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FOKUS PHARMAKOTHERAPIE
Neuzulassungen 2024
Qdenga®: neue Impfung gegen Dengue-Fieber
Der tetravalente Dengue-Impfstoff Qdenga® wurde von Swissmedic im Juli 2024 zur Prävention von DengueFieber zugelassen. Er basiert auf einem abgeschwächten Dengue-Virus vom Serotyp 2, das als genetisches Gerüst für alle vier Impfstoffviren dient. Dengue zählt zu den häufigsten Ursachen von Fieber bei Reiserückkehrern aus tropischen und subtropischen Regionen. Die Übertragung erfolgt durch infizierte Stechmücken, vor allem durch Aedes aegypti (Gelbfiebermücke) und Aedes albopictus (Asiatische Tigermücke) (1). Schutz vor einer Infektion bieten verschiedene Massnahmen gegen Insektenstiche, wie das Tragen langer Kleidung, die Anwendung von Insektenschutzmitteln (Repellents) und die Nutzung von Moskitonetzen, sowie die Dengue-Fieber-Impfung. Eine Impfung mit Qdenga® ist derzeit nur für Reisende empfohlen, bei denen Hinweise auf eine frühere DengueInfektion vorliegen und die in einer Region mit hoher DengueÜbertragung exponiert sein werden (2).
Wie es wirkt Qdenga® induziert die lokale Replikation und Auslösung von humoralen und zellulären Immunantworten gegen die vier Dengue-Virus-Serotypen. In der plazebokontrollierten PhaseIII-Studie (TIDES) mit über 20 000 Teilnehmern erreichte Qdenga® eine Wirksamkeit von 80,2% gegen Dengue-Fieber nach 12 Monaten und eine Reduktion von durch Dengue-
Fieber bedingten Hospitalisierungen um 90,2% nach 18 Monaten (3,4). Die in klinischen Studien am häufigsten berichteten Impfreaktionen bei Probanden zwischen 4 und 60 Jahren waren Schmerzen an der Injektionsstelle (50%), Kopfschmerzen (35%), Myalgie (31%), Erythem an der Injektionsstelle (27%), Unwohlsein (24%), Asthenie (20%) und Fieber (11%) (5). Diese Nebenwirkungen traten gewöhnlich innerhalb von zwei Tagen nach der Injektion auf, waren leicht bis mittelschwer, von kurzer Dauer (1–3 Tage), waren nach der zweiten Injektion von Qdenga® jedoch weniger häufig als nach der ersten Injektion (5). Qdenga® wird subkutan im Rahmen eines 2-Dosen-Impfschemas im Abstand von drei Monaten verabreicht. Deutlich erhöhte Antikörpertiter wurden bis zu 51 Monate nach der ersten Dosis gemessen (5).
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Referenzen: 1. Paz-Bailey G et al.: Dengue. Lancet. 2024;403(10427):667-682 2. Expertenkommission für Reisemedizin EKRM. https://www.healthytra-
vel.ch/de/get-file?attachment_id=2210&download_file=EKRM_Factsheet_Layperson_DE_Dengue.pdf. Letzter Abruf. 7.1.25 3. Biswal S et al.: Efficacy of a Tetravalent Dengue Vaccine in Healthy Children and Adolescents. N Engl J Med. 2019; 381:2009-2019 4. Tricou V et al.: Long-term efficacy and safety of a tetravalent dengue vaccine (TAK-003): 4.5-year results from a phase 3, randomised, double-blind, placebo-controlled trial. Lancet Glob Health. 2024;12:e257-270 5. Fachinformation Qdenga®. www.swissmedicinfo.ch. Letzter Abruf: 7.1.25
Arexvy®: neue Impfung gegen RSV
Die neue adjuvantierte Impfung gegen das Respiratorische Synzytial-Virus (RSV) besteht aus dem RSVpräfusionalen Protein F (RSVPreF3-Antigen). Sie ist indiziert zur aktiven Immunisierung von Erwachsenen ab 60 Jahren zur Prävention einer durch RSV verursachten Erkrankung der unteren Atemwege (lower respiratory tract disease, LRTD) (1). Die Impfung gegen RSV wird vom Bundesamt für Gesundheitswesen und der Eidgenössischen Impfkommission empfohlen: 1. als ergänzende Impfung für alle Personen ab 75 Jahren, 2. als Risikogruppenimpfung für Personen zwischen 60 und 74 Jahren mit einem erhöhten Risiko für eine schwere RSV-Erkrankung, wie beispielsweise Personen mit chronischen Erkrankungen, gebrechliche Personen und solche, die in Pflegeheimen oder anderen Langzeiteinrichtungen leben, 3. für Personen zwischen 18 und 59 Jahren mit schwerer Immunschwäche. Die RSV-Impfung kann gleichzeitig, vor oder nach der Grippe- und/oder COVID-19-Impfung durchgeführt werden (2,3). Der Impfstoff wird intramuskulär verabreicht (1).
