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Titel
Onkologie – Impfverweigerer finden unter unseren Patienten kaum Verständnis
Untertitel
Dr. med. Thomas von Briel, Onkozentrum Hirslanden, Zürich
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Rubrik
Rückblick 2021/Ausblick 2022
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58891
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RÜCKBLICK 2021/AUSBLICK 2022

Onkologie
Dr. med. Thomas von Briel Onkozentrum Hirslanden Zürich
Impfverweigerer finden unter unseren Patienten kaum Verständnis
Im Lauf der Coronapandemie haben sich viele Dinge verändert. Wie sieht die neue Normalität für Sie persönlich aus?
Auch im Jahr 2021 war das Coronavirus mit all seinen Mutanten ein beherrschendes Thema, und es hat unseren Alltag massgeblich geprägt. Die neue Normalität hat, wie alles im Leben, gute und schlechte Seiten. An unserem Arbeitsplatz im Spital wurde es selbstverständlich, eine Maske zu tragen. Wir haben uns zwar daran gewöhnt, aber ohne Schutzmaske war es einfacher. Man muss stets daran denken, eine dabeizuhaben, und man sieht seine Kollegen und seine Patienten nur noch verdeckt. Aber gut ist es doch, denn die Maske schützt uns nicht nur vor dem Coronavirus, sondern auch vor all den anderen Viren. Noch nie in meinem Leben blieb ich so lang gesund. Seit 2019 hatte ich nicht eine einzige Erkältung. Und man kann auch einmal hemmungslos gähnen, ohne dass das Vis-à-vis etwas merkt. In der Onkologie pflegen wir einen engen Kontakt zu sehr vulnerablen Patienten. Es ist klar, dass wir keinen Aufwand scheuen dürfen, um sie vor dem Coronavirus zu schützen. Dazu gehört auch das Impfen, sowohl unserer Patienten als auch das Impfen von uns. Die Spaltung der Gesellschaft in Impfbefürworter und Impfgegner ist eine traurige Realität. In meinem Fachgebiet ist die Impfung Normalität. Die Impfverweigerer finden unter unseren Patienten kaum Verständnis. Es war gut, dass wir viele von ihnen selbst impfen konnten, und in unserer Region haben sich die Hausärzte sehr prominent daran beteiligt. Sie tragen jetzt auch massgeblich zum Boostern bei, wofür wir ihnen sehr dankbar sind.
Hat die Pandemie aus Ihrer Sicht auch etwas Positives bewirkt?
Nun ja, ich habe noch nie so viele Kongresse besucht wie in den vergangenen zwei Jahren. Der virtuelle Raum wurde perfektioniert. Man hat den Referenten quasi in seiner Stube, und der Austausch funktioniert erstaunlich gut. Diskussionen sind recht lebhaft, Fragen lassen sich bequem stellen, und man bekommt zumeist auch Antworten. Grosser Nachteil: Es fehlen die Freunde, die Kollegen, einmal wieder ein gemeinsames Nachtessen. Trotzdem hoffe ich, dass die virtuelle Verfügbarkeit von Kongressen auch in Zukunft bestehen bleibt. Letzt-

