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STUDIE REFERIERT
Akutes Koronarsyndrom
Duale Plättchenhemmung: Prasugrel im Vorteil
Bei Patienten mit akutem Koronarsyndrom ist eine duale Thrombozytenaggregationshemmung mit Prasugrel gegenüber derjenigen mit Ticagrelor hinsichtlich im Verlauf der Behandlung eintretender schwerwiegender Ereignisse wie Tod, Herzinfarkt oder Schlaganfall überlegen, wie eine aktuelle Multizenterstudie gezeigt hat.
New England Journal of Medicine
Bei Patienten mit akutem Koronarsyndrom (ACS) gilt eine duale Antiplättchentherapie, bestehend aus einem Antagonisten des Adenosindiphosphatrezeptors P2Y12 und Acetylsalicylsäure (ASS), als Standardbehandlung. Inzwischen bieten die neueren P2Y12-Antagonisten, das Drittgenerations-Thienopyridin Prasugrel und das Cyclopentyltriazolopyrimidin Ticagrelor, eine stärkere, schnellere und beständigere Plättchenhemmung als ihr Vorgänger Clopidogrel. Beide Substanzen haben ihre Vorteile gegenüber Clopidogrel in randomisierten Studien nachgewiesen und daraufhin eine Klasse-I-Empfehlung für den Einsatz bei Patienten mit ACS mit und ohne ST-Strecken-Hebung erhalten. Bis anhin existierten allerdings keine Daten zur Frage, welches der beiden Medikamente über eine Therapiedauer von einem Jahr hinsichtlich Wirksamkeit und Sicherheit bei ACS-Patienten mit geplanter invasiver Evaluation im Vorteil ist.
Vergleich von Strategien, nicht von Substanzen allein
Eine randomisierte Open-label-Multizenterstudie aus Deutschland hat sich nun dieser Fragestellung angenommen, wobei es sich dabei nicht um eine einfache Vergleichsstudie zweier Thrombozytenhemmer handelte, sondern eher um einen Vergleich zweier Plättchenhemmungsstrategien mit zwei verschiedenen Wirkstoffen. Denn im Unterschied zu
Ticagrelor, das gewöhnlich bei ACS ohne ST-Hebung schon vor Durchführung der diagnostischen Angiografie verabreicht wird, kommt Prasugrel erst im Anschluss nach Evaluation der Koronaranatomie zum Einsatz, da eine frühere Gabe keine Vorteile gezeigt hat. Insgesamt wurden 4018 ACS-Patienten, bei denen eine invasive Koronarangiografie geplant war, in die Studie eingeschlossen. Als zusammengesetzter primärer Endpunkt wurde das Ein- beziehungsweise Auftreten von Tod jedweder Ursache, Myokardinfarkt oder Schlaganfall nach einem Jahr definiert. Wesentlicher sekundärer Endpunkt (und gleichzeitig Sicherheitsendpunkt) waren Blutungsereignisse. Unter den 2012 Patienten in der Ticagrelorgruppe hatte bei 184 (9,3%) ein primäres Endpunktereignis stattgefunden, in der Prasugrelgruppe waren 137 (6,9%) von 2006 Patienten davon betroffen (Hazard-Ratio [HR]: 1,36, 95%-Konfidenzintervall [KI]: 1,09–1,70, p = 0,006). Im Einzelnen waren dabei unter Ticagrelor respektive Prasugrel 4,5 beziehungsweise 3,7 Prozent der Patienten verstorben, 4,8 beziehungsweise 3,0 Prozent erlitten einen Herzinfarkt und 1,1 beziehungsweise 1,0 Prozent einen Schlaganfall. Stentthrombosen traten insgesamt bei 1,3 Prozent (davon 1,1% definitiv) der Patienten unter Ticagrelor und bei 1,0 Prozent (davon 0,6% definitiv) unter Prasugrel auf. Majorblutungen (gemäss BARC-
[Bleeding Academic Research Consortium-]Skala) hatten sich bei 5,4 Prozent der Patienten unter Ticagrelor und bei 4,8 Prozent unter Prasugrel ereignet (HR: 1,12, 95%-KI: 0,83–1,51, p = 0,46).
Blutungsereignisse gleich häufig
Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass
die Strategie der Plättchenhemmung
mit Prasugrel derjenigen mit Ticagrelor
hinsichtlich des Auftretens von Tod,
Myokardinfarkt oder Schlaganfall nach
einjähriger Behandlungsdauer überle-
gen ist. Dabei war der hinsichtlich des
zusammengesetzten Endpunkts beob-
achtete Vorteil von Prasugrel haupt-
sächlich auf die im Vergleich zur Tica-
grelorbehandlung geringere Inzidenz
von Myokardinfarkten zurückzufüh-
ren. Die beobachtete Überlegenheit von
Prasugrel ging in dieser Studie nicht auf
Kosten eines höheren Risikos für Blu-
tungsereignisse, welche in der Ticagre-
lorgruppe sogar, wenn auch statistisch
nicht signifikant, häufiger aufgetreten
waren.
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RABE
Quelle: Schüpke S et al.: Ticagrelor or prasugrel in patients with acute coronary syndromes. N Engl J Med 2019, Sep 1; doi: 10.1056/NEJMoa1908973.
Interessenlage: Ein Teil der Autoren der referierten Originalstudie hat Forschungsunterstützung und/oder Honorare von diversen Pharmafirmen erhalten.
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ARS MEDICI 22 | 2019