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DIABETES
Tipps zur Therapiewahl bei Typ-2-Diabetes
Denken Sie in Substanzklassen!
In der Behandlung des Typ-2-Diabetes ist das Angebot in den letzten Jahren immer grösser geworden. Deshalb sei es wichtig, für die Wahl klinische Prioritäten zu setzen und in Substanzklassen zu denken. Diesen Rat gab Prof. Roger Lehmann, Klinik für Endokrinologie, Diabetologie und klinische Ernährung im Universitätsspital Zürich, am FOMF-Diabetes-Update, und stellte die bald erscheinenden neuen schweizerischen Empfehlungen der SGED vor.
Die Prävalenz der Typ-2-Diabetes-Erkrankung steigt mit zunehmendem Alter an, die meisten Personen mit Typ-2-Diabetes sind über 65 Jahre alt. Bei einer in der Schweiz zurzeit geltenden Lebenserwartung einer 65-jährigen Person von 19 bis 22 Jahren bedeutet dies eine mindestens ebenso lange Krankheitsdauer. In dieser Zeit kann jede dieser Personen aufgrund der Hyperglykämie Folgekomplikationen wie Mikro- und Makroangiopathien entwickeln, in Augen, Herz, Nieren, Nerven wie auch dem Gehirn. Gut die Hälfte der Folgekomplikationen besteht jedoch bereits zum Zeitpunkt der Diagnose. Häufigste mikrovaskuläre Komplikation bei Diabetikern ist gemäss Lehmann die Niereninsuffizienz. Häufigste makrovaskuläre Komplikation ist der Myokardinfarkt. Personen mit Diabetes haben verglichen mit Personen ohne Diabetes ein viel höheres Risiko, einen Herzinfarkt zu erleiden, unabhängig davon, ob zuvor schon ein Herzinfarkt aufgetreten war. Drei Viertel der Patienten mit Typ-2-Diabetes versterben an einer kardiovaskulären Ursache. Aus den Daten der UKPDS-Studie wurde ersichtlich, dass das Risiko für Herzinfarkt, Hirnschlag, Amputation und Herzinsuffizienz mit steigendem HbA1c-Wert zunimmt (1). Eine adäquate Blutzuckerkontrolle senkt demnach das Risiko für mikrovaskuläre und langfristig auch für makrovaskuläre Komplikationen wie auch der Mortalität. Das zeigten nun auch die neuen Antidiabetika-Studien mit den SGLT2-Hemmern Empagliflozin, Canagliflozin und Dapagliflozin wie auch mit den GLP-1-Rezeptor-Agonisten Liraglutid, Semaglutid und Dulaglutid.
DPP-4-Hemmer wie Saxagliptin, Alogliptin und Sitagliptin sind sichere Antidiabetika, jedoch ohne kardiovaskulären Einfluss. Bei GLP-1-Rezeptor-Agonisten ist dieser Einfluss unterschiedlich und als Risikoreduktion nur für die lang wirksamen, humanen Vertreter Liraglutid und Semaglutid nachgewiesen. Bei SGLT2-Hemmern scheint die positive Wirkung auf die Niere, kardiovaskuläre Ereignisse und die Herzinsuffizienz dagegen ein Klasseneffekt zu sein, so Lehmann.
Neue schweizerische Empfehlungen
Die Empfehlungen der Schweizerischen Gesellschaft für Endokrinologie und Diabetes (SGED) werden momentan an die neue Datenlage angepasst. Eine Vorschau auf die neuen Guidelines (2) gab Lehmann am FOMF-Kongress. Die Therapie des Typ-2-Diabetes richtet sich auf vier klinische Situationen aus: 1. Insulinmangel; 2. schlechte Nierenfunktion; 3. kardiovaskuläre Erkrankung oder 4. Herzinsuffizienz. Bei Insulinmangel muss dieser mit einem Basalinsulin (z.B. Insulin degludec [Tresiba®]) behoben werden. Reicht das nicht aus, ist eine Basis-Bolus-Therapie, eine Therapie mit Mischinsulin (Insulin degludec + aspart [Ryzodeg®]) oder eine Kombinationstherapie eines Basalinsulins plus GLP-1Rezeptor-Agonist (Insulin degludec + Liraglutid [Xultophy®], (Insulin glargin + Lixisenatid [Suliqua®]) empfohlen. Wird mit den Jahren auch diese Strategie ungenügend, ist eine Basis-Bolus-Therapie angezeigt. Hier ist es wichtig abzuklären, ob eventuell ein Typ-1-Diabetes vorliegen könnte. Ein Indiz dafür könnte ein anhaltend hohes HbA1c (> 9%) trotz Antidiabetika sein.
