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24. JAHRESTAGUNG FÜR PHYTOTHERAPIE, BADEN, 19. NOVEMBER 2009
Adaptogene – die Wissenschaft hinter dem Konzept
Zwei Beispiele: Panax ginseng und Rhodiola rosea
Alberto Vignutelli
Einleitung
Der Begriff Adaptogen wurde ursprünglich durch den Arzt Nicolai Lazarev (1947) geprägt. Der Pharmakologe beschrieb die unerwarteten Wirkungen der synthetischen Substanz Dibazol, eines Arteriendilatators, der in Frankreich entwickelt worden war. Es wurde festgestellt, dass Dibrazol die Stressresistenz des Organismus in experimentellen Studien erhöhen konnte. In den letzten Jahrzehnten erschienen zahlreiche Publikationen zu den adaptogenen Eigenschaften von Pflanzen. Adaptogene können als Substanzen definiert werden, die verschiedene Phasen des «Adaptationssyndroms» modulieren. Es werden entweder Stressreaktionen im Alarmzustand reduziert, oder die Erschöpfungsphase wird hinausgezögert, respektive vorgebeugt. Zusätzlich wird ein gewisser Schutz gegenüber Langzeitstress erwartet (1, 2). Adaptogene bilden eine neue Klasse von Substanzen natürlichen Ursprungs. Sie greifen in den Metabolismus ein und versetzen den Organismus in die Lage, sich Umweltfaktoren besser anzupassen und sich gegen diese zu schützen. Asiatischem Ginseng (Panax ginseng C.A. Meyer),Eleutherococcus senticosus und neuerdings auch Rhodiola rosea wird eine adaptogene Wirkung zugesprochen. Für Eleutherococcus existiert nur eine begrenzte Anzahl publizierter Wirksamkeitsnachweise, derweil mehrere Publikationen die positive Wirkung von asiatischem Ginseng gegen Erschöpfung und Stress belegen. Der Begriff Adaptogen wurde durch die europäische Zulassungsbehörde EMEA bisher als Indikation noch nicht vollumfänglich akzeptiert. Das Committee on Herbal Medicinal Products (HMPC) der EMEA ist sich jedoch im Klaren darüber, dass zahlrei-
che präklinische und klinische Studien hierzu durchgeführt wurden und ist dabei, ein Konzept zum Begriff Adaptogen zu erarbeiten (3). Adaptogene wurden ursprünglich als Arzneimittel definiert, die den «Zustand der nicht spezifischen Resistenz» bei Stress verbessern. Diese Definition impliziert, dass ein Organismus unterschiedliche Stufen der Stressresistenz besitzt, die mit den Aktivitäten ◆ des Nervensystems (Zentralnervensys-
tem und sympathisches Nervensystem) ◆ der Hypothalamus-Hypophysen-Adre-
nal-Achse (HPA-Achse) ◆ der angeborenen Immunität (Aktivität
des nicht spezifischen Immunsystems) in Zusammenhang stehen.
Physiologie von Stress
Die Physiologie von Stress und Stresssystem ist seit langer Zeit wissenschaftlich erforscht. 1992 publizierten Chrousos und
Abbildung 1
Gold in der Zeitschrift «Journal of the American Medical Association» (JAMA) eine Zusammenfassung über das Stresssystem (4). Die Beibehaltung eines ausgeglichenen Körperzustands, also die Homöostase, ist lebenswichtig. Dieses komplexe dynamische Gleichgewicht wird aber dauernd von äusserlichen und innerlichen Kräften – ob echt oder als solche wahrgenommen – den sogenannten Stressoren, angefochten. Stress wird deshalb als ein bedrohender Zustand der Homöostase oder als Disharmonie angesehen und von einem vielschichtigen Repertoire physiologischer Reaktionen und Verhaltensweisen angegangen, um die Homöostase wiederherzustellen (Stressanpassung). Die adaptive Stressantwort wird von einer komplexen neuroendokrinen, zellulären und molekularen Infrastruktur gefördert, dem Stresssystem, welches sich im Zentralnervensystem und in der Peripherie befindet. Die
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individuelle Stressanpassung wird von einer Vielfalt genetischer, umwelt- und entwicklungsbedingter Faktoren bestimmt. Veränderungen in der Bekämpfung von Stressoren, wie zum Beispiel mangelhafte, übertriebene und/oder andauernde Reaktionen, können zu Krankheiten führen (Abbildung 1).
