Transkript
UROLOGIE
Medikamente bei überaktiver Blase
Zwei Wirkmechanismen im Vergleich
Hinsichtlich ihrer Wirksamkeit und Verträglichkeit zur Behandlung der überaktiven Blase wurden in einer aktuellen Metaanalyse Mirabegron und verschiedene Antimuskarinika in Mono- oder Kombinationstherapie miteinander verglichen. Dabei erwies sich der β3-Agonist bei durchweg geringeren Nebenwirkungen hinsichtlich Symptomlinderung als ähnlich effektiv.
European Urology
Die derzeitigen Optionen zur Behandlung von Symptomen einer überaktiven Blase (overactive bladder, OAB), wie Harndrang mit oder ohne Dranginkontinenz, häufige Miktionen oder Nykturie, umfassen neben verhaltenstherapeutischen Ansätzen sowie minimalinvasiven Eingriffen und anderen chirurgischen Verfahren auch medikamentöse Therapien.
Antimuskarinika: effektiv, aber oft mit Nebenwirkungen
Zur Pharmakotherapie haben sich orale Antimuskarinika zwar als effektiv erwiesen, sie sind jedoch mit einer hohen Inzidenz von lästigen anticholinergen Nebenwirkungen wie Mundtrockenheit und Obstipation behaftet, was besonders bei älteren Patienten mit OAB von Relevanz sein kann. Insgesamt ist die Therapietreue zu Antimuskarinika bei OAB hauptsächlich aus Gründen der Unverträglichkeit nicht sehr ausgeprägt. In Phase-III-Studien konnte sich inzwischen der orale β3-Adrenozeptor Mirabegron mit nachgewiesener signifikanter Besserung von Schlüsselsymptomen wie Inkontinenz und Miktionshäufigkeit sowie mit im Vergleich zu Plazebo ähnlich niedrigen Nebenwirkungsraten als alternative Therapieoption behaupten. Auch die 12-Monats-Raten der Therapieadhärenz zeigten sich in retrospektiven Beobachtungsstudien unter Mirabegron gegenüber Antimuskarinika deutlich verbessert. Im Rahmen eines kürzlich durchgeführten systematischen Reviews mit Metaanalyse über 44 randomisierte, kontrollierte Studien mit insgesamt 27 309 Patienten erwies sich Mirabegron 50 mg hinsichtlich Miktionshäufigkeit und (Drang-)Inkontinenz als ähnlich wirksam wie Antimuskarinika bei gleichzeitig geringeren Nebenwirkungsraten. Kürzlich durchgeführte Untersuchungen konnten
schliesslich zeigen, dass der Einsatz von Mirabegron auch in Kombination mit beziehungsweise als Add-on zu Solifenacin 5 mg bessere Resultate liefert als eine Monotherapie mit Solifenacin 5 mg allein. Um die bisherigen positiven Ergebnisse zu überprüfen, haben Con Kelleher vom Guys and St Thomas Hospital in London, UK, und seine Arbeitsgruppe nun auf breiterer Datenbasis und mit erweiterter Palette von Endpunkten die Wirksamkeit und Verträglichkeit von Mirabegron 50 mg im Vergleich mit einzeln (Darifenacin [7,5/15 mg], Fesoterodin [4/8 mg], Imidafenacin [0,2 mg], Oxybutynin [«extended release», ER: 5/10/15 mg; «immediate release», IR: 5/9/10/15 mg], Propiverin [20 mg], Solifenacin [5/10 mg], Tolterodin [ER: 4 mg, IR: 2/4 mg], Trospium [40/45/60 mg]) sowie in Kombination (2 der genannten Medikationen, ausschliesslich Kombinationen mit Solifenacin 10 mg oder aus 2 Antimuskarinika) verabreichten oralen Antimuskarinika unter die Lupe genommen. In die Netzwerkanalyse gingen die Daten von insgesamt 64 Studien (n = 46 666) ein.
Mirabegron: ähnlich wirksam, aber besser verträglich
Wie die Auswertung ergab, war Mirabegron 50 mg in Bezug auf sämtliche Wirksamkeitsendpunkte (Miktionsfrequenz, [Drang-]Inkontinenzepisoden) effektiver als Plazebo. Hinsichtlich der Gesamteffektivität erwies sich Mirabegron zudem gegenüber nahezu allen aktiven Therapien als gleichwertig; lediglich Solifenacin 10 mg und die Kombination aus Solifenacin 5 mg mit Mirabegron (25 oder 50 mg) zeigten für einige oder sogar für sämtliche Wirksamkeitsparameter bessere Ergebnisse. Was unerwünschte Arzneimittelwirkungen betrifft, wurde Mirabegron
jedoch darüber hinaus im Hinblick auf
Mundtrockenheit (gegenüber 21 von
22 Vergleichssubstanzen), Obstipation
(9/20) und Harnretention (7/10) signi-
fikant besser vertragen als die Antimus-
karinika. Bezüglich weiterer Verträglich-
keitsparameter (z.B. verschwommenes
Sehen, Hypertension, Urinretention,
Harnwegsinfektion, Tachykardie) er-
wies sich Mirabegron insgesamt als
gleichwertig zu sämtlichen aktiven Ver-
gleichssubstanzen und zu Plazebo.
In den Leitlinien des britischen Natio-
nal Institute for Health and Care Excel-
lence (NICE) wird Mirabegron zur
Behandlung von OAB lediglich für
Patienten empfohlen, welche Antimus-
karinika nicht vertragen oder bei denen
Letztere kontraindiziert beziehungs-
weise klinisch nicht ausreichend wirk-
sam sind. Die Autoren der Metaanalyse
kommen anhand ihrer Resultate aller-
dings zu dem Schluss, dass Mirabegron
50 mg, verglichen mit Antimuskari-
nika, ein verbessertes Wirksamkeits-
Verträglichkeits-Verhältnis aufweist und
mithin als alternative Erstlinientherapie
der OAB in Erwägung gezogen werden
sollte, wie es auch die Guidelines der
europäischen (European Association of
Urology, EAU) und amerikanischen
Fachgesellschaften (American Urological
Association, AUA) nahelegen. Auch
hinsichtlich Kosteneffektivität weist
Mirabegron in entsprechenden Analy-
sen Vorteile gegenüber Antimuskari-
nika auf.
RABE s
Kelleher C et al.: Efficacy and tolerability of mirabegron compared with antimuscarinic monotherapy or combination therapies for overactive bladder: a systematic review and network metaanalysis. Eur Urol 2018; 74(3): 324–333. Interessenlage: Ein Teil der Autoren hat Forschungsunterstützung beziehungsweise Vortragshonorare von Allergan, Pfizer, Sun Pharmaceutical Industries Ltd. und Astellas Pharma Inc. erhalten oder ist Mitarbeiter von Astellas Pharma B.V. oder Astellas Pharma Europe Ltd., den Herstellerfirmen von Mirabegron.
ARS MEDICI DOSSIER III | 2019
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