Transkript
STUDIE REFERIERT
Morbus-Crohn-Therapie
Biologika und «small molecules» im Vergleich
Die medikamentösen Behandlungsoptionen bei Morbus Crohn haben sich den letzten Jahren mit der Zulassung diverser biologischer Therapeutika erweitert. Im Rahmen einer Netzwerkmetaanalyse wurden diese Substanzen nun hinsichtlich ihrer Wirksamkeit und Sicherheit miteinander verglichen.
Gut
Um bei Morbus Crohn (MC) die Notwendigkeit einer antientzündlichen Therapie mit Kortikosteroiden zu reduzieren, werden häufig immunmodulatorische Substanzen eingesetzt. Klassischerweise kamen hier Medikamente wie etwa Azathioprin oder Methotrexat zum Zug, obwohl deren Effektivität begrenzt ist. Seit der Einführung des Tumornekrosefaktor-(TNF-)α-Antikörpers Infliximab (INF) um die Jahrtausendwende ist eine ganze Reihe weiterer Biologika und sogenannter «small molecules» zur MC-Therapie entwickelt und zugelassen worden, welche bereits im Rahmen von Netzwerkmetaanalysen hinsichtlich ihrer Wirksamkeit und Sicherheit miteinander verglichen wurden. Dabei erwiesen sich durchweg TNF-α-Hemmer wie INF oder Adalimumab (ADA) bei sämtlichen Patienten als am wirkungsvollsten, auch bei solchen, die zuvor schon einmal TNF-α-Blocker erhalten hatten. Da in jüngster Zeit neue randomisierte, kontrollierte Studien (RCT) mit zahlreichen weiteren dieser modernen Substanzen publiziert worden sind, war es das Ziel einer aktuellen Netzwerkmetaanalyse, vergleichende Effektivitäts- und Sicherheitsdaten zu liefern. Zu diesem Zweck wurden die einschlägigen Literaturdatenbanken und Studienregister nach RCT zu biologischen MC-Therapien wie TNF-α- (INF, ADA, Certolizumab), Integrin- (Vedolizumab [VED], Etrolizumab), Interleukin-[IL-] 12/13- (Ustekimumab) beziehungsweise IL-23-Antikörpern (Risankizumab [RIS]) oder Januskinase-(JAK-) Inhibitoren (Tofacitinib, Filgotinib, Upadacitinib [UPA]) gescreent, in welchen diese Wirkstoffe bei erwachsenen MC-Patienten miteinander oder mit Plazebo verglichen wurden. Geeignete RCT mit Ziel Remissionsinduktion wiesen eine Follow-up-Mindestdauer von 4 Wochen, solche mit Ziel Remissions-
erhalt eine Follow-up-Mindestdauer von 20 Wochen auf. Neben den Parametern Remissionsinduktion beziehungsweise -erhalt wurden die Literaturdaten hinsichtlich des klinischen Ansprechens der untersuchten Substanzen sowie unter gesonderter Berücksichtigung eines bei den Patienten bereits zuvor erfolgten oder nicht erfolgten Einsatzes von Biologika beurteilt. Insgesamt erfüllten 25 (Remissionsinduktion; n = 8720) respektive 15 RCT (Remissionserhalt; n = 4016) die vordefinierten Kriterien für den Einschluss in die Analyse. In Ersteren wurde die Wirksamkeit der Biologika beziehungsweise der «small molecules» bezüglich des Erreichens einer klinischen Remission (definiert als CDAI [Crohn’s Disease Activity Index] < 150) respektive eines klinischen Ansprechens (Absenkung des CDAI um ≥ 70) zum Zeitpunkt herangezogen, an dem der primäre Endpunkt in den einzelnen RCT jeweils bewertet worden war. In den RCT zum Remissionserhalt erfolgte die Effektivitätsanalyse anhand des Wiederauftretens von Krankheitsaktivität (CDAI ≥ 150) bis zum Ende der jeweiligen Follow-up-Dauer. Des Weiteren wurden die in den RCT ermittelten Daten zu unerwünschten Wirkungen analysiert. INF, RIS und UPA liegen vorn Im Wirksamkeitsvergleich der einzelnen Substanzen über sämtliche Patienten konnte INF 5 mg/kg hinsichtlich einer Remissionsinduktion den ersten Platz belegen (relatives Risiko [RR] für das Erreichen einer klinischen Remission: 0,67; 95%-Konfidenzintervall [KI]: 0,56–0,79). Wurden allerdings nur Subpopulationen von bis anhin biologikanaiven Patienten oder solchen herangezogen, die sämtlich bereits zuvor mit Biologika behandelt worden waren, zeigte sich RIS 600 mg am effek- tivsten (RR: 0,66; 95%-KI: 0,52–0,85 resp. RR: 0,74; 95%-KI: 0,67–0,82). INF 5 mg/kg hatte auch in puncto kli- nisches Ansprechen über alle Patienten die Nase vorn (RR für fehlendes klini- sches Ansprechen: 0,54; 95%-KI: 0,41– 0,70), doch bei wiederum gesonderter Auswertung von zuvor biologikanaiven Patienten oder aber solchen, die bereits eine Biologikatherapie erhalten hatten, konnte sich auch hier RIS, und zwar in der Dosierung 1200 mg, an die Spitze setzen (RR: 0,51; 95%-KI: 0,37–0,71 resp. RR: 0,58; 95%-KI: 0,48–0,69). Bezüglich Remissionserhalt erwies sich insgesamt UPA 30 mg 1-mal/Tag am wirksamsten (RR für Wiederauftreten von Krankheitsaktivität: 0,61; 95%-KI: 0,52–0,72), bei biologikanaiven Patien- ten war es ADA 40 mg/Woche (RR: 0,59; 95%-KI: 0,48–0,73) und bei zu- vor mit Biologika behandelten Patien- ten VED 108 mg 2-wöchentlich s.c. (RR: 0,70; 95%-KI: 0,57–0,86). Für keine der untersuchten Substanzen er- gab die Analyse der RCT mit Endpunkt Remissionsinduktion wie auch derjeni- gen mit Endpunkt Remissionserhalt eine gegenüber Plazebo höhere Wahr- scheinlichkeit für das Auftreten uner- wünschter Ereignisse. Die Ergebnisse ihrer Metaanalyse könnten künftig dabei helfen, bei Pa- tienten mit moderatem bis schwerem MC Therapieentscheidungen hinsicht- lich Remissionsinduktion beziehungs- weise Senkung der Rückfallwahr- scheinlichkeit zu erleichtern, schluss- folgern die Autoren. RABE s Quelle: Barberio B et al.: Efficacy of biological therapies and small molecules in induction and maintenance of remission in luminal Crohn̕s disease: systematic review and network meta-analysis. Gut. 2022 Jul 30:gutjnl-2022-328052. Interessenlage: Die Autoren der Netzwerkmetaanalyse deklarieren keinerlei Interessenkonflikte. 712 ARS MEDICI 23 | 2022