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BERICHT
Kardiovaskuläres Risiko bei Typ-2-Diabetikern
Diabetestherapie grösser denken
Patienten mit Typ-2-Diabetes haben bekanntlich ein hohes kardiovaskuläres Risiko. Mit den neuen Antidiabetika lässt sich dieses über die Blutzuckersenkung hinaus besser behandeln. Doch auch bei kardiovaskulären Patienten ohne Diabetes gibt es Hinweise, dass diese Substanzklassen eine kardiopräventive und vielleicht sogar auch diabetespräventive Wirkung zeigen. Dieses Buch ist noch lange nicht geschlossen, wie am Cardiology Update in London zu erfahren war.
Der häufigste Grund für einen vorzeitigen Tod bei Typ-2-Diabetikern sind kardiovaskuläre Ereignisse (1). Die Lebenserwartung bei einem 60-jährigen Patienten mit Diabetes und kardiovaskulärer Erkrankung ist gegenüber Diabetespatienten ohne kardiovaskuläre Erkrankung um 6 Jahre kürzer (2). Deshalb sollte die Therapie des Typ-2-Diabetes über die Blutzuckersenkung hinaus das Ziel verfolgen, die kardiovaskulären Risikofaktoren zu verringern und damit auch das Risiko für makrovaskuläre Komplikationen zu senken, betonte Prof. John Deanfield, Director National Centre for Cardiovascular Prevention and Outcomes, University College Hospital, London. Und das bei Diabetespatienten sowohl mit als auch ohne kardiovaskuläre Erkrankungen. Dieser ganzheitliche Ansatz umfasst die LDL-Cholesterin-Senkung, die Blutdrucksenkung sowie die Gewichtssenkung. Doch das allein genügt nicht, denn beispielsweise haben Typ-2-Diabetiker mit und ohne Herzerkrankungen unter Statinen trotzdem eine höhere Ereignisrate, verglichen mit Patienten ohne Typ-2-Diabetes, wie die Heart-Protection-Studie damals demonstrierte (3). Deshalb brauche es stärkere Massnahmen, so Deanfield. Neue Möglichkeiten ergeben sich aus den modernen, zusätzlich kardioprotektiven Antidiabetika wie den SGLT2-Hemern und den GLP-1-Rezeptor-Agonisten.
Kardiovaskuläre Prävention bei Typ-2-Diabetikern
Interessant sei die Möglichkeit, Typ-2-Diabetiker mit kardiovaskulären Risikofaktoren, aber noch ohne etablierte kardiovaskuläre Erkrankungen, mit den neuen Antidiabetika vor diesen Erkrankungen zu schützen. In der 6 Jahre dauernden REWIND-Studie zeigte der GLP-1-Rezeptor-Agonist Dula glutide bei Patienten mit und ohne kardiovaskuläre Erkrankungen eine signifikant tiefere kardiovaskuläre Ereignisrate gegenüber Plazebo (4). Für Semaglutide konnte in der SUSTAIN-6-Studie ebenfalls ein kardiovaskulärer Nutzen nachgewiesen werden (5), Liraglutide führte sogar zu einer Reduktion der Gesamtmortalität (6). Von den SGLT2-Hemmern zeigten Empagliflozin in der EMPA-REG-OUTCOME-Studie, Canagliflozin in der CANVAS- und CREDENCE-Studie und Dapagliflozin in der DECLARE-Studie kardiovaskuläre Risikoreduktionen (7–10).
Beide Substanzklassen zeigen überdies einen renoprotektiven Effekt, insbesondere gesehen in den grossen kardiovaskulären Outcome-Studien mit Empagliflozin, Canagliflozin, Liraglutide und Semaglutide (11). Wie es zu den kardioprotektiven Effekten unter diesen neuen Antidiabetikaklassen kommt, ist nicht ganz klar. Es dürfte sich um die Summe der einzelnen Effekte handeln, die diesen Vorteil generierten, mutmasst Deanflied. Unter SGLT2-Hemmern kommt es beispielsweise zu einer Reduktion der Vorund Nachlast infolge Diurese und leichter Blutdrucksenkung, zu einer Progressionsverzögerung der Nierenerkrankung und der Mikro- sowie Makroalbuminurie, zu Gewichtsverlust sowie zur Reduktion des Blutzuckers wie auch der Harnsäure (12).
Auch bei Patienten ohne Diabetes?
Diese kardioprotektiven Effekte führen natürlich zu der Frage, ob SGTL2-Hemmer auch bei Patienten ohne Typ-2-Diabetes einen kardiovaskulären Nutzen haben. Das wurde in der DAPA-HF-Studie bei herzinsuffizienten Patienten mit und ohne Diabetes untersucht. Die Teilnehmer erhielten Dapagliflozin oder Plazebo zusätzlich zu ihrer Herzinsuffizienzmedikation. Es zeigte sich, dass die Patienten unter Dapagliflozin eine signifikant tiefere kardiovaskuläre wie auch Gesamtmortalität aufwiesen und die herzinsuffizienzbedingte Hospitalisierungsrate der Herzinsuffizienz signifikant reduziert war. Dabei spielte es keine Rolle, ob die Patienten an Typ-2-Diabetes litten oder nicht (13). SGLT2-Hemmer könnten somit eine Medikamentenklasse darstellen, die für die Therapie der Herzinsuffizienz den grössten Fortschritt seit der Einführung der ACE-Hemmer bringt, so Deanfield. Auch mit der Substanzklasse der GLP-1-Rezeptor-Agonisten wird der kardioprotektive Effekt ohne Diabetes derzeit in der SELECT-Studie mit Semaglutide s.c. versus Plazebo bei über 17 000 Patienten mit hohem kardiovaskulären Risiko, aber ohne Typ-2-Diabetes geprüft.