lich trägt man damit auch zur Bekämpfung der Klimaerwärmung bei, allerdings zum Schaden der Reiseindustrie.
Abgesehen von COVID-19: Welche neuen Erkenntnisse fanden Sie im vergangenen Jahr interessant?
Kongresse sind wie grosse Sportanlässe. In der Onkologie kämpfen dort nicht Sportler, sondern Medikamente um den Sieg, und es treten nicht Nationen, sondern Pharmafirmen gegeneinander an. Und wie in der Sportwelt gibt es kleinere Turniere und die ganz wichtigen Anlässe, wo alle hinwollen. Man könnte den ASCO- oder den ASH-Kongress in den USA mit der WM und den ESMO- oder den EHA-Kongress in Europa mit der Olympiade vergleichen. An diesen Grossevents holen sich die Sieger viel Ruhm. Und die Trainer, die den gewonnenen Kampf präsentieren, gehen nicht selten in die onkologische Geschichte ein. Oft geht es nur um Sekunden, und ein Sportler wird die Nummer 1 im Markt. Ab und zu sind es gewaltige Siege oder Teamleistungen, die Beachtung verdienen. Ein gewaltiger Sieg gelang am ESMO-Kongress in der Zweitlinientherapie beim HER2-positiven Mammakarzinom dem Trastuzumab-Deruxtecan (Enhertu®, in der Schweiz noch nicht zugelassen) gegen Trastuzumab-Emtansin (Kadcyla®), den bisherigen Standard. Beide Medikamente sind Antikörper-Medikamenten-Konjugate, bei denen der Antiköper gegen HER2 wie ein Trojanisches Pferd das Killermedikament Emtansin (bisheriger Standard) oder eben, neu im Rennen, Deruxtecan in die Zelle bringt und diese zerstört. Beim Verlierer war nach 6,8 Monaten nur noch die Hälfte der Patienten ohne Progress, beim Sieger war es nach 18 Monaten immer noch mehr als die Hälfte. Das macht einen Unterschied von mehr als 1 Jahr. Es zeichnet sich zudem eine Verlängerung der Gesamtüberlebensdauer ab, und die Ansprechrate lag bei 80 Prozent beim Gewinner und nur bei 34 Prozent beim Verlierer. Es ist offensichtlich, dass wir nach diesem Rennen einen neuen Standard für die zweite Linie beim metastasierenden HER2-positiven Mammakarzinom bekommen haben. An der WM, sprich am ASCO-Kongress 2021 in Chicago, trat ein neuer Kämpfer gegen Prostatakrebs an. Lutetium177-PSMA-617, ein Molekül, das an das prostataspezifische Membranantigen (PSMA) auf den Prostatakarzinomzellen bindet und damit das radioaktive Lutetium-177 vor Ort bringt, verspricht Erfolg, wenn man die wirksamsten Behandlungen aufgebraucht hat. Damit haben wir eine neue Waffe im Kampf gegen Prostatakrebs, die im Durchschnitt rund 4 weitere Monate Überleben bringt. Natürlich gibt es auch Patienten, welche deutlich mehr an Lebenszeit gewinnen. Bleiben wir beim Prostatakarzinom: Über Jahrzehnte waren wir der Ansicht, der Testosteronentzug sei so wirksam, dass man diese Behandlung durch nichts verbessern könne. Die grosse Überraschung kam vor 6 Jahren, als man erkannte, dass 6 Zyklen Docetaxel zu Beginn des Testosteronentzugs das Überleben der Patienten um einige Monate verlängern können. Das gleiche Resultat fand man mit der Kombination aus ablativer Hormontherapie und moderneren antiandro-

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genen Tabletten. Warum also nicht den Wettkampf wagen und Docetaxel und moderne Antiandrogene wie Abirateron von Beginn an zusammen einsetzen? Dieses Team hat am ESMO-Kongress 2021 gewonnen (PEACE-1 Studie), denn das bringt einem Patienten mit vielen Metastasen rund 1½ Jahre mehr Lebenszeit. Dass Mannschaftssport mit zwei Spielern viel bringen kann, konnte man 2021 im «New England Journal of Medicine» nachlesen. Seit einigen Jahren wissen wir, dass sich die Haarzellleukämie durch eine BRAF-Mutation auszeichnet, eine Mutation, wie man sie etwa bei der Hälfte aller Melanome und seltener bei anderen Malignomen findet. Gegen mutiertes BRAF gibt es wirksame Medikamente. Setzt man bei zum Teil massiv vorbehandelten Patienten mit Haarzellleukämie den BRAF-Inhibitor Vemurafenib für 8 Wochen ein und gibt man während dieser Tablettentherapie 8-mal eine Infusion mit Rituximab (ein Antikörper gegen den B-Zell-Marker CD20) alle 3 Wochen hinzu, erzielt man spektakuläre und über Jahre anhaltende Remissionen.

Zum Schluss gehen wir zum Kampfsport «Tabletten gegen

Mutationen». Hier gibt es manchmal neue Disziplinen. Seit

Jahrzehnten kennt man KRAS, ein sehr häufiges und übles

Onkogen. Es galt über Jahre als nicht beeinflussbar. Und nun

ist es doch gelungen, zumindest gegen eine ganz bestimmte

KRAS-Mutation am Codon 12 (KRASG12C) den Zwei-

kampf aufzunehmen. Diese Mutation ist beim Bronchuskar-

zinom relativ häufig. Der Sportler, der es in dieser sehr neuen

Disziplin schon weit gebracht hat, heisst Sotorasib. Man

schluckt es einmal täglich, und es gibt vielen Patienten mit

KRAS-mutierten Karzinomen wieder Hoffnung. Sotorasib

wird sicher in absehbarer Zeit auch Swissmedic und das BAG

zu seinen Fans zählen dürfen.

So ist es für uns Onkologen stets eine Freude, wie unser Fach-

gebiet mit immer mehr Disziplinen aufwartet und alle Jahre

wieder neue Sieger küren kann. Und das würde wohl Walti

dazu meinen: «Who cares, Hauptsache, wir gewinnen gegen

den Krebs.»

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