Stresssyndrom
Die Aktivierung des Stresssystems (Alarmphase) führt zu einer Anhäufung zeitlich beschränkter körperlicher Verhaltensveränderungen (oder Anpassungen), die in der qualitativen Aufmachung bemerkenswerterweise konstant sind und insgesamt als das Stresssyndrom oder generelle Adaptation (Adaptierungsphase) bezeichnet werden (Tsigos, 2004). Beispiele dafür sind: Steigerung der kognitiven Funktionen, des Sauerstoffs und direkte Zufuhr von Nährstoffen ins Zentralnervensystem und den beanspruchten Körperregionen. Die Verhaltensanpassung beinhaltet gesteigerte Erregung, Aufmerksamkeit, Wachsamkeit und Wahrnehmung, verschärfte Beobachtungsgabe und gesteigerte Schmerzunempfindlichkeit mit gleichzeitiger Hemmung der vegetativen Funktionen wie Nahrungszufuhr und Fortpflanzung. Gleichzeitig vollzieht sich eine körperliche Anpassung, speziell um eine adaptive Neuausrichtung der Energie zu begünstigen. So werden Sauerstoff und Nährstoffe ins Zentralnervensystem und in die beanspruchten Körperregionen geleitet, wo sie nun am meisten beansprucht werden. Sind Stressoren akut und andauernd vorhanden, ist das Stresssystem nicht mehr in der Lage, sich gegen sie zu wehren und ein neuer Abschnitt, die Erschöpfungsphase, beginnt.
Wirkung von Adaptogenen
Das derzeit diskutierte allgemeine Konzept des Adaptogens führt zur Vorstellung, dass der betroffene Organismus sich einem Stressor anpasst, indem der Wirkstoff wie ein «Vakzin» agiert und eine milde Aktivierung des Stresssystems auslöst, womit letztendlich grösserer Stress bewältigt werden kann. In diesem Sinn wirken Adaptogene als Herausforderer und milde Stressoren (Stressmimetik), die adaptive und vor Stress schützende, mit den oben genannten Systemen in Zusammenhang stehende Wirkungen erzielen. Ziel ist die Verringerung von Stressreaktionen in der Alarm-
phase und dadurch die Vermeidung der Erschöpfungsphase. Mit anderen Worten: Dank der Adaptogene wird das Stresssystem aktiviert. Das hat zwei grosse Vorteile: 1. Die allgemeine Adaptierung wird ange-
regt, dies wirkt sich positiv auf die unterschiedlichen Leistungen aus. 2. Der Körper ist fähig, sich besser gegen akute und starke Stressoren zu wehren, dadurch wird einer Überreaktion vorgebeugt. Die zu erwartenden Vorteile sind: Schutz vor Stress, Ermüdung, Depression und Unterstützung bei restaurativen Aktivitäten, Schutz vor Infektionen sowie eine gesteigerte geistige und körperliche Leistungsfähigkeit.
