Transkript
Versalien in Medikamentennamen
Patientensicherheit wird grossgeschrieben
Ähnlich aussehende (look-alike, LA) oder ähnlich klingende (sound-alike, SA) Wirkstoffnamen können beim Richten und Verabreichen von Medikamenten zu Verwechslungen führen und so die Patientensicherheit gefährden. Eine Studie konnte nun mittels Eye Tracking zeigen, dass Grossbuchstaben in Medikamentennamen die Fehlerrate reduzieren können. Besonders häufig und potenziell lebensbedrohlich sind Medikationsfehler auf Intensivstationen. Die amerikanische Heilmitelzulassungsbehörde Food and Drug Administration (FDA) lancierte bereits 2001 ein Projekt zur Unterscheidung von Medikamentennamen und regte an, die Anwendung von Tall Man Lettering (TML) zu evaluieren. Beim Einsatz von TML werden Grossbuchstaben eingesetzt, um Unterschiede in ähnlich aussehenden Wirkstoffnamen hervorzuheben und dadurch Verwechslungen vorzubeugen. Obwohl verschiedene Gesellschaften den Einsatz von TML empfehlen, konnte bis heute nicht abschliessend wissenschaftlich belegt werden, ob und wie der Einsatz von Versalien wirklich zur Fehlervermeidung beiträgt. Eine interprofessionelle Forschungsgruppe am Universitätsspital Zürich (USZ) und an der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich hat deshalb eine Beobachtungsstudie auf der Intensivstation des USZ durchgeführt. Mittels Eye Tracking wurde das Blickverhalten von 30 Intensivpflegefachpersonen bei der Auswahl von Medikamenten untersucht, die mit leicht zu verwechselnden Namen gelabelt waren (LASA pairs; Beispiel siehe Abbildung). Beim Eye Tracking
werden mittels Infrarotlicht die Augenbewe-
gungen und das Pupillenverhalten aufgezeich-
net. So lässt sich das Blickverhalten objektiv
erfassen. Die Teilnehmenden der Studie muss-
ten jeweils aus einer Reihe von 10 mit LASA-
Medikamentennamen beschrifteten Spritzen,
wobei die Hälfte der Etiketten Grossbuch-
staben enthielt, die verordnete, richtige
Spritze auswählen.
Wie die Auswertung ergab, liess sich mithilfe
der Grossbuchstabenkennzeichnung die Feh-
lerrate deutlich reduzieren. Mittels Eye-Track-
ing-Analyse konnten die Studienautoren den
Einfluss und die Wirkungsweise von TML
erklären: Der Einsatz von Versalien erhöht die
visuelle Aufmerksamkeit und führt zu genau-
erem Leseverhalten. Dies zeigt sich in der ver-
längerten Verweildauer bei Etiketten mit
Grossbuchstaben sowie darin, dass sich der
Blick häufiger und länger auf die TML-Se-
quenz richtet. Zudem springen die Augen,
wenn Grossbuchstaben im Wort vorhanden
sind, öfter wieder dorthin zurück. Darüber
hinaus führte TML zu einer längeren Verweil-
dauer bei möglichen Alternativen. Nicht der
Verordnung entsprechende Etiketten wurden
dadurch besser erkannt. Zusätzlich hat das
Forschungsteam herausgefunden, dass in der
Mitte statt zu Beginn des Wirkstoffnamens
stehende Grossbuchstaben das Ergebnis
nochmals verbessern. Für die Praxis bedeutet
das, dass ein konsequenter Einsatz von TML
die Patientensicherheit erhöhen und letztlich
Leben retten kann.
USZ/RABE s
Medienmitteilung des Universitätsspitals Zürich vom 31. März 2022.
«LASA pair»
(Abbildung: USZ) ARS MEDICI 10 | 2022
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