Wie es wirkt Arexvy® induziert funktionelle humorale Immunantworten gegen die RSV-A- und RSV-B-Subtypen sowie antigenspezifische zelluläre Immunantworten, die zum Schutz gegen RSVassoziierte LRTD beitragen. In einer Phase-III-Studie mit 24 960 Teilnehmern reduzierte Arexvy® im Vergleich zu Plazebo das Risiko für eine RSV-assoziierte LRTD um 82,6% signifikant (1) und schwere Krankheitsverläufe um 94,1% (2). Die Wirksamkeit des Impfstoffs gegen RSV-LRTD wurde über den medianen Zeitraum von 6,7 Monaten nachbeobachtet. Gemäss aktuellen Daten hält die Wirksamkeit mindestens zwei Jahre an (2). Nach der ersten Dosis von Arexvy® waren Schmerzen (60,9%) und Müdigkeit (33,6%) die am häufigsten gemeldeten Nebenwirkungen, gefolgt von Myalgien (28,9%), Kopfschmerzen (27,2%) und Arthralgien (18,1%) (2).
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Referenzen: 1. Fachinformation Arexvy®. www.swissmedicinfo.ch. Letzter Abruf: 7.1.25 2. www.infovac.ch. Letzter Abruf: 7.1.25 3. Impfempfehlungen gegen Erkrankungen mit dem Respiratorischen
Synzytial-Virus (RSV). BAG-Bulletin 47 vom 18. Nov. 2024
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FOKUS PHARMAKOTHERAPIE
Prevenar® 20: neue Impfung gegen Pneumokokken
Der adjuvantierte konjugierte Pneumokokken-Impfstoff (PCV) mit 20 Pneumokokken-Kapselpolysacchariden dient der aktiven Immunisierung zur Prävention von invasiven Erkrankungen durch Streptococcus pneumoniae. Die Impfung ist indiziert für Personen ab 65 Jahren (1) und als ergänzende Impfung empfohlen (2). Sie erfolgt intramuskulär mit einer einmaligen Impfdosis (1).
Zur dieser zusätzlichen, altersbasierten Impfempfehlung ist es gekommen, weil ein höheres Alter als unabhängiger Risikofaktor für invasive Pneumokokken-Erkrankungen wie zum Beispiel Bakteriämie oder Meningitis sowie für Pneumokokken-Pneumonien darstellt. Darüber hinaus zeigte sich, dass eine PCV-Impfung bei ≥ 65-Jährigen wirksam gegen diese beiden Entitäten schützt (2).
Der Anteil der durch Pneumokokken bedingten ambulant erworbenen Pneumonien wird bei ≥ 55-Jährigen auf etwa 25% geschätzt. Ein Viertel davon verläuft bakteriämisch. Die grösste Krankheitslast durch Pneumokokken-Erkrankungen betrifft die ≥ 65-Jährigen im Vergleich zu Jüngeren (2). Zudem ist ein Alter ≥ 65 ein unabhängiger Risikofaktor für eine
Pneumokokken-Pneumonie-bedingte Hospitalisation, dies mit längerer Spitalaufenthaltdauer und höherer Mortalität (2). Eine konservative Schätzung geht davon aus, dass 37% der Personen ≥ 65 Jahre mit einer Pneumokokken-Pneumonie hospitalisiert werden müssen.
Wie es wirkt Prevenar® 20 induziert die Bildung von Serumantikörpern und einem immunologischen Gedächtnis gegen die im Impfstoff enthaltenen Serotypen. Der Spiegel der zirkulierenden Antikörper, der mit einem Schutz vor Pneumokokken-Erkrankungen korreliert, ist bei Erwachsenen noch nicht eindeutig definiert.