Panax ginseng
Das wissenschaftlich am meisten dokumentierte Beispiel eines Adaptogens ist Panax ginseng C.A. Meyer (Abbildungen 2 und 3). Ginseng ist das kostbarste und berühmteste Stärkungsmittel der traditionellen chinesischen Medizin. Diese Pflanze, auch als asiatischer oder koreanischer Ginseng bekannt, wird hauptsächlich in China und Korea angebaut, speziell in den temperiert kalten nordöstlichen Regionen Chinas und der koreanischen Halbinsel. Die Anwendung von Ginseng wurde erstmals vor über 2000 Jahren beschrieben. Ginseng wurde Ende des 13. Jahrhunderts nach Europa gebracht. Bis heute sind ungefähr 200 Inhaltsstoffe aus Panax ginseng isoliert und bestimmt worden, unter anderem die Ginsenoside (Triterpensaponine), welche die wichtigsten aktiven Wirkstoffe von Ginseng darstellen. Weitere Stoffe sind Polysaccharide, Peptide, polyacrylenische Alkohole, Fettsäuren und Spurenelemente (5, 6). In den letzten Jahrzehnten wurden Tausende von wissenschaftlichen Untersuchungen mit Panax ginseng C.A. Meyer durchgeführt. In MEDLINE finden sich über 3000 Publikationen über Panax ginseng (Stand: Dezember 2009). Es ist wichtig, zu erwähnen, dass die Unkenntnis der wirklichen Eigenschaften der Ginsengwurzel, Abweichungen in der Extraktionstechnik oder beim Einsatz unwirksamer Surrogate oder Fälschungen Zweifel betreffend der Wirksamkeit von Ginseng entstehen können. Die deutsche Stiftung Warentest berichtete, dass bis zu 25 Prozent aller Ginsengpräparate wenig
Abbildungen 2 und 3: Wurzel von Panax ginseng C.A. Meyer und die Pflanze
oder gar keine aktiven Wirkstoffe enthalten. Erst kürzlich hat der American Botanical Council eine Studie durchgeführt, die zeigte, dass die vermarkteten Ginsengextrakte grosse Unterschiede im Ginsenosidgehalt aufweisen (7). Die Schwankungen in der Zusammensetzung bei unterschiedlichen Extrakten können also einen sehr negativen Einfluss vor allem auf klinische Studien haben. Es ist demzufolge entscheidend, dass mit standardisierten Extrakten gearbeitet wird. Tatsächlich wurden in den letzten Jahren in der Phytotherapie vermehrt klinische Studien mit standardisierten Extrakten durchgeführt. Bei evidenzbasierten pflanzlichen Arzneimitteln ist die Qualität definiert, Wirksamkeit und Sicherheit sind nachgewiesen. Qualität bedeutet die Einhaltung
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Tabelle: Wirkmechanismen von Panax ginseng
Wirkung auf das
Ginseng induziert den Hypothalamus zur
endokrine System
Produktion des adrenokortikotropischen Hormons
(ACTH) und der verwandten Komponente,
Ginseng moduliert die NO-Produktion
Steigerung der
Modulation des Zuckerspiegels, Schutz der
körperlichen Leistung Mitochondrien, Modulation des zellulären
Energieumsatzes
Verbesserung der
Modulation der Neurotransmitter: erhöhter
Lernfähigkeit und des Serotoninspiegel in der Hirnrinde und erhöhte
Gedächtnisses
Dopamin- und Norepinephrinspiegel im Hirnstamm
Stärkung des
Mit Ginseng behandelte Makrophagen
Immunsystems
produzieren Zytokine wie Tumor-Nekrose-
Faktor (TNF), Interleukin 6 und Interferone
Steigerung der
Ginseng steigert die Radikalfängerkapazität
antioxidativen Wirkung (erhebliche Steigerung der hepatischen
Glutathion-Peroxidase) nach Ausdauersport
Wirkung von Ginseng auf das wichtigste System im Zusammenhang mit Stress: das HypothalamusHypophysen-Nebennieren-System (HPA)
Steigerung der Leistung nach körperlicher Anstrengung
Wirkung von Ginseng auf das zentrale Nervensystem: verbesserte Verhaltensanpassung nach Stress Reaktion des Immunsystems nach Ausdauerstress
Minderung negativer Radikalfängerwirkung nach körperlichem Stress
Referenz 8, 9
