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STUDIE REFERIERT
Diabetes und CKD
Kann Semaglutid die Risiken senken?
In einer aktuellen Studie wurden die Wirksamkeit und die Sicherheit einer 1-mal wöchentlichen s.c. Therapie mit dem GLP-1-Rezeptor-Agonisten Semaglutid bei Patienten mit Diabetes und chronischer Nierenerkrankung auf den Prüfstand gestellt. Die Ergebnisse sind vielversprechend.
NEJM
Patienten mit chronischer Nierenerkrankung (chronic kidney disease, CKD) tragen ein hohes Risiko für Nierenversagen, kardiovaskuläre (CV) Ereignisse und Tod. Häufigste Ursache einer CKD ist Diabetes mellitus Typ 2 (DMT2). Trotz einer erwiesenermassen nierenprotektiven und daher von den Leitlinien empfohlenen Therapie mit RAAS(Renin-Angiotensin-AldosteronSystem)-Hemmern, SGLT2(sodiumglucose linked transporter 2)-Inhibitoren oder Finerenon erleiden nicht wenige Patienten im weiteren Verlauf dennoch einen Nierenfunktionsverlust bis hin zum Nierenversagen oder versterben gar, meist an einer CV-Ursache. Eine weitere bei DMT2 wegen ihrer positiven Effekte auf Blutzuckerkontrolle, Gewicht und CV-System breit eingesetzte Wirkstoffklasse sind GLP (glucagon-like peptide)-1-RezeptorAgonisten (GLP-1-RA). Bis anhin fehlten allerdings Studien, die gezielt die Wirkung von GLP-1-RA hinsichtlich klinisch relevanter renaler Endpunkte wie etwa Nierenversagen oder wesentlicher Rückgang der geschätzten glomerulären Filtrationsrate (eGFR) untersucht hätten, obwohl sich ein entsprechender Nutzen dieser Substanzen in sekundären oder Post-hoc-Analysen bereits angedeutet hatte. Ziel der kürzlich publizierten internationalen doppelblinden, randomisierten, plazebokontrollierten FLOW-Studie war es daher zu untersuchen, ob sich bei DMT2-Patienten (Hämoglobin A1c [HbA1c] ≤ 10%) mit CKD, welche zuvor mit RAAS-Hemmern (ACE[angiotensin-converting enzyme]-Hemmer, Angiotensinrezeptorblocker) behandelt worden waren, die oben genannten renalen und CV-Risiken durch eine Therapie mit dem GLP-1-RA Semaglutid reduzieren lassen und wie dessen Sicherheitsprofil aussieht. Das Vorliegen
einer CKD bei diesen Patienten war dabei definiert als eine eGFR von 25–75 ml/min/1,73 m2 und eine Urin-Albumin-Kreatinin-Ratio (UACR) von >300 mg/<5000 g (bei eGFR ≥ 50 ml/min/1,73 m2) beziehungsweise von >100 mg/< 5000 g (bei eGFR von 25 bis < 50 ml/min/1,73 m2). Die insgesamt 3533 in die Analyse eingeschlossenen Patienten (mittleres Alter: 66,6 Jahre, 30,3% Frauen) aus insgesamt 387 Standorten in 28 Ländern wurden im Verhältnis 1:1 entweder einer 1-mal wöchentlichen Gabe von 1 m g Semaglutid s.c. oder Plazebo zugewiesen und im Durchschnitt für 3,4 Jahre nachbeobachtet. Als zusammengesetzter primärer Endpunkt wurde das Auftreten von schweren Ereignissen einer Nierenerkrankung wie etwa Nierenversagen (Beginn einer Langzeitdialyse, Nierentransplantation oder Rückgang der eGFR auf < 15 ml/min/1,73 m2), anhaltender mindestens 50-prozentiger Rückgang der eGFR gegenüber Baseline oder Tod aufgrund einer nierenassoziierten oder CV-Ursache festgelegt. Sekundäre Endpunkte umfassten nach hierarchischer Testung unter anderem den Gesamt-eGFR-Slope (jährliche Rate der eGFR-Veränderung von Beginn bis Ende der Studie), schwerwiegende CV-Ereignisse und Tod jedweder Ursache. Weniger renale und Herz-Kreislauf-Events unter Semaglutid Wie die Analyse der Daten ergab, war das relative Risiko für das Auftreten eines primären Endpunktereignisses in der mit Semaglutid behandelten Gruppe im Vergleich zur Plazebogruppe deutlich geringer (–24% [331 vs. 410 Ereignisse]; Hazard Ratio [HR]: 0,76; 95%-Konfidenzintervall [KI]: 0,66–0,88; p = 0,0003). Der Vorteil für Semaglutid bestätigte sich bei der gemeinsamen Auswertung der nierenspezifischen Komponenten des primären Outcome (HR: 0,79; 95%-KI: 0,66–0,94) wie auch hinsichtlich des Versterbens auf- grund von CV-Ursachen (HR: 0,71; 95%-KI: 0,56–0,89). Die Analysen der sekundären Endpunkte fielen ebenfalls zugunsten der Semaglutidtherapie aus (eGFR-Slope weniger steil [langsamerer Rückgang]: –2,19 vs. –3,36 ml/min/ 1,73 m2; seltener schwere CV-Ereig- nisse: 212 vs. 254 [–18%]; weniger To- desfälle jedweder Ursache: 227 vs. 279 [–20%]). Auch hinsichtlich Sicherheits- aspekten waren die mit Semaglutid be- handelten Patienten im Vorteil: Unter ihnen kam es bei einem geringeren Anteil (49,6%) zu schweren unerwünschten Ereignissen als unter den Teilnehmern, die Plazebo erhalten hatten (53,8%). Die Autoren räumen ein, dass ihre Studie weder dafür ausgelegt gewesen sei, mög- liche renoprotektive Effekte einer Kombi- nationstherapie mit SGLT2-Inhibitoren oder Mineralokortikoidrezeptorantago- nisten zu untersuchen, noch entsprechend gepowert gewesen sei, ethnisch bedingte Unterschiede der Wirksamkeit von Se- maglutid zu detektieren, da die Stich- probe sich überwiegend aus Angehörigen der weissen Rasse rekrutiert habe, jedoch relativ mehr farbige und indigene Men- schen von CKD betroffen seien. Die un- tersuchten klinisch relevanten Parameter, die grosse Stichprobe und das stringente Design sowie die aus den Ergebnissen ab- leitbaren eindeutigen Schlussfolgerungen zur Nutzen-Risiko-Bewertung sind ihrer Ansicht nach aber wichtige Stärken ihrer Untersuchung. RABE s Perkovic V et al.; for the FLOW Trial Committees and Investigators: Effects of Semaglutide on Chronic Kidney Disease in Patients with Type 2 Diabetes. N Engl J Med. 2024;391(2):109-121. Interessenlage: Die Autoren der referierten, von NovoNordisk finanzierten Studie, deklarieren verschiedene (finanzielle) Beziehungen zu diversen Pharmaunternehmen. ARS MEDICI 18 | 2024 429