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STUDIE REFERIERT
THC- und CBD-haltige Medikamente
Wie sicher sind Cannabinoide bei Älteren?
In den letzten Jahren hat die schulmedizinische Verwendung von cannabisbasierten Medikamenten für eine breite Palette von Erkrankungen und Indikationen auch bei älteren Patienten deutlich zugenommen. Sicherheit und Verträglichkeit von Cannabinoiden in der Altersgruppe der über 50-Jährigen waren bis anhin jedoch weitgehend unklar. Eine aktuelle Metaanalyse gibt nun weitgehend Entwarnung.
PLOS Medicine
Unter den zahlreichen in der Hanfpflanze (Cannabis sativa L.) enthaltenen Cannabinoiden sind Delta-9Tetrahydrocannabinol (THC) und Cannabidiol (CBD) die meistuntersuchten Vertreter. Die psychoaktive Substanz THC wirkt antiemetisch, analgetisch sowie möglicherweise neuroprotektiv und antientzündlich, während CBD keine berauschenden, aber antiepileptische sowie womöglich ebenfalls antientzündliche, neuroprotektive, antioxidative und antipsychotische Effekte ausübt. Die überwiegende Mehrzahl der klinischen Wirksamkeitsstudien zu cannabisbasierten Medikamenten (CBM) wurde an Patienten im Alter unter 50 Jahren durchgeführt. Durch eine veränderte Pharmakodynamik und -kinetik, aber auch bedingt durch die höhere Prävalenz von Komorbidität und Polypharmazie, kann es bei älteren Menschen jedoch zu häufigeren, andersartigen und womöglich zudem schwerwiegenderen unerwünschten Wirkungen des zum Teil auch unlizensierten Einsatzes von CBM kommen als bei jüngeren.
Nebenwirkungen bei über 50-Jährigen
In einem systematischen Literaturreview mit Metaanalyse wurden 46 doppelblinde, randomisierte, kontrollierte Studien, in denen CBM (THC und CBD, jeweils allein und in Kombination) in sämtlichen Indikationen an über 50-Jährigen untersucht worden waren, hinsichtlich der Nebenwirkungen ausgewertet. Insgesamt handelte es sich um 6216 Personen (davon 3469 unter CBM) mit einem Durchschnitts-
alter von 58,6 ± 7,5 Jahren (51% männlich). Erfasst wurde das Auftreten von unerwünschten Ereignissen (adverse events, AE) und schweren Nebenwirkungen (severe AE, SAE) einschliesslich Tod sowie eines Abbruchs der Studienteilnahme. THC-enthaltende CBM waren im Vergleich zur Kontrolle, wie erwartet, mit einem signifikanten Anstieg der Nebenwirkungen assoziiert. Die gesamte IRR (incident rate ratio) für THC allein betrug 1,42 (95%-Konfidenzintervall [KI]: 1,12–1,78) und für die THCCBD-Kombination 1,58 (95%-KI: 1,26–1,98). Für AE waren es 1,60 (95%-KI: 1,26_2,04) für THC allein und 1,70 (95%-KI: 1,24-2,33) für THC-CBD. SAE und Tod waren dagegen, wie ebenfalls vorab vermutet, unter CBM (sowohl mit als auch ohne THC) nicht signifikant häufiger aufgetreten. Wider Erwarten ging die Kombinationsbehandlung (relatives Risiko [RR]: 1,40; 95%-KI: 1,08–1,80), nicht aber THC allein (RR: 1,18; 95%-KI: 0,89–1,57) mit einem signifikant höheren Risiko für AE-bezogene Studienabbrüche einher. Das deutet darauf hin, dass die Kombination aus noch ungeklärter Ursache in dieser Altersgruppe, die häufig aufgrund von Komorbiditäten eine Reihe anderer Medikamente einnimmt, weniger verträglich sein könnte. Unter CBD allein waren weder höhere Inzidenzen von AE jedweder Ursache noch andere Studienendpunkte häufiger aufgetreten als unter Plazebo. Die Häufigkeit von mit AE in Beziehung stehenden Studienabbrüchen korrelierte entsprechend den Vorhersagen
eng mit der eingesetzten THC-Dosis (sowohl allein als auch in Kombination mit CBD).
Auch für Ältere eine akzeptable
Therapieoption
Mit den Resultaten ihrer Metaanalyse
kommen die Autoren zu dem Schluss,
dass CBM trotz der unter THC-haltiger
Medikation beobachteten AE bei Pati-
enten ab 50 Jahren im Allgemeinen eine
sichere und akzeptable Behandlungs-
option darstellen. Vorsicht ist in dieser
Altersgruppe eventuell beim Einsatz der
THC-CBD-Kombination geboten, zu-
mindest unter den bisher untersuchten
Dosierungen. Bei über 65- oder 75-Jäh-
rigen könnte sich die Verträglichkeit
möglicherweise anders darstellen, wes-
halb hier vor einer regelmässigen An-
wendung eine nähere Unter-
suchung der Wirksamkeit der verschie-
denen CBM für bestimmte Indikatio-
nen zu fordern wäre.
RABE s
Interessenlage: Die Autoren der referierten Metaanalyse haben keinerlei Interessenkonflikte deklariert.
Quelle: Velayudhan L et al.: Safety and tolerability of natural and synthetic cannabinoids in adults aged over 50 years: a systematic review and metaanalysis. PLoS Med. 2021;18(3):e1003524.
ARS MEDICI 23 | 2021
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