Transkript
Leserbrief
Nur Panikmache?
Zum Artikel «Die juristische Perspektive: Wann hat der Hausarzt Feierabend?» in der Ausgabe 24/2023, Seite 692, hat uns ein Leserbrief erreicht:
Sehr geehrte Redaktion Den Artikel erlebe ich als Panikmache. Sie fokussieren auf die Garantenpflicht und klammern die für uns Hausärzte entscheidende Frage aus, ab wann wir uns denn nun beim Weiterweisen auf den Notfalldienst strafbar machen. Diese Frage ist aber für uns die einzig entscheidende. Sich auf die Garantenpflicht zu fokussieren und daraus abzuleiten, dass man erst Feierabend machen darf, wenn die «beruflichen» Pflichten erfüllt sind, hilft mir überhaupt nicht, wenn ich das nächste Mal ein Telefon abnehme und triagieren muss. Wichtig ist die Frage, ob ich mich mit dem Verweis
auf den Notfalldienst strafbar machen kann. Ich sehe mich als einen Teil des «Rettungswesens» und nicht als Einzelfigur. Notfalldienst kann gar nicht allein bewältigt werden. Mit diesem Artikel schüren Sie das schlechte Gewissen, das dann zu Burnouts führt und dazu, dass wohl kein junger Arzt mehr in einer Hausarztpraxis arbeiten will. Die Tendenz von Angehörigen, die Verantwortung für ihre Liebsten auf das Gesundheitswesen abzuschieben, hat Hochkonjunktur. Wichtig ist es für junge Ärzte zu wissen, dass sie davor geschützt sind, wenn sie auf den öffentlich zugänglichen Notfalldienst verweisen. Dies scheint mir dann der Fall zu sein, wenn es nicht unmittelbar nach dem Kontakt zum Todesfall kommt, sondern Tage danach. Wichtig ist vor allem die Frage, ob die Handlungsfähigkeit und Urteilsfähigkeit des Hilfesuchenden gegeben ist.
Stellungnahme von Dr. Beat Schmidli: Es geht beim von Ihnen kritisierten Artikel keinesfalls darum, bei jungen Ärzten ein schlechtes Gewissen zu schüren. Im Gegenteil: Die Idee hinter
diesen Artikeln ist, sowohl jüngere als auch gestandene Mediziner dafür zu sensibilisieren, dass sie ihren Beruf nicht in einem rechtsfreien Raum ausüben und dass es sich lohnt, sich immer wieder einmal mit rechtlichen Fragen auseinanderzusetzen, um rechtlich heikle Situationen als solche zu erkennen und entsprechend geeignete Massnahmen ergreifen zu können. Seien dies beispielsweise Fragen im Zusammenhang mit dem Arztgeheimnis, seien es Haftungsfragen oder seien es andere rechtliche Fragen, die sich dem Arzt im Rahmen seiner Tätigkeit stellen können. Auf Ihre Frage, ob sich ein Arzt mit dem Verweisen auf den Notfalldienst strafbar machen kann und ab wann dieses Weiterverweisen auf den Notfalldienst tatsächlich zu einer Strafbarkeit führt, gibt es keine einzig richtige Antwort. Zu viele Faktoren spielen eine Rolle, als dass man hier einfache Antworten geben könnte. Immerhin ist aber wohl davon auszugehen, dass entsprechende Strafverfahren nur sehr selten geführt werden und dass für eine Verurteilung jedenfalls eine ganze Reihe weiterer Kriterien erfüllt sein muss.
ARS MEDICI 1+2 | 2024
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