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FORTBILDUNG q FORMATION CONTINUE
Infektion mit Chlamydia trachomatis
Bedeutung, Diagnostik, Screening, Behandlung
BÄRBEL HIRRLE
Auch in der Schweiz ist seit Jahren eine Zunahme der sexuell übertragbaren Krankheiten zu verzeichnen, dies gilt erneut auch für Chlamydieninfektionen. 10 bis 20 Prozent der betroffenen, nicht behandelten Frauen entwickeln eine PID (= Pelvic Inflammatory Disease) mit chronischen Unterbauchbeschwerden, den Spätfolgen der Infertilität oder potenziell lebensgefährlichen ektopischen Schwangerschaften wie auch Erkrankungen des Neugeborenen. Zu beachten sind insbesondere die Risikogruppen, für die ein Screening sinnvoll ist. In der Diagnostik gibt es Neuerungen, die Therapie ist grundsätzlich einfacher geworden.
Bedeutung
In der Schweiz gehören die Infektion mit Chlamydien sowie die Gonorrhö (Tripper) zu den meldepflichtigen Erkrankungen. Seit einigen Jahren ist ein leichter Anstieg auf zirka 40/100 000 zu verzeichnen, auch wenn drei Viertel der infizierten Frauen und ein Viertel der infizierten Männer asymptomatische Träger von Chlamydia trachomatis sind. Der Nachweis des Erregers findet daher häufig zufällig statt. Dies darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Folgen unbehandelter Erkrankungen gravierend sein können. Die Bedeutung der Chlamydieninfektion der Frau (v.a. die Serotypen D bis K) liegt darin, dass infolge der Entzündungen die Tuben verkleben und damit eine bleibende Sterilität auftreten kann. Die Chlamydiensalpingitis gehört zu den häufigsten Ursachen der tubaren Sterilität. Chlamydia trachomatis gilt mit jährlich 50 Millionen neuen Erkrankungen weltweit als das häufigste sexuell übertragene bakterielle Pathogen. Infektionen treten auf bei zirka 5 bis 10 Prozent der sexuell aktiven Bevölkerung und bei 1 bis 6 Prozent der schwangeren Frauen.
Erkrankungen
Die urogenitale Chlamydieninfektion ist eine infektiöse bakterielle Erkrankung des Urogenitaltraktes durch Chlamydia trachomatis. Sie ist die häufigste sexuell übertragbare Krankheit, die zu einer Urethritis und Zervizitis führt. Die Symptome sind Dysurie und schleimiger Fluor. Bei der urogenitalen Infektion mit Chlamydien sind Frauen doppelt so häufig wie Männer betroffen. 10 bis 20 Prozent der Frauen mit Chlamydieninfektion entwickeln eine PID (= Pelvic Inflammatory Disease) mit chronischen
Unterbauchbeschwerden, Infertilität und potenziell lebensgefährlichen ektopischen Schwangerschaften. Die Koinfektion von Neisseria gonorrhoeae mit Chlamydien ist nicht selten, weshalb eine gleichzeitige Therapie beider Erreger empfohlen wird. Die Infektion von Neugeborenen mit Chlamydien über die infizierte Zervix führt am häufigsten zur Ophthalmia neonatorum (Konjunktivitis, 5 bis 12 Tage nach der Geburt). Auch andere Schleimhäute können betroffen sein, wie Oropharynx, Urogenitaltrakt und Rektum. Die subakute afebrile Pneumonie im ersten bis dritten Lebensmonat kann ebenfalls auf Chlamydia trachomatis zurückgeführt werden.
