Transkript
MEDIEN, MODEN, MEDIZIN
Schilddrüsenknoten
Seltener maligne als angenommen
Die Frage, wie häufig hinter einem Schilddrüsenknoten ein Tumor steckt, wird in der Literatur recht unterschiedlich beantwortet. Die Angaben reichen von 5 bis 15 Prozent. Tatsächlich scheint die Rate in der Allgemeinbevölkerung wesentlich niedriger zu sein. Das ergab eine Studie der Endokrinologen Prof. Martin Grußendorf, Universitätsklinikum Düsseldorf, Prof. Georg Brabant, University of Manchester, und der Pathologin Dr. Ilka Ruschenburg, Zentrum für Zytologie und Pathologie, Einbeck. Sie haben retrospektiv die Daten von 17 592 Patienten ausgewertet, die von 1989 bis 2013 in primären oder sekundären endokrinologischen Zentren behandelt wurden, weil bei ihnen Schilddrüsenknoten mit einem Durchmesser von > 1 cm entdeckt worden waren. Im ersten Jahr nach der Vorstellung in einem der Zentren wurde bei 155 von ihnen ein Schilddrüsenmalignom histologisch nachgewiesen. Nach 2 bis 5 Jah-
ren kamen weitere 25 hinzu, in den Jahren 6 bis 10 wurde bei 9 zusätzlichen Patienten ein Schilddrüsenmalignom diagnostiziert, danach fanden sich keine weiteren Fälle. Insgesamt betrug die Malignomrate bei diesem Patientenkollektiv 1,1 Prozent innert 23 Jahren. Zufällig entdeckte papilläre Mikrokarzinome wurden nicht mitgezählt. Diese deutlich niedrigere Rate an Schilddrüsenkarzinomen bei Patienten mit Schilddrüsenknoten im Vergleich mit den Literaturangaben führen die Autoren auf mehrere Gründe zurück: Zum einen fehlten in der Literatur bisher Angaben, ob sich die Malignomraten jeweils auf alle Patienten mit sonografisch nachgewiesenen Schilddrüsenknoten > 1 cm oder nur auf die punktierten oder die operierten Patienten bezögen. Zum anderen sei in allen bisherigen Publikationen unklar, ob Zufallsbefunde (papilläre Mikrokarzinome) mitgezählt würden oder nicht. Darüber hinaus unterschieden sich die
untersuchten Patientenkollektive er-
heblich. So gut wie alle bisherigen Pu-
blikationen zur Malignomrate bei
Schilddrüsenknoten stammten aus ter-
tiären, meist universitären, hoch spezia-
lisierten Zentren mit Patienten, bei de-
nen bereits ein begründeter Verdacht
auf Malignome bestanden habe.
Man hoffe, dass die neue Studie dazu
beitragen werde, die Besorgnis bei Pa-
tienten und Ärzten infolge der Entde-
ckung eines Schilddrüsenknotens zu
vermindern und unnötige Schilddrüsen-
operationen zu vermeiden, heisst es in
einem Blogeintrag auf der Homepage
der Deutschen Gesellschaft für Endo-
krinologie (DGE).
RBO s
Blog der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie (DGE) am 18. Juli 2022: https://blog. endokrinologie.net/malignitaetsrateschilddruesenknoten-5124/ zu Grussendorf M et al.: Malignancy rates in thyroid nodules: a longterm cohort study of 17 592 patients. Eur Thyroid J. 2022;11(4):e220027.
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ARS MEDICI 17 | 2022