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Titel
Orthopädie – Bessere Kriterien zur Operationsindikation sind notwendig
Untertitel
Dr. med. Luzi Dubs Facharzt für Orthopädische Chirurgie und Traumatologie des Bewegungsapparates FMH Winterthur
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Rubrik
Rückblick 2022 / Ausblick 2023
Artikel-ID
62530
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RÜCKBLICK 2022/AUSBLICK 2023

Orthopädie
Dr. med. Luzi Dubs Facharzt für Orthopädische Chirurgie und Traumatologie des Bewegungsapparates FMH Winterthur
Bessere Kriterien zur Operationsindikation sind notwendig
Worüber haben Sie sich im vergangenen Jahr besonders gefreut?
Dass ich einerseits seit der Pensionierung und der Praxisübergabe von diversen Zwängen in der Berufsausübung befreit bin, andererseits durch die versicherungsmedizinische Beratertätigkeit meine Berufserfahrung weiterhin einbringen kann.
Und worüber haben Sie sich geärgert?
Es ist bedauerlich, dass die Versicherungsmedizin in der Schweiz im Jahr 2022 speziell im UVG-Bereich bedenklich an Bedeutung verloren hat. Mehrere ärztliche Schlüsselpositionen wurden abgeschafft.
Seit wann besuchen Sie Kongresse und Fortbildungsveranstaltungen wieder vor Ort, und wie haben Sie sich zu Beginn dabei gefühlt?
Seit Frühjahr 2022. Man hat dabei naturgemäss vermehrt wahrgenommen, dass man seit dem letzten Kontakt älter geworden ist.
Oder bevorzugen Sie mittlerweile Onlineveranstaltungen?
Höchstens als Ergänzung, aber nicht als Ersatz.
Welche neuen Erkenntnisse und Erfahrungen des letzten Jahres waren für Ihr Fachgebiet besonders spannend?
Ich habe mich in letzter Zeit mehr auf die Auswertung von wissenschaftlichen Arbeiten fokussiert, die im Studiendesign einer randomisierten, kontrollierten Studie (RCT) operative mit konservativen Behandlungen verglichen haben. Eine RCT

kann und muss dann gemacht werden, wenn die erwarteten Ergebnisunterschiede klein sind. Ein Beispiel ist der Vergleich zwischen den Resultaten der konservativen und der operativen Behandlung von Patienten mit einer transmuralen Schädigung der Rotatorenmanschette der Schulter. Hier stellte sich heraus, dass die Resultate innerhalb von 5 Jahren in der Intention-to-treat-Analyse gleichwertig waren. Nach der Randomisierung hatten 24 Prozent der konservativ Behandelten die Gruppe gewechselt (Crossover-Rate). Man darf also davon ausgehen, dass in der operativen Gruppe, deren Patientenzusammensetzung aufgrund der Gruppenzuteilung nach dem Zufallsprinzip statistisch ja derjenigen der konservativen Gruppe entsprach, ebenfalls nur 24 Prozent einer Operation bedurft hätten. 76 Prozent der Patienten waren demnach unnötig operiert worden. Derartige Beispiele gibt es offensichtlich noch viele.

Welche neuen Erkenntnisse könnten Diagnose und Therapie in der Hausarztpraxis künftig verändern?
Solcherlei Studienaussagen wie beim oben genannten Beispiel
müssen viel konsequenter diskutiert und umgesetzt werden.
Die heutigen Anreize zum attraktiv bezahlten Interventionis-
mus werden die Leistungserbringer jedoch kaum dazu moti-
vieren, derartige Absichten zu unterstützen. Wünschbar wäre
zum Beispiel die Installation einer Art von «EbM-Board»,
verbunden mit dem Auftrag, durch die methodische Expertise
bessere Kriterien für eine Operationsindikation auszuarbei-
ten.

Haben Sie den Eindruck, dass sich die Impfbereit-

schaft in der Bevölkerung mit der Coronavirus-

pandemie verändert hat?

Ja, zumindest am Ende des Jahres 2022. Die Diskussionen um

die Limiten der Auswirkungen von Impfungen sind jetzt sach-

licher geworden. Generell haben Impfungen aus meiner Sicht

eine Virulenz in der Regel nicht ausrotten können, sondern

bestenfalls die Bevölkerung zu einem gewissen Grad ge-

schützt, zumindest temporär. Dass man die Bevölkerung mit

hohem Druck dazu bewegen wollte, sich gegen COVID-19

impfen zu lassen, kann für die Initialphase der Pandemie wohl

nachvollzogen werden, die getroffenen Entscheidungen aus

Sicht der Studieninterpretation jedoch eher weniger. Eine

skeptische Haltung innerhalb von Bevölkerungsgruppen

muss aus meiner Sicht ernst genommen werden.

s

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