Transkript
STUDIE REFERIERT
Trotz anxiolytischer Therapie
Fahrtüchtigkeit nicht eingeschränkt
Angststörungen verursachen eine Beeinträchtigung des Funktionierens im Alltag und haben eine verheerende Auswirkung auf die Lebensqualität. Anxiolytika mögen das Problem zwar lösen, haben aber häufig sedative Effekte, die bestimmte Lebensbereiche wie beispielsweise das Lenken eines Fahrzeugs einschränken. Der als Anxiolytikum verwendete Lavendelölextrakt Silexan hat keine sedierende Wirkung und damit auch keinen Einfluss auf die Fahrtüchtigkeit, wie eine Studie im Fahrsimulator zeigte.
Journal of Psychiatric Research
Angststörungen, oft begleitet von Schlafstörungen und kognitiver Übererregung, gehören zu den häufigsten psychiatrischen Erkrankungen. Viele pharmakologische Therapien haben deshalb zentralsedierende Eigenschaften, wodurch auch Aspekte des täglichen Lebens beeinträchtigt werden, wie beispielsweise das Lenken eines Autos. Gravierend ist, dass es vom Betroffenen nicht immer bemerkt wird. Im Unterschied zu Patienten mit primärer Insomnie brauchen jene mit Angststörungen die Medikation tagsüber und sind von den sedierenden Eigenschaften beim Autofahren deshalb stärker betroffen. Silexan, ein pflanzliches Anxiolytikum aus Lavendelölextrakt, das bei generalisierter Angststörung eingesetzt wird, hat keine zentralsedierenden Eigenschaften und beeinträchtigt nicht die Fahrtüchtigkeit, was in einer Untersuchung zur Fahrtüchtigkeit belegt werden konnte.
Spurtreue im Fahrsimulator
In der randomisiert kontrollierten Studie mit 50 gesunden Teilnehmenden zwischen 25 und 58 Jahren wurden die Wirkungen von Silexan, Plazebo und Lorazepam auf die Fahrtüchtigkeit verglichen. Die Probanden waren ausserdem seit mindestens 3 Jahren im Besitz des Führerscheins und legten mit ihrem Auto wenigstens 3000 km pro Jahr zurück. Die Studie bestand aus 2 Teilen. Im ersten Teil erhielten die Teilnehmenden
cross-over 80 mg Silexan pro Tag oder Plazebo während 7 Tagen mit jeweils 7 Tagen Pause zwischen den Phasen. An den Tagen 1 und 8 von jeder Phase, zirka 90 Minuten nach Einnahme der Studienmedikation, wurde eine 60 Minuten dauernde Autofahrt im Fahrsimulator absolviert. Die Selbsteinschätzung der Autofahrt sowie der Müdigkeit, erfasst mit der Stanford Sleepiness Scale, war ebenfalls Teil der Auswertung. Ziel war der Beweis der Nichtunterlegenheit von Silexan in der zugelassenen Dosierung von 80 mg gegenüber Plazebo. Im zweiten Teil wurden in 4 Armen cross-over in randomisierten Sequenzen Einzeldosen von 160 und 320 mg Silexan, 1 mg Lorazepam und Plazebo miteinander verglichen. Zwischen den Verabreichungen lag jeweils eine 7-tägige Auswaschphase, die Fahrprüfungen im Fahrsimulator fanden an den Tagen 1 und 8 jeder Phase statt. Ziel des zweiten Teils war der Beweis der Überlegenheit von Silexan, selbst in höheren Dosen, gegenüber Lorazepam. In beiden Teilen war als primärer Endpunkt die Spurtreue (standard deviation of lateral position, SDLP) in verschiedenen Fahrsituationen als sensitiver Parameter für die Sedation, auch unter Alkoholeinfluss, definiert. Als sekundäre Endpunkte galten die Anzahl von taktischen und kognitiven Fahrfehlern und die Müdigkeit, gemessen mit dem Lidschlussindex und der Standford Sleepiness Scale.
Kein Einfluss
Die Auswertung des ersten Teils zeigte
eine Nichtunterlegenheit von Silexan
80 mg gegenüber Plazebo, die Unter-
schiede in der SDLP waren statistisch
nicht signifikant, ebenso verhielt es sich
mit den sekundären Endpunkten.
Im zweiten Teil zeigte sich, dass die
Spurtreue (SDLP) unter beiden Silexan-
dosierungen signifikant (p < 0,001) bes- ser war als unter Lorazepam. Auch be- züglich der sekundären Endpunkten schnitt der Lavendelölextrakt besser ab. Die Resultate mit Silexan und Plazebo waren vergleichbar. Zu den Nebenwirkungen, die unter Si- lexan häufiger auftraten, gehört das Aufstossen als bekannte Nebenwirkung dieses Phytotherapeutikums. Die Autoren folgern aus den Resultaten ihrer Studie, dass Silexan selbst in einer 4-fach höheren als der zugelassenen Dosis sowie unter kontinuierlicher Ein- nahme der zugelassenen Dosis von 80 mg pro Tag keinen Einfluss auf die Fahrtüchtigkeit hat. s Valérie Herzog Quelle: Möller HJ et al.: Silexan does not affect driving performance after single and multiple dose applications: results from a double-blind, placebo and reference-controlled study in healthy volunteers. J Psychiatr Res 2021;136:543–551. Interessenlage: Die Autoren erhalten Forschungsgelder der Herstellerfirma. Die Studie wurde von der Herstellerfirma Dr. Willmar Schwabe GmbH & Co. finanziert. ARS MEDICI 11 | 2021 341