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MEDIEN, MODEN, MEDIZIN
Infektionen an künstlichen Gelenken
Was bringt die Antibiotikaprophylaxe bei Zahnbehandlungen?
Infektionen eines künstlichen Hüft- und Kniegelenks sind eine zwar seltene, aber gefürchtete Komplikation. Sie tritt mitunter noch Jahrzehnte nach der Implantation auf. Deshalb empfehlen Fachgesellschaften in Deutschland und in den USA grundsätzlich die einmalige Gabe eines Antibiotikums, wenn bei Trägern künstlicher Gelenke blutende Eingriffe an den Zähnen erfolgen (z. B. Paradontosebehandlung, Zahnreinigung, Zähne ziehen). Die Schweizer Orthopäden hingegen empfehlen auch für Implantatträger keine generelle Antibiotikaprophylaxe bei blutenden zahnmedizinischen Behandlungen, sofern keine Infektionen in der Mundhöhle vorliegen. Falls keine weiteren Risikofaktoren vorhanden sind, genügt demnach die vorgängige Mundspülung mit Chlorhexidinlösung (0,2%) (1). Die Autoren einer aktuellen Studie in England bestätigen die Schweizer Strategie (2). Auch sie kommen zu dem Schluss, dass die präventive Gabe eines Antibiotikums bei zahnmedizini-
schen Eingriffen nicht notwendig sei. Die Datenlage zum Risiko für eine Implantatinfektion durch blutende Eingriffe in der Mundhöhle ist dünn. Etwa 0,5 bis 2 Prozent aller Patienten mit künstlichen Knie- oder Hüftgelenken erleiden eine periprothetische Infektion, nur bei einem Bruchteil von ihnen sind Bakterien aus der Mundhöhle die Ursache. In einer retrospektiven Studie mit 106 Fällen an der Charité Berlin konnte man den Ausgangspunkt der Infektion bei 72 Patienten identifizieren, in 7 Fällen (10%) mit einer vorangegangenen Zahnbehandlung (3). Unter anderem wegen dieser Studie empfiehlt die deutsche Fachgesellschaft für Endoprothetik (AE) bis anhin bei Trägern künstlicher Gelenke die präventive, einmalige Gabe von 2 g Amoxicillin bei invasiven zahnmedizinischen Eingriffen. In der englischen Studie wurde eine erheblich höhere Anzahl von Fällen ausgewertet, nämlich die Daten von knapp 9500 Patienten mit Spätinfektio-
nen an Gelenkprothesen, bei denen
zahnmedizinische Patientenakten ver-
fügbar waren. Auch hier zeigte sich eine
ähnliche Grössenordnung des Anteils
von Mundhöhlenbakterien an Infektio-
nen von Gelenkprothesen wie in der
kleinen Charité-Studie (9%). Ein statis-
tisch signifikanter Zusammenhang zwi-
schen zahnmedizinischen Eingriffen
ohne Antibiotikaprophylaxe und den
Protheseninfektionen war aber nicht
feststellbar (2).
RBO s
Medienmitteilung der AE – Deutsche Gesellschaft für Endoprothetik e. V. am 27. Januar 2022.
1. Sendi P et al., Expertengruppe Infektionen der Swiss Orthopaedics: Patienten mit Gelenkprothesen: Antibiotikaprophylaxe vor zahnärztlichen Eingriffen. Swiss Med Forum. 2016;16(37):764-770.
2. Thornhill MH et al.: Analysis of Prosthetic Joint Infections Following Invasive Dental Procedures in England. JAMA Network Open. 2022;5(1):e2142987.
3. Rakow A et al.: Origin and characteristics of haematogenous periprosthetic joint infection. Clin Microbiol Infect. 2019;25(7):845850.
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