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Referenzen: 1. Fachinformation Prevenar 20®. www.swissmedicinfo.ch. Letzter Abruf:
7.1.25 2. Pneumokokken-Impfung neu für alle Personen ab dem Alter von 65
Jahren als ergänzende Impfung empfohlen. BAG-Bulletin 4 vom 22. Jan. 2024.
VeozaTM (Fezolinetant): neue Therapie gegen Hitzewallungen
Fezolinetant ist ein Präparat zur Behandlung von schweren postmenopausalen Hitzewallungen bzw. vasomotorischen Symptomen. Bei der Substanz handelt es sich um einen nicht steroidalen und nicht hormonalen Neurokinin(NK)-3-Rezeptorantagonisten. Fezolinetant wird einmal täglich zur selben Zeit und unabhängig von Mahlzeiten eingenommen. Die Halbwertszeit beträgt 9,6 Stunden.
Zu den häufigsten möglichen unerwünschten Wirkungen zählen Diarrhö (3,2%) und Insomnie (3,0%). Fezolinetant ist ein Substrat von CYP1A2 und darf nicht mit Inhibitoren dieses Isoenzyms wie beispielsweise Fluvoxamin kombiniert werden. Das Arzneimittel kann zu Transaminaseerhöhungen führen. Vor der Behandlung sollen die Transaminasen überprüft werden. Bei Patientinnen mit Leberfunktionsstörungen ist die Therapie nicht empfohlen, ebenso wenig bei Patientinnen mit schwerer Nierenfunktionsstörung (eGFR < 30 ml/min/1,73 m2).
Wie es wirkt Fezolinetant blockiert die Bindung von Neurokinin B (NKB) an das Kisspeptin/Neurokinin B/Dynorphin(KNDy)-Neuron und moduliert so die neuronale Aktivität im thermoregulatorischen Zentrum im Hypothalamus. Das thermoregulatorische Zentrum des Hypothalamus wird von KNDy-Neuronen innerviert. Diese werden durch Östrogene gehemmt und durch das Neuropeptid NKB stimuliert. Durch abnehmende Östrogen-
spiegel in den Wechseljahren wird dieses Gleichgewicht gestört. Überdies erhöht die NKB-Signalübertragung die Aktivität der KNDy-Neuronen, was zu Hypertrophie dieser KNDy-Neuronen und einer veränderten Aktivität des thermoregulatorischen Zentrums führt. In der Folge kommt es zu vasomotorischen Symptomen bzw. Hitzewallungen. Fezolinetant stellt das gestörte Gleichgewicht im thermoregulatorischen Zentrum wieder her, was Anzahl und Schwergrad der vasomotorischen Symptome reduziert. In zwei doppelblind randomisierten und plazebokontrollierten Phase-III-Studien mit gesamthaft 1022 postmenopausalen Frauen mit mindestens 7–8 mittelschweren bis schweren Hitzewallungen pro Tag zeigte Fezolinetant nach einer Therapiedauer von vier und zwölf Wochen eine signifikante Überlegenheit gegenüber Plazebo. Die tägliche Zahl der Hitzewallungen verringerte sich unter Fezolinetant um 6,9 versus 4,4 unter Plazebo, ebenso der Schweregrad. Bereits während der ersten Behandlungswoche kam es zu einer klinisch relevanten Abnahme von Anzahl und Schwere der moderaten bis schweren vasomotorischen Symptome. Die Wirksamkeit blieb über die gesamte 52-wöchige Behandlungsdauer aufrechterhalten.
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Referenz: Fachinformation Veoza®. www.swissmedicinfo.ch. Letzter Abruf: 8.1.25
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Aquipta® (Atogepant): neues Migränemedikament
Atogepant ist ein Wirkstoff aus der Gruppe der CGRP(Calcitonin Gene-Related Peptide)-Rezeptorantagonisten und ist zur prophylaktischen Behandlung der Migräne indiziert. Die Wirkung beruht auf der Antagonisierung der Effekte des Neuropeptids CGRP, das bei der Auslösung der Anfälle eine wichtige Rolle spielt. CGRP ist ein Vasodilatator und an der Schmerzauslösung wie auch an der neurogenen Entzündung mitbeteiligt. Bei einem Migräneanfall sind die CGRP-Werte erhöht. Umgekehrt lassen sich durch intravenöse Applikation von CGRP bei Migränepatienten Anfälle provozieren.