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der für einen Extrakt verlangten Spezifikationen hinsichtlich Herstellung, Inhaltsstoffen und potenziell möglicher Verunreinigung. Der standardisierte Panax-ginseng-Extrakt G115 (mit 4% Ginsenosiden) wurde in vielen Studien (auch im Zusammenhang mit seiner stressreduzierenden Wirkung) getestet. Ginseng G115 ist einer der ersten standardisierten Panax-ginseng-Extrakte und sicher der am meist erforschte Ginsengextrakt weltweit. In der Literatur gibt es zahlreiche Publikationen, die die Wirkmechanismen von Ginseng im Zusammenhang mit Stress und Stressbekämpfung beschreiben. Präklinische Studien weisen zum Beispiel darauf hin, dass Ginseng einen Einfluss auf das endokrine System hat. Weiter kann Ginseng das Immunsystem modulieren, die Leistung unter körperlichem Stress verbessern sowie die Lernfähigkeit und das Gedächtnis stärken (Tabelle). Man weiss, dass länger anhaltender Stress negative Auswirkungen auf das Immunsystem und die körperliche und geistige Leistungsfähigkeit hat. Tatsächlich sind klinische Studien über eine Steigerung der körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit sowie des Immunsystems mit dem standardisierten G115-Extrakt vorhanden. Stress ist in den letzen Jahrzehnten ein grosses Gesellschaftsproblem geworden. Wie oben erwähnt, hat Stress viele negativen Auswirkungen und beeinflusst letztlich die gesamte Lebensqualität. Die Konsequenzen von Stress sind oft komplex und
miteinander verknüpft. Zum Beispiel schützt das Immunsystem nicht nur vor Viren oder Bakterien, sondern spielt auch in anderen Situationen eine grosse Rolle. Auch zu intensive körperliche Tätigkeit/ Anstrengung vermindert den Immunschutz. Die Erschöpfung ist nicht nur ein körperlicher, sondern (oder sogar vor allem) ein geistiger Zustand. Nach diesen Ausführungen ist es nicht erstaunlich, dass eine Pflanze, die gegen Stress wirkt, klinisch relevante Auswirkungen auf unterschiedliche Konditionen hat. In den nächsten drei Kapiteln sind ausgewählte Beispiele über die Auswirkungen des standardisierten Ginsengextrakts G115 auf das Immunsystem sowie die körperliche und geistige Leistung dargestellt.
Auswirkungen von Ginseng G115 auf das Immunsystem
In einer klinischen Doppelblindstudie wurden über 200 gegen Influenza geimpfte Probanden drei Monate lang mit Plazebo und Ginsengextrakt G115 behandelt (14). Während dieser Zeit war der Anteil der Probanden, die eine Influenza oder eine Erkältung bekamen, in der Verumgruppe wesentlich geringer. Die Rate der Probanden, die während der Behandlungszeit mindestens einmal an Erkältung oder Influenza litten, betrug in der Plazebogruppe 37 Prozent, in der G115-Gruppe aber nur 13 Prozent. Der nach der Impfung erreichte Antikörpertiter und die natürlichen Killeraktivitätswerte (NK) waren nach dem ersten, zweiten und dritten Monat der Be-
handlung mit Ginseng G115 signifikant höher als unter Plazebo. In einer anderen Studie, die mit Probanden durchgeführt wurde, die an chronischer Bronchitis litten, verlief die Heilung in der Gruppe, die Ginseng G115 zusammen mit einem Antibiotikum erhielt, wesentlich schneller als in der Gruppe, die nur ein Antibiotikum erhielt (15). Kürzlich wurde in einer präklinischen Studie versucht, die molekulare Basis dieser Wirkung zu ermitteln (12). Es wurde gezeigt, dass der Ginsengextrakt G115 höchstwahrscheinlich auf der Toll-like-Rezeptorebene wirkt. Die Studie stützt die Hypothese, dass Ginseng in der Lage ist, durch Neuabgleich des Th1-Th2-Verhältnisses zugunsten von Th1 das Immunsystem zu modulieren. In diesem Zusammenhang ist bekannt, dass Stress eine Verschiebung von Th1 auf Th2 bewirkt (16). Die hömöostatische Rolle der stressinduzierten Th2-Verschiebung bewirkt häufig eine Verschlechterung pathologischer Konditionen, bei welchen entweder die zelluläre Immunität förderlich (z.B. Infektionen) oder die humorale Immunität schädlich ist (z.B. Allergien, autoimmune Krankheiten). Ginseng kann dieser Verschiebung entgegenwirken und in Stresssituationen vor viralen und bakteriellen Infekten schützen.
