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STUDIE REFERIERT
Medikamentöse Rauchentwöhnung
Wo ein Wille ist, da sind gleich mehrere Wege …
Raucher, die dem Laster dauerhaft zu entsagen gewillt sind, können zur Unterstützung auf dem Weg zur Abstinenz auf die Nikotinersatztherapie, auf Medikamente und neuerdings auch auf E-Zigaretten zurückgreifen. Eine aktuelle britische Metaanalyse zeigt, dass insbesondere kombinierte medikamentöse Therapieansätze klinisch wirksam, sicher und kosteneffektiv sind.
Health Technology Assessment
Zigarettenrauchen schädigt den Organismus auf vielfältige Weise, was wiederum weltweit mit extrem hohen Belastungen für die Gesundheitssysteme einhergeht. Dennoch fällt das Aufhören schwer, denn Nikotin hat in Verbindung mit anderen im Tabakrauch enthaltenen Stoffen ein hohes physisches wie psychisches Abhängigkeitspotenzial. Um Rauchern den Weg zu einer dauerhaften Abstinenz zu erleichtern oder sogar erst zu ermöglichen, stehen seit einiger Zeit mit Vareniclin (VAR; Champix®), Bupropion (BUP; Zyban®) und der Nikotinersatztherapie (NET) verschiedene medikamentöse Optionen zur Verfügung, die sich in Studien gegenüber Plazebo sämtlich als effektiver erwiesen haben. Allerdings bestehen aufgrund von unter VAR und/oder NET beobachteten neuropsychiatrischen und kardiovaskulären Nebenwirkungen gewisse Sicherheitsbedenken. Dies gilt auch für die relativ neuen elektronischen Zigaretten (EZ), die zur Rauchentwöhnung noch nicht offiziell zugelassen sind.
Einfluss von Beratung und Abhängigkeitsgrad
Vor diesem Hintergrund hat eine britische Arbeitsgruppe unlängst die zur Unterstützung des Rauchverzichts in unterschiedlichen Dosierungen (hoch[h]/standard- [s]/tiefdosiert [t]) eingesetzten Medikamente (jeweils allein wie auch in Kombination) und EZ (als Monotherapie) hinsichtlich ihrer klinischen Effektivität, ihrer Sicherheit und ihrer Kosteneffektivität im Rahmen eines umfangreichen systematischen Datenbankund Literaturreviews mit Netzwerkmetaanalyse miteinander verglichen.
Bei der Auswertung der Daten von mehr als 200 000 erwachsenen Teilnehmern aus insgesamt 363 Untersuchungen zur Effektivität von VAR, BUP, NET und/oder EZ zeigte sich, dass die meisten Mono- wie auch Kombinationstherapien wirksamer zum Erreichen einer anhaltenden beziehungsweise kontinuierlichen Rauchabstinenz (primärer Wirksamkeitsendpunkt) beitrugen als Plazebo. Als effektivste Optionen kristallisierten sich, wenn auch mit statistischer Ungenauigkeit, VAR (s) plus NET (s; Odds Ratio [OR]: 5,75; 95%-Konfidenzintervall [KI]: 2,27– 14,88), VAR (t) plus NET (s; OR: 5,70; 95%-KI: 1,57–21,12) und EZ (t; OR: 3,22; 95%-KI: 0,97–12,55) heraus. Die Inanspruchnahme von begleitenden Beratungsangeboten und ein höherer Grad der Nikotinabhängigkeit verstärkten jeweils die Therapieeffekte: Von denjenigen Rauchern, die diese Kriterien erfüllten, erreichte jeweils ein grösserer Anteil eine anhaltende Abstinenz als von solchen, auf die dies nicht zutraf.
Bupropion: Nebenwirkungsrisiko versus Plazebo höher
Anhand der Daten von 355 klinischen und 53 Beobachtungsstudien mit rund 160 000 respektive 9 Mio. Teilnehmern, in denen jeweils Sicherheitsaspekte der Rauchstoppmassnahmen beleuchtet worden waren, konnte die Metaanalyse mit BUP (s) lediglich eine Therapieoption ermitteln, mit der sich eine gegenüber Plazebo höhere Wahrscheinlichkeit für das Auftreten schwerwiegender unerwünschter Ereignisse ergab (primärer Sicherheitsendpunkt; OR: 1,27; 95%-KI: 1,04–1,58). Hin-
sichtlich des in den analysierten Unter-
suchungen insgesamt nur sehr selten
berichteten Auftretens von MACE (ma-
jor adverse cardiovascular events), eines
der sekundären Sicherheitsendpunkte,
zeigten sich keine statistisch signifikan-
ten Unterschiede zwischen den einzel-
nen Interventionen. Die Analyse des
zweiten sekundären Sicherheitsend-
punkts, der bedeutende neuropsychia-
trische Nebenwirkungen umfasste, sah
Raucher, die mit NET (Dosierung nicht
spezifiziert), BUP (s), BUP (s) plus NET
(h) und VAR (s) plus BUP (s) behandelt
worden waren, im Vorteil gegenüber
solchen, die Plazebo erhalten hatten,
während das entsprechende Risiko un-
ter VAR (s) im Vergleich zu BUP (s) er-
höht war (OR: 1,43; 95%-KI: 1,02–
2,09).
Mit einem hohen Grad an Unsicherheit
war die Bestimmung der kosteneffek-
tivsten Rauchstopptherapieoption be-
haftet. EZ (t), VAR (s) plus NET (s) und
VAR (s) plus BUP (s) erwiesen sich unter
Zugrundelegung der für das britische
Gesundheitssystem ermittelten ökono-
mischen Eckdaten als günstigste Inter-
ventionen. Um hier belastbare Aussa-
gen treffen zu können, sind nach
Ansicht der Autoren allerdings zukünf-
tig weitere klinische Vergleichsstudien
erforderlich.
RABE s
Thomas KH et al.: Smoking cessation medicines and e-cigarettes: a systematic review, network meta-analysis and cost-effectiveness analysis. Health Technol Assess. 2021;25(59):1-224.
Interessenlage: Ein Teil der Autoren gibt an, (finanzielle) Unterstützung und/oder Honorare von Forschungsorganisationen, Pharmaunternehmen oder pharmazeutischen Interessenverbänden erhalten zu haben.
ARS MEDICI 4 | 2022
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