KURZ & BÜNDIG
Vor der Therapie vier klinische Fragen zu Insulinmangel, Nierenfunktion, kardiovaskulären Vorerkrankungen und Herzinsuffizienz stellen.
Prioritäten zu weiteren Therapiezielen setzen. Anhand der SGED-Empfehlungen infrage kommende Sub-
stanzklassen auswählen.
Innerhalb der Substanzklasse Medikament mit der besten Evidenz auswählen.
Therapiewahl je nach Nierenfunktion
Bei einer Nierenfunktion mit geschätzter glomerulärer Filtrationsrate (eGFR) zwischen 60 und 45 ml/min/1,73 m2, wovon 13,9 Prozent der Diabetespatienten betroffen sind, sind zusätzlich zu Metformin nephroprotektive Antidiabetika wie SGLT2-Hemmer und GLP-1-Rezeptor-Agonisten indiziert. Wird das HbA1c-Ziel damit nicht erreicht, ist in einem zweiten Schritt die Zugabe von DPP-4-Hemmern, Gliclazid oder einem lang wirksamen Basalinsulin (z.B. Tresiba®) angezeigt. Bei eGFR-Werten zwischen 45 und 30 ml/min/ 1,73 m2 (6,1% der Patienten) kommen GLP-1-Rezeptor-Agonisten infrage, und die Dosis von Metformin muss halbiert werden. Bei ungenügender Blutzuckersenkung besteht der nächste Schritt in der Gabe von DPP-4-Hemmern oder einem Basalinsulin. Bei
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Tabelle:
Antidiabetika gemäss SGED-Empfehlungen 2018
Wirksubstanz
Präparatename
Kombination
Biguanide Metformin SGLT2-Hemmer Canagliflozin Dapagliflozin Empagliflozin
Glucophage® oder Generika
Invokana® Forxiga® Jardiance®
DPP-4-Hemmer
Alogliptin
Vipidia® (Herzinsuffizienz möglich)
Linagliptin
Trajenta®
Saxagliptin
Onglyza® (Herzinsuffizienz)
Sitagliptin
Januvia®, Xelevia®
Vildagliptin
Galvus®
Sulfonylharnstoffe
Gliclazid
Diamicron® oder Generika
Glibenclamid
Daonil®/Semi-Daonil®/Generika
Glimepirid
Amaryl® oder Generika
GLP-1-Rezeptor-Agonisten
Exenatid
Byetta® (2 täglich)
Exenatid Depot
Bydureon® Pen (1 wöchentlich)
Liraglutid
Victoza®
Semaglutid
Ozempic (1 wöchentlich)
Dulaglutid
Trulicity® (1 wöchentlich)
Insulinanaloga, lang wirksam
Insulin degludec
Tresiba®
Insulin detemir
Levemir®
Insulin glargin
Lantus®
Insulin glargin 300
Toujeo® SoloStar®
Insulin glargin Biosimilar
Abasaglar®
Humaninsulin, mittelwirksam
NPH Huminsulin®, Insulatard®
Insulinanaloga, kurzwirksam
Lispro
Humalog®
Aspart
NovoRapid®, Fiasp®
Glulisin
Apidra®
Mischinsulin (kurz und lang wirksam oder NPH-Insulin)
Insulin lispro
Humalog®
Insulin aspart
NovoRapid®
Insulin degludec/aspart
NovoRapid®
Vokanamet® Xigduo® XR Jardiance Met® Glyxambi® (Empagliflozin/Linagliptin) Qtern® (Dapagliflozin/Saxagliptin) Vipdomet® Jentadueto® Kombiglyze XR® Janumet®, Janumet XR®, Velmetia® Galvumet®
Glucovance®/- mite®
Xultophy® (mit Insulin degludec)
Xultophy (mit Liraglutid)
Humalog Mix® (NPH-Insulin) NovoMix® (NPH-Insulin) Ryzodeg® (degludec)
Bemerkungen: Medikamente in grün haben kardiovaskuläre Endpunktstudien. Medikamente in rot sind in der Medikamentengruppe in Bezug auf die momentan bessere Datenlage bezüglich kardiovaskulärer und mikrovaskulärer Endpunkte zu bevorzugen.
