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MEDIEN, MODEN, MEDIZIN
Health Literacy Survey Schweiz
Jedem zweiten Befragten fällt Orientierung im Gesundheitssystem schwer
In einer Erhebung zur Gesundheitskompetenz der Schweizer Bevölkerung gab knapp die Hälfte der Befragten an, Probleme im Umgang mit Gesundheitsinformationen und -diensten zu haben.
Unter Gesundheitskompetenz wird die Fähigkeit verstanden, sich über gesundheitsrelevante Aspekte sachkundig machen und entsprechend zugunsten der eigenen Gesunderhaltung entscheiden und handeln zu können. Im Rahmen des vom Bundesamt für Gesundheit (BAG) in Auftrag gegebenen und von der Zürcher Careum-Stiftung durchgeführten Health Literacy Survey Schweiz 2019–2021 (HLS19-21-CH) wurde eine repräsentative Stichprobe von rund 2500 in der Schweiz ansässigen Erwachsenen im Frühjahr 2020 zumeist
sich innerhalb des Gesundheitssystems zielorientiert bewegen und mithin die optimale Versorgung für sich selbst oder nahestehende Personen erhalten zu können (Navigations-Gesundheitskompetenz).
Digitale Angebote überfordern häufig
Wie die Auswertung der Interviews ergab, sind bei 49 Prozent der befragten Personen gewisse Defizite in der allgemeinen Gesundheitskompetenz auszumachen. Noch grösser ist der Anteil
Foto: Pixabay
über Online-Interviews zu Themen wie Gesundheitsförderung, Krankheitsprävention und Krankheitsbewältigung befragt. Ziel war es, zu ermitteln, welcher Art die Schwierigkeiten im Umgang mit Gesundheitsinformationen und -diensten im Einzelnen sind, welche individuellen Faktoren für deren Auftreten bestimmend sein können, welche Ursachen dem zugrunde liegen und welche Konsequenzen sich, auch gesundheitspolitisch, daraus ergeben. Einen Schwerpunkt der Erhebung bildeten dabei der Umgang mit digitalen Informations- und Dienstleistungsangeboten (digitale Gesundheitskompetenz) sowie die Aneignung von Kenntnissen, um
derjenigen, denen es speziell Schwierigkeiten bereitet, die digitalen Angebote für sich zu nutzen (72%) oder sich im Gesundheitssystem zu orientieren und zu navigieren (74%). Der Anteil derjenigen, die eine beeinträchtigte generelle Gesundheitskompetenz aufweisen, ist im Verlauf der letzten 5 Jahre leicht angestiegen: War in einer ähnlichen Befragung 2015 noch 33 Prozent der Schweizerinnen und Schweizer eine «problematische» und 9 Prozent eine «mangelhafte» Gesundheitskompetenz attestiert worden, lagen die entsprechenden Anteile in der aktuellen Erhebung bei 38 respektive 11 Prozent. Gegenüber der Befragung 5 Jahre zuvor waren vor al-
lem mehr Schwierigkeiten bei der Umsetzung von Gesundheitsinformationen in konkrete Handlungen sowie in den Bereichen Krankheitsprävention und Gesundheitsförderung zu erkennen. Besonders schwer fällt es vielen Befragten nach wie vor, Gesundheitsinformationen kritisch zu bewerten, persönliche Entscheidungen aus über mediale Kanäle zur Verfügung gestellten gesundheitlichen Auskünften abzuleiten oder unterstützende Anleitung bei psychischen Problemen ausfindig zu machen.
Soziale Faktoren entscheiden mit
Die Analyse der Angaben unterstreicht
einmal mehr, dass die Gesundheitskom-
petenz eng mit sozialen Faktoren asso-
ziiert ist. Personen in finanzieller Schief-
lage, Angehörige tieferer sozialer
Schichten sowie unzureichend sozial
unterstützte Menschen oder auch sol-
che, die der lokalen Landesprache nicht
mächtig sind, weisen im Durchschnitt
eine geringere Gesundheitskompetenz
auf. Ausserdem zeigen die Ergebnisse
auf, dass Personen mit hoher Gesund-
heitskompetenz ein ihrer Gesundheit
tendenziell zuträglicheres Verhalten an
den Tag legen, sich gesünder fühlen und
seltener Leistungen des Gesundheitssys-
tems in Anspruch nehmen. Aus den
Resultaten ihrer Erhebung ergibt sich
für die Initiatoren des Surveys ein klarer
Handlungsbedarf zur Stärkung der Ge-
sundheitskompetenz, um die öffentli-
che Gesundheit zu verbessern und den
steigenden Kosten im Gesundheits-
wesen entgegenzuwirken. Entspre-
chende Massnahmen sollten nicht nur
auf individueller, sondern auch auf
struktureller und organisationaler
Ebene greifen, etwa durch den Einsatz
leicht verständlicher Sprache oder über
Angebote zur Unterstützung bei der
Beurteilung von Gesundheitsinforma-
tionen sowie bei der Orientierung im
Gesundheitssystem.
RABE s
Medienmitteilung Careum, 14. September 2021.
De Gani SM et al.: Health Literacy Survey Schweiz 2019-2021, Schlussbericht. Careum, Zürich, 14. September 2021.
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ARS MEDICI 20 | 2021