Wirkung von Ginseng G115 auf die kognitiven Funktionen
Die Wirkung des Ginsengextrakts G115 auf die kognitiven Funktionen wurde in vielen klinischen Studien bestätigt. Kennedy und
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Mitarbeiter zeigten, dass bereits eine einzelne Behandlung mit Ginseng G115 die kognitive Leistung verbessert (17). Diese Studie wurde mit 20 gesunden jungen Freiwilligen plazebokontrolliert, im Crossover-Design und doppelblind durchgeführt. Es wurden drei Einzeldosen des G115Extrakts getestet: 200 mg, 400 mg und 600 mg. Die Auswertung der kognitiven Leistung erfolgte vor der Behandlung und 1, 2,5, 4 und 6 Stunden nach Einnahme der Einzeldosen. Die Gabe von 400 mg verbesserte die Gedächtnisqualität bei allen Auswertungszeiten. Alle Dosierungen bewirkten eine statistisch signifikante Verbesserung des Gedächtnisses, jedoch nicht bei allen Auswertungszeiten. Die Studie wurde mit dem computerisierten System der CDR (Cognitive Drug Research) durchgeführt. Es handelt sich dabei um eine bekannte, validierte und objektive Methode zur Messung geistiger Funktionen. Diese Studie zeigt, dass der Ginsengextrakt G115 eine positive, messbare Wirkung auf die kognitiven Leistungen hat. Interessanterweise verbesserte sich auch die Stimmungslage nach der G115-Behandlung. Dies zeigt, dass eine Korrelation zwischen geistiger «Fitness» und Stimmung bestehen könnte. Um diese Ergebnisse besser zu verstehen, wurde der Einfluss von G115-Einzeldosen auf das Elektroenzephalogramm bei gesunden jungen Freiwilligen untersucht (18). Es ist dies die erste Studie die aufzeigt, dass Ginsengextrakte die bioelektrische Gehirnaktivität beeinflussen können. Kennedy und Mitarbeiter versuchten die Wirkmechanismen dieser Verbesserung der geistigen Leistung nach der Ginsengbehandlung zu erklären (19). Mögliche Wirkmechanismen basieren auf der nervenschützenden Aktivität, der Modulierung der Neurotransmitter (z.B. Serotonin, Dopamine), dem Einfluss auf das endokrine System (Hypothalamus-HypophysenNebennieren-System), der Modulierung des Energiestoffwechsels (Glukose, Sauerstoff) und der Modulierung der Stickoxidfreisetzung.