Quellen: Vortrag Prof. Lehmann, FOMF 2018, sowie SGED-Empfehlungen.
einer schlechten Nierenfunktion mit einer eGFR < 30 ml/min/ 1,73 m2 (2,7% der Patienten) ist der erste Schritt die Anwendung von GLP-1-Rezeptor-Agonisten oder DPP-4-Hemmern.
Im Fall von Linagliptin braucht es dazu keine Dosisanpassung. Der zweite Schritt liegt in der Applikation von lang wirksamem Basalinsulin.
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Kardiovaskuläre Ausrichtung
Liegt bereits eine kardiovaskuläre Erkrankung vor, die periphere arterielle Verschlusskrankheit mit eingerechnet, muss die antidiabetische Therapie darauf abgestimmt werden. Etwa die Hälfte der Typ-2-Diabetes-Patienten haben eine asymptomatische kardiovaskuläre Erkrankung und etwa ein Viertel eine symptomatische. Hier eignen sich als früher Metforminzusatz SGLT2-Hemmer und GLP-1-Rezeptor-Agonisten (bei BMI > 28). Bei ungenügender Wirkung besteht der nächste Schritt in einer zusätzlichen Gabe von DPP-4-Hemmern (bei vormalig SGLT2-Hemmer), Gliclazid oder Basalinsulin. Ohne kardiovaskuläre Vorerkrankung können als Metforminzusatz SGLT2-Hemmer, GLP-1-Rezeptor-Agonisten wie auch DPP-4-Hemmer zum Einsatz kommen, mit Zusatz von Gliclazid oder Basalinsulin im nächsten Schritt. Ist eine Herzinsuffizienz vorhanden oder geht es um deren Prävention, soll der Patient als Metforminzusatz SGLT2Hemmer erhalten, bei ungenügender Blutzuckersenkung in einem nächsten Schritt zusätzlich DPP-4-Hemmer vor einer Zugabe von Basalinsulin.
Prioritätensetzung wichtig
Die heute verfügbaren Medikamente wirken auf verschiedene Organsysteme. Wichtig bei der Auswahl ist das Setzen
SGED-Empfehlungen
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von Prioritäten und die Berücksichtigung der Präferenzen des
Patienten. Liegt die Priorität auf der kardiovaskulären Prä-
vention, kommen nur SGLT2-Hemmer und GLP-1-Rezep-
tor-Agonisten infrage. Liegt die Priorität auf der Gewichts-
senkung, sind GLP-1-Rezeptor-Agonisten noch stärker als
SGLT2-Hemmer, auf lange Zeit gesehen wirkt auch Metfor-
min gewichtssenkend. Sollen dagegen Hypoglykämien redu-
ziert werden, kommen vier Substanzklassen infrage: Met-
formin, SGLT2-Hemmer, GLP-1-Rezeptor-Agonisten und
DPP-4-Hemmer. Ist der Preis entscheidend, so verursachen
Sulfonylharnstoffe und Metformin am wenigsten Kosten.
Innerhalb der so ausgewählten Substanzklassen gilt es gemäss
SGED-Empfehlungen die Substanz mit der besten Evidenz aus-
zuwählen (Tabelle). GLP-1-Rezeptor-Agonisten und SGLT2-
Hemmer sind gemäss Lehmann die besten Antidiabetika.
Denn sie unterstützen eine multifaktorielle Therapie mit zu-
sätzlichem Gewichtsverlust, Blutdrucksenkung und ohne
Hypoglykämien. Dennoch werden sie noch zu wenig ver-
schrieben. Hier gelte es, entsprechende Barrieren bei den Ärz-
ten abzubauen und die «clinical inertia» zu überwinden, so
Lehmann abschliessend.
L
Valérie Herzog
Quelle: «Medikamentöse Diabetestherapie», FOMF Diabetes Update Refresher, 16. November 2018 in Zürich.
Referenzen: 1. Stratton IM et al.: Association of glycaemia with macrovascular and
microvascular complications of type 2 diabetes (UKPDS 35): prospective observational study. BMJ 2000; 321: 405–412. 2. Empfehlungen der Schweizerischen Gesellschaft für Endokrinologie und Diabetologie 2016/2018: Massnahmen zur Blutzuckerkontrolle bei Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2. www.sgedssed.ch.