Diabetes medikamentös vorbeugen?
Die Progression eines einmal etablierten Diabetes lässt sich nicht aufhalten. In Zukunft könnte es aber darum gehen, Erkrankungen wie Typ-2-Diabetes nicht erst zu behandeln,
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wenn sie da sind, sondern sie im Rahmen einer kardiovas-
kulären Prävention gar nicht erst entstehen zu lassen. Denn
die Nurses-Health-Studie zeigte, dass das Risiko für kardio-
vaskuläre Ereignisse bei Frauen bereits vor der Diabetesdia-
gnose ansteigt (14). Die präklinische Phase des Typ-2-Dia-
betes dürfte demnach ein günstiges Zeitfenster sein, in dem
sich ein präventivtherapeutisches Eingreifen lohnt. Mögliche
Adressaten dieser Massnahme sind adipöse Kinder und junge
Erwachsene, die schon früh in ihrem Leben mit kardiovasku-
lären Ereignissen und Typ-2-Diabetes konfrontiert sind (15).
Mit den neuen Antidiabetika verlieren die Patienten auch
Gewicht. Am stärksten unter Semaglutide, mit dem sich eine
Reduktion von über 10 Prozent des Körpergewichts inner-
halb eines Jahres erreichen liess (16). Vor dem Hintergrund,
dass eine Gewichtsreduktion zur Verbesserung des Diabetes
und des kardiovaskulären Risikos beitrage, sei dies eine gute
Nachricht, fand der Referent. Neben Lebensstilveränderung
und klassischer Behandlung sei es nun möglich geworden,
mit den neuen Antidiabetika den Hauptursachen von Mor-
talität und Morbidität bei Diabetikern vorzubeugen, mög-
licherweise auch bei Patienten ohne Diabetes, so Deanfield
abschliessend.
s
Valérie Herzog
Quelle: «Management of cardiovascular risk in diabetes», Cardiology Update 2019, 17. Dezember in London.
Referenzen: 1. Seshasai SRK et al.: Diabetes mellitus, fasting glucose, and risk of cau-
se-specific death. N Engl J Med 2011; 364: 829–841. 2. Di Angelantonio E et al.: Association of cardiometabolic multimorbidity
with mortality. JAMA 2015; 314: 52–60. 3. Collins R et al.: MRC/BHF Heart protection study of cholesterol-lowe-
ring with simvastatin in 5963 people with diabetes: a randomised placebo-controlled trial. Lancet 2003; 361: 2005–2016. 4. Gerstein HC et al.: Dulaglutide and cardiovascular outcomes in type 2 diabetes (REWIND): a double-blind, randomised placebo-controlled trial. Lancet 2019; 394: 121–130. 5. Marso SP et al.: Semaglutide and cardiovascular outcomes in type 2 diabetes. N Engl J Med 2016; 375: 1834–1844. 6. Marso SP et al.: Liraglutide and cardiovascular outcomes in type 2 diabetes. N Engl J Med 2016; 375: 311–322. 7. Zinman B et al.: Empagliflozin, cardiovascular outcomes, and mortality in type 2 diabetes. N Engl J Med 2015; 373: 2117–2128. 8. Neal B et al.: Canagliflozin and cardiovascular and renal events in type 2 diabetes. N Engl J Med 2017; 377: 644–657. 9. Perkovic V et al.: canagliflozin and renal Outcomes in type 2 diabetes and nephropathy. N Engl J Med 2015: 380: 2295–2306. 10. Wiviott SD et al.: Dapagliflozin and cardiovascular outcomes in type 2 diabetes. N Engl J Med 2019: 380: 347–357. 11. Newman JD et al.: The changing landscape of diabetes therapy for cardiovascular risk reduction: JACC State-of-the-Art Review. Am J Coll Cardiol 2018; 72: 1856–1869. 12. Zelniker TA et al.: Cardiac and renal effects of sodium-glucose co-transporter 2 inhibitors in diabetes: JACC State-of-the-Art Review. J Am Coll Cardiol 2018; 72: 1845–1855. 13. McMurray JJV et al.: Dapagliflozin in patients with heart failure and reduced ejection fraction. N Engl J Med 2019; 381: 1995–2008. 14. Hu FB et al.: Elevated risk of cardiovascular disease prior to clinical diagnosis of type 2 diabetes. Diabetes Care 2002; 25: 1129–1134. 15. O’Neil PM et al.: Efficacy and safety of semaglutide compared with liraglutide and placebo for weight loss in patients with obesity: a randomised, double-blind, placebo and active controlled, dose-ranging, phase 2 trial. Lancet 2018; 392; 637–649. 16. Twig G et al.: Body-mass index in 2.3 million adolescents and cardiovascular death in adulthood. N Engl J Med 2016; 374: 2430–2440.
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