Wirkung von Ginseng G115 auf die körperliche Leistung
Die Fähigkeit von G115, die körperliche Leistung zu verbessern, wurde auch in klinischen Studien untersucht. In einer Studie wurden 60 Probanden mit Ginseng oder Plazebo während drei Monaten behandelt (20). Die mit Ginseng behandelten Probanden zeigten positive Auswirkungen auf Erholung und Koordinationsfähigkeit. In einer anderen Doppelblindstudie (21) haben 60 Probanden drei Monate lang G115 eingenommen, wobei die Vitalität und diverse Parameter der Lebensqualität verbessert wurden. Die Wirkung von G115 auf die Sauerstoffaufnahme wurde ebenso oft klinisch untersucht. In einer klinischen Doppelblindstudie (22) wurde die Wirkung von Ginseng G115 auf die Lungenfunktion und die Sauerstoffaufnahmefähigkeit bei Probanden, die an mittelschwerer chronischer obstruktiver Lungenerkrankung litten, untersucht. In dieser doppelblinden, plazebokontrollierten Studie wurden 92 Patienten (49 Verum, 43 Plazebo) mit 200 mg G115 täglich während drei Monaten behandelt. Bei den Lungenfunktionstests wurden die maximale Selbstatmung, der maximale Inspirationsdruck und der maximale Sauerstoffverbrauch gemessen. Die Behandlung mit Ginseng G115 verbesserte bei den Patienten sowohl die Lungenfunktion als auch die Sauerstoffaufnahme. Diese Untersuchung bestätigte die Ergebnisse früherer klinischer Studien mit Sportlern. Nach der Behandlung mit Ginseng G115 war die Sauerstoffaufnahme nach körperlicher Betätigung erhöht (21, 23, 24). Ebenso wurde nachgewiesen, dass Ginseng G115 die Sauerstoffanreicherung und den Sauerstoffentzug von Hämoglobin verbessert (25). Es wurde von einer gesteigerten Sauerstoffanreicherung im Blut nach der Behandlung mit Ginseng G115 sowie über einen verringerten Laktatspiegel berichtet (24, 25, 26). Dies kann als Folge der Modulation der aeroben Phase mit erhöhter Energiebereitstellung betrachtet werden (9). Ausserdem könnte sich die Modulation von NO durch Ginseng auf die Erzeugung zellulärer Energie auswirken, was die erhöhte Sauerstoffaufnahme erklären würde (27).
Rhodiola und ihre
adaptogenen Eigenschaften
Die Wirkmechanismen von Adaptogenen
stehen in Zusammenhang mit dem Stress-
system und werden durch die Beeinflus-
sung von biochemischen Stressfaktoren
wie Cortisol, Stickoxid (NO), stressaktivierte
Proteinkinasen, Wärmeschockprotein 72
(HSP 72) und Transkriptionsfaktor DAF-16
vermittelt.
In der neuen Veröffentlichung von Panos-
sian und Mitarbeitern (27) wurde eine
solche Hypothese für den molekularen Me-
chanismus bezüglich der Stressschutzakti-
vität von Adaptogenen ausführlich darge-
stellt.
Dieser Bericht nennt Rhodiola rosea als
interessante, sehr vielversprechende «adap-
togene Pflanze».
Tatsächlich hat in den letzten Jahren die
Pflanze aus der Familie der Crassulaceae,
die in kalten Regionen der Erde wächst,
viele Wirkungen gezeigt, die mit dem Be-
griff Adaptogen kompatibel sind. DAF-16,
Cortisol, NO und HSP72 wurden im Tiermo-
dell beeinflusst.
In den letzten Jahren ergaben Untersu-
chungen mit einem standardisierten
Rhodiolaextrakt (mit Verwendung der In-
haltsstoffe Rosavin und Salidrosid als
pharmakologisch aktive Marker) einen klini-
schen Nutzen bei stressbedingten Zustän-
den. Ein Beispiel ist eine Pilotstudie, bei der
Rhodiola rosea allgemeine Angststörungen
verringerte (28). Andere Beispiele sind die
Wirksamkeit bei der Behandlung von leich-
ten bis moderaten Depressionen und bei der
Behandlung von Probanden mit stress-
bedingter Ermüdung (29, 30).
◆
Anschrift des Referenten: Dr. Alberto Vignutelli Medical Research Departement Ginsana SA 6934 Bioggio Vignutelli@ginsana.ch
Literatur beim Referenten erhältlich
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