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STUDIE REFERIERT
SGLT2-Hemmer bei Herzinsuffizienz
Auch Patienten ohne Diabetes profitieren
Mit den SGLT2-Hemmern stehen seit einigen Jahren wirksame Diabetesmedikamente zur Verfügung, die gleichzeitig Herz-Kreislauf- und Nierenerkrankungen positiv beeinflussen. Gemäss einer aktuellen Metaanalyse zeigt sich zumindest der kardiovaskuläre Nutzen auch bei Patienten ohne Diabetes.
Annals of Internal Medicine
Ein grosser Anteil an Behinderung, Morbidität und Mortalität weltweit geht auf das Konto der Herzinsuffizienz (HI), von der rund um den Globus etwa 64 Millionen Menschen betroffen sind. Viele Patienten erhalten lange keine Diagnose beziehungsweise keine optimale Therapie, bis sie mit Exazerbationen ins Spital kommen. Vor allem im ersten Jahr danach ist bei ihnen das Risiko, wegen HI erneut ins Krankenhaus zu müssen oder gar zu versterben, doppelt so hoch wie bei Patienten, bei denen die Herzschwäche bereits früh und ambulant diagnostiziert wurde. In grossen randomisierten, kontrollierten Studien (randomized controlled trials, RCT) mit SGLT2-Inhibitoren (SGLT2: sodium-glucose linked transporter 2) und Analysen entsprechender systematischer Reviews hat sich gezeigt, dass die Vertreter dieser relativ neuen Klasse antidiabetischer Medikamente bei Patienten mit Diabetes günstige Effekte auf kardiovaskuläre (CV) oder renale Begleiterkrankungen ausüben. So konnte das Risiko für HI-bedingte Hospitalisationen und Todesfälle bei Diabetespatienten, die SGLT2-Hemmer erhielten, deutlich reduziert werden. Aus jüngsten Untersuchungen bestehen nunmehr Hinweise, dass dieser Nutzen der SGLT2-Hemmer auch bei Patienten ohne Diabetes, aber mit HI mit erhaltener (heart failure with preserved ejection fraction, HFpEF) wie auch mit reduzierter Auswurffraktion (heart failure with reduced ejection fraction, HFrEF) zum Tragen kommen könnte. Vor diesem Hintergrund hat sich eine internationale Forschergruppe das Ziel gesteckt, im Rahmen eines systematischen Reviews mit Metaanalyse die bis anhin vorliegende Evidenz zu relativen (HFpEF vs. HFrEF, Diabetes vs. kein Diabetes) und absoluten Effekten von
SGLT2-Hemmern auf Tod, Hospitalisierung und Nierenversagen sowie deren potenziellen Schaden auszuwerten, wenn diese Medikamente bei HI-Patienten eingesetzt werden, und zwar unabhängig davon, ob diese gleichzeitig an Diabetes leiden oder nicht. Dabei sollten zudem eventuelle Unterschiede in der Wirksamkeit der SGLT2-Hemmer eruiert werden, die mit dem zu Baseline bereits bestehenden Risiko sowie mit der Behandlungsdauer korrelieren.
Weniger HI-bedingte Hospitalisierungen unter SGLT2-Hemmern
Über eine umfangreiche Literaturdatenbankrecherche (Pubmed, Web of Science, Cochrane Library, Embase) und eine Sondierung derzeit laufender einschlägiger Studien (ClinicalTrials. gov) sowie nach Abgleich mit vordefinierten Auswahlkriterien konnten schliesslich 8 geeignete RCT mit insgesamt 15 022 an HI leidenden, mit SGLT2Hemmern (Dapagliflozin, Empagliflozin, Canagliflozin) behandelten und für wenigstens 24 Monate nachbeobachteten Patienten, welche mindestens 1 klinischen Endpunkt von Interesse (HI-bedingte Hospitalisierung, Nierenversagen oder Tod jedweder Ursache) aufwiesen, für die Datenanalyse herausgefiltert werden. Die HI-bedingte Hospitalisierungsrate konnte durch die Gabe von SGLT2Hemmern nach 6 Monaten Follow-up um 37 Prozent (95%-Konfidenzintervall [KI]: 25–47%), nach 1 Jahr um 32 Prozent (95%-KI: 20–42%) und nach 2 Jahren um 26 Prozent (95%-KI: 10–40%) reduziert werden. Die Rate CV-bedingter Todesfälle war unter SGLT2-Hemmern nach 1 Jahr um 14 Prozent (95%-KI: 1–25%) gesunken. Dabei zeigten sich für Patienten mit oder ohne Diabetes beziehungs-
weise für solche mit HFpEF oder HFrEF
keine statistisch signifikanten Unter-
schiede bezüglich des Nutzens der
SGLT2-Hemmer-Therapie. Der abso-
lute Nutzen der SGLT2-Hemmer war
für diejenigen Patienten grösser, welche
bereits im ersten Jahr nach Diagnose
damit behandelt wurden oder welche
eine schlechtere Prognose aufwiesen
(im Spital neu diagnostizierte HI). An
unerwünschten Wirkungen der SGLT2-
Hemmer musste, in Übereinstimmung
mit anderen Untersuchungen, ein im
Vergleich mit der unbehandelten Kont-
rollpopulation verdoppeltes Risiko (re-
latives Risiko [RR]: 2,69; 95%-KI:
1,61–4,52) für Genitalinfektionen
konstatiert werden. Ein Effekt auf
HI-Symptome sowie ein Schutz vor Tod
jedweder Ursache, vor einem Voran-
schreiten einer Nierenerkrankung oder
vor Nierenversagen ergaben sich aller-
dings unter SGLT2-Hemmer-Behand-
lung nicht. Diesbezüglich müssen nach
Einschätzung der Reviewautoren zu-
künftige Studien abgewartet werden,
welche zusätzlich Langzeiteffekte der
SGLT2-Hemmer beziehungsweise de-
ren fortgesetzte Gabe versus einen The-
rapieabbruch nach 1 Jahr in den Blick
nehmen sollten. Bis dahin ist der Start
einer solchen Therapie bei HI-Patienten
nicht nur hinsichtlich des möglichen
Nutzens, sondern auch unter Berück-
sichtigung der jeweils bestehenden
Patientenbedürfnisse und -präferenzen
individuell abzuwägen.
RABE s
Zou X et al.: Sodium-glucose cotransporter-2 inhibitors in patients with heart failure. Ann Intern Med. 2022;175:851-861.
Interessenlage: Ein Teil der Autoren der referierten Studie gibt an, Forschungsunterstützung, Vortrags- und/oder Beraterhonorare von diversen Pharmafirmen erhalten zu haben.
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ARS MEDICI 18 | 2022