Diagnostik
Zum Nachweis einer Chlamydieninfektion galt viele Jahre die Kultur als der Goldstandard, die bei Frauen nach Abstrich von der Zervix, Urethra oder den Fimbrienenden (kein Vaginalabstrich), beim Mann nach Urethralabstrich angelegt wurde. Die Kultivierung erfolgte in Cycloheximid-behandelten McCoy-Zellen, einem zeit- und arbeitsintensiven Verfahren, das nicht in allen Laboratorien verfügbar ist. Als neue und beste Methode wird die Amplifikation von Nukleinsäuren durch die PCR (= Polymerase-Kettenreaktion) oder LCR (= Ligase-Kettenreaktion) empfohlen. Die Methoden zeigen eine deutlich höhere Sensitivität und auch Spezifität (bis zu 100%). Der entscheidende Vorteil der PCR und LCR für Arzt und Patientin gegenüber allen bisher verfügbaren Tests liegt bei der Gewinnung des Untersuchungsmaterials: Hierfür können auch Urinproben verwendet werden, invasive Untersuchungen können also entfallen. PCR und LCR, eine Spezifikation der PCR
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(Target-Amplifikation), gelten als Techniken der Zukunft; die Kosten sind derzeit allerdings noch hoch.
Screening
Wegen der Häufigkeit urogenitaler Chlamydieninfektionen bei Frauen im sexuell aktiven Alter und der potenziellen schweren Folgewirkungen ist ein Screening sinnvoll, und zwar besonders bei Risikogruppen: q Frauen unter 20 Jahren q Frauen zwischen 20 und 35 Jahren mit
neuem oder mehreren Sexualpartnern in den vergangenen zwei Monaten q Frauen, deren Partner andere Sexualpartner hatte q Frauen mit kürzlich erworbener STD q Schwangere Frauen q Frauen mit unerklärter Sterilität oder Spontanaborten.
Behandlung
Gegen Chlamydia trachomatis sind nur zellgängige Antibiotika wirksam. Empfohlen wird besonders die Gabe von Azithro-
mycin (Zithromax® [1 g Einmaldosis]) oder Doxycyclin (Vibramycin® [2 x 100 mg/Tag an sieben Tagen]). Einen wesentlichen Fortschritt stellt die Einmalgabe von Azithromycin dar, vor allem im Hinblick auf die bessere Compliance. Doxycyclin ist etwas kostengünstiger, zu beachten ist aber auch seine fototoxische Wirkung. Alternativ kann Erythromycin (Erythrocin® [4 x 500 mg, an sieben Tagen]) verabreicht werden. PatientInnen sollten bis zum Ende der Therapie (oder mindestens 7 Tage nach der Einzeldosis-Therapie) keinen ungeschützten Sexualverkehr haben. Die Sexualpartner sollten ebenfalls untersucht und gegebenenfalls mitbehandelt werden. In der Schwangerschaft ist Doxycyclin kontraindiziert. Die Koinfektion von Neisseria gonorrhoeae mit Chlamydien ist nicht selten, weshalb eine gleichzeitige Therapie gegen beide Erreger empfohlen wird. Empfohlen wird in diesem Fall die Gabe von Azithromycin beziehungsweise Doxycyclin. Die Expositionsprophylaxe der sexuell übertragenen Chlamydieninfektionen (Serotypen D bis K) ist die wichtigste Massnahme zur Verhütung. Wegen des gehäuften Auf-
tretens bei wechselnden Sexualpartnern
empfiehlt sich die Verwendung von Kon-
domen.
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Quellen: Böni, Roland und Feuz, Mirjam: Geschlechtskrankheiten auf dem Vormarsch (Teil 1). GYNÄKOLOGIE 2002; 1. 21–24. Hebisch, Gundula und Lauper, Urs. (Hrsg.): Dokumentation «Infektionskrankheiten in Geburtshilfe und Gynäkologie, Urologie und Dermatologie». Bericht vom 4. ISIDOG-Weltkongress und 2. ESIDOGEuropäischen Kongress, Marbella 1995. Petzoldt, Detlef und Gross, Gerd (Hrsg.): Diagnostik und Therapie sexuell übertragbarer Krankheiten. Leitlinien 2001 der Deutschen STD-Gesellschaft. Friese, Klaus, Schäfer, Axel, Hof, Herbert: Infektionskrankheiten in Gynäkologie und Geburtshilfe. Heidelberg 2003.
Internet: www.bag.admin.ch www.cdc.gov/std
Bärbel Hirrle
Interessenkonflikte: keine
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