuckerzielwert von < 5,3 mmol/l nüchtern und eine Stunde postprandial ein BZ ≤ 8,0 mmol/l anzustreben (4). Hummel erläuterte dazu: «In 85 Prozent der Fälle genügen diätetische Massnahmen und mehr Bewegung, um diese Zielwerte zu erreichen.» Eine individuelle Insulintherapie ist angezeigt bei einer mehrfachen, systematischen Überschreitung der Zielwerte. Das heisst: Pro Tagesprofil treten mindestens zweimal prä- und/oder postprandial erhöhte Werte auf, und dies an mindestens zwei Tagen innerhalb einer Woche. Hummel wies darauf hin, dass die Prognose des Kindes hinsichtlich Adipositas und Diabetes mellitus Typ 2 von der Blutzuckereinstellung der Mutter abhängig sei. «Eine gute Blutzuckereinstellung ist damit das kürzeste und effektivste Diabetespräventionsprogramm», schloss er.
Therese Schwender
Referenzen: 1. American Diabetes Association. Gestational diabetes mellitus. Diabetes Care 2003; 26: S103–S105. 2. Metzger BE et al. Summary and recommendations of the Fifth International Workshop-Conference on Gestational diabetes mellitus. Diabetes Care 2007; 30: S251–S260. 3. Gestationsdiabetes mellitus (GDM). Evidenzbasierte Leitlinie zu Diagnostik, Therapie u. Nachsorge der Deutschen Diabetes-Gesellschaft (DDG) und der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG), 2011. Unter: www.deutsche-diabetes-gesellschaft.de 4. Lehmann, R et al. Therapeutische Umschau 2009; DOI 10.1024/ 0040-5930.66.10.695
Quelle: 48th Jahreskongress der European Association for the Study of Diabetes (EASD), 30. September 2012, Berlin/D.
EASD 2012 Diabetes 15