Die Tabletten werden einmal täglich unabhängig von den Mahlzeiten eingenommen. Zu den häufigsten möglichen unerwünschten Wirkungen gehören Übelkeit, Verstopfung und Müdigkeit. Atogepant wird hauptsächlich über den Stoffwechsel eliminiert, vor allem durch CYP3A4. Atogepant wird bei Patienten mit stark eingeschränkter Leberfunktion nicht empfohlen.
Wie es wirkt Atogepant hat vorbeugende Eigenschaften gegen Migräne und reduziert die monatlichen Migränetage. In Phase-IIIStudien verringerte Atogepant 60 mg signifikant die Anzahl monatlicher Migräne- und Kopfschmerztage um 4,1 bzw. 4,2 Tage (Plazebo: 2,5 Tage) bei Patienten mit episodischer Migräne (ADVANCE-Studie) und um 6,8 bzw. 6,9 Tage (vs. Plazebo: 5,1 bzw. 5,2) bei Patienten mit chronischer Migräne (PROGRESS-Studie). Zudem benötigten die Patienten unter Atogepant signifikant weniger Akutmedikamente.
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Referenz: Fachinformation Aquipta®. www.swissmedicinfo.ch. Letzter Abruf: 8.1.25
Levocalm® Sirup (Levodropropizin): neues Antitussivum
Levodropropizin ist ein nicht opioider antitussiver und bronchospasmolytischer Wirkstoff zur symptomatischen Therapie von nicht produktivem Husten bei Erwachsenen, Jugendlichen und Kindern ab zwei Jahren. Levodropropizin wird bis zu dreimal täglich im Abstand von sechs Stunden und zwischen den Mahlzeiten eingenommen (Erwachsene und Jugendliche: 3 × 10 ml, Kinder: 0,5 ml/kg Körpergewicht pro Tag aufgeteilt in drei Dosen). Bei starker Einschränkung von Nieren- (Kreatininclearance < 35 ml/min) und Leberfunktion ist die Einnahme kontraindiziert.
Wie es wirkt Die antitussiven Effekte werden auf das periphere Einwirken auf den Tracheobronchialbaum zurückgeführt. Levodropropi-
zin wirkt auf das bronchopulmonale System, indem es den durch Histamin, Serotonin und Bradykinin ausgelösten Bronchospasmus hemmt. Die antitussive Aktivität von Levodropropizin wird auf die hemmende Wirkung auf C-Fasern sowie die verminderte Freisetzung von Neuropetiden aus den C-Fasern zurückgeführt. Unerwünschte Wirkungen sind selten und meist nicht schwerwiegend. Levodropropizin kann unter anderem zu Schläfrigkeit führen. Die Halbwertszeit ist kurz und beträgt 1–2 Stunden.
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Referenz: Fachinformation Levocalm® Sirup. www.swissmedicinfo.ch. Letzter Abruf: 8.1.25
Ebglyss® (Lebrikizumab): neuer Antikörper gegen atopische Dermatitis
Lebrikizumab ist ein immunmodulierender und entzündungshemmender monoklonaler Antikörper und ist indiziert zur Behandlung von mittelschwerer bis schwerer atopischer Dermatitis bei Patienten ab zwölf Jahren mit einem Körpergewicht von mindestens 40 kg.
Die Initialdosis beträgt zwei 250-mg-Injektionen subkutan jeweils in Woche 0 und 2, dann 250 mg alle zwei Wochen. Bei klinischem Ansprechen kann auf eine Erhaltungstherapie mit 250 mg alle vier Wochen umgestellt werden. Zu den häufigsten Nebenwirkungen zählen eine Konjunktivitis (6,9%), Reaktionen an der Injektionsstelle (2,6%) und trockene Augen (1,4%). Eine Kombination mit Lebendimpfstoffen wird nicht empfohlen.
Wie es wirkt Die Wirkung von Lebrikizumab beruht auf der Hemmung des Signalwegs des Zytokins Interleukin(IL)-13, was zur Inhibition der nachgelagerten Wirkungen von IL-13 führt. In drei Studien mit gesamthaft 1062 Patienten zeigte der IL-13Hemmer als Monotherapie oder mit begleitenden topischen Kortikosteroiden gegenüber Plazebo signifikant bessere Ergebnisse hinsichtlich der Endpunkte «erscheinungsfrei» oder «fast erscheinungsfrei», «Eczema Area and Severity Index» (EASI) und der Pruritusreduktion.
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Referenz: Fachinformation Ebglyss®. www.swissmedicinfo.ch. Letzter Abruf: 8.1.25
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