Transkript
STUDIE REFERIERT
Therapie des Typ-2-Diabetes
Oraler GLP-1-Rezeptor-Agonist im Vergleich
Bisher standen GLP-1-Rezeptor-Agonisten in der Therapie des Typ-2-Diabetes nur als subkutan zu verabreichende Antidiabetika zur Verfügung. Eine Neuentwicklung macht es möglich, Semaglutid nun auch oral zu verabreichen, in naturgemäss höherer Dosierung als in der spritzbaren Form. Die blutzucker- und die gewichtssenkende Wirkung des oralen GLP-1-Rezeptor-Agonisten sind ebenfalls grösser als mit dem DPP-4-Hemmer Sitagliptin, wie die Vergleichsstudie PIONEER-3 zeigt.
JAMA
Das Ziel, bei einer Typ-2-DiabetesTherapie einen HbA1c-Wert von unter 7 Prozent zu erhalten, wird von vielen Patienten nicht erreicht. Die Auswahl an Antidiabetika, die als Zusatz zu Metformin zur Verfügung stehen, ist aktuell sehr gross. Welches Antidiabetikum dabei zum Einsatz kommt, ist abhängig von Komorbiditäten wie beispielsweise kardiovaskulären oder renalen Erkrankungen, Behandlungszielen wie Gewichtsreduktion sowie Sicherheitsaspekten wie Hypoglykämierisiko, Kosten und schliesslich auch Patientenpräferenzen. DPP-4-Hemmer senken in der Regel den Blutzucker in bescheidenem Umfang mit neutraler Wirkung auf das Gewicht. GLP-1-Rezeptor-Agonisten (RA) reduzieren den Blutzucker dagegen stärker und senken gleichzeitig auch das Gewicht. Darüber hinaus wurde für einige GLP-1-RA ein kardiovaskulärer Nutzen gezeigt, dieser fehlt beim Einsatz von DPP-4-Hemmern. Doch dank der bequemen oralen Verabreichung und des guten Sicherheitsprofils werden DPP-4-Hemmer sehr breit verschrieben. GLP-1-RA mussten bis vor Kurzem subkutan injiziert werden, da es sich um oral schlecht bioverfügbare und enzymatisch wie pH-abhängig schnell abbaubare Peptide handelt. Nun konnte eine Koformulierung mit einem Absorptionsbeschleuniger entwickelt werden, der dieses Problem löst und für Semaglutid eine oral gut absorbierbare Verabreichung erlaubt. Das orale Semaglutid zeigte in Studien versus Plazebo wie bereits sein subkutan zu verabreichender Vorgänger signifikante Verbesserungen bei der Blutzuckerkontrolle wie auch bei der Gewichtsreduktion. In der doppelblind randomisierten, multizentrischen PIONEER-3-Studie wurden die Wirksamkeit und die Sicher-
heit von oralem Semaglutid versus Sitagliptin bei Typ-2-Diabetikern als Zusatz zu Metformin mit oder ohne Sulfonylharnstoffe untersucht. Dazu erhielten 1864 Patienten täglich orales Semaglutid in den Dosen von 3, 7 oder 14 mg versus Sitagliptin 100 mg. Als primärer Endpunkt war die Reduktion des HbA1c-Werts beziehungsweise Nichtunterlegenheit definiert, als sekundärer Hauptendpunkt galt die Gewichtsreduktion, beides nach 26 Wochen sowie zusätzlich nach 52 und 78 Wochen. Die eingeschlossenen Patienten waren unter Metformin mit oder ohne Sulfonylharnstoffe ungenügend kontrolliert und hatten eine Ausgangs-HbA1c-Wert von 7 bis 10,5 Prozent. Weil die Absorption von oralem Semaglutid durch gleichzeitige Nahrungsaufnahme behindert sein kann, wurden die Patienten angewiesen, die Studienmedikationen morgens 30 Minuten vor dem Frühstück und weiteren Medikationen nüchtern mit einem Glas Wasser einzunehmen. Die Anfangsdosierung von Semaglutid betrug 3 mg pro Tag, wurde nach 4 Wochen auf 7 mg und nach weiteren 4 Wochen auf 14 mg erhöht, dies bis zum Erreichen der Randomisierungsdosis.
In den höheren Dosen überlegen
Nach 26 Wochen benötigten 5,4 Prozent der Patienten unter Semaglutid 3 mg, 2,4 Prozent unter Semaglutid 7 mg und 1,1 Prozent unter Semaglutid 14 mg eine Notfallmedikation, in der Sitagliptingruppe waren dies 2,8 Prozent. Im Verlauf der Studie nahmen diese Proportionen zu (47,9%; 35,4%; 28%; und 39,4% nach 72 Wochen). Die Veränderung des HbA1c-Werts als primärer Endpunkt betrug nach 26 Wochen −0,6 Prozent, −1,0 Prozent und
−1,3 Prozent unter Semaglutid 3, 7 und 14 mg/Tag. Die Reduktion unter Sitagliptin 100 mg/Tag lag bei −0,8 Prozent. Die Semaglutiddosierungen 7 und 14 mg/ Tag senkten den HbA1c-Wert signifikant tiefer als Sitagliptin (−0,3% [95%KI: −0,4 bis −0,1%; p < 0,001] und −0,5% [95%-KI: −0,6 bis −0,4%; p < 0,001], die Nichtunterlegenheit für Semaglutid 3 mg/Tag konnte dagegen nicht gezeigt werden. Die Gewichtsreduktion betrug unter Semaglutid 1,2 kg, 2,2 kg und 3,1 kg, unter Sitagliptin 0,6 kg. Dabei reduzierten die Semaglutiddosierungen 7 und 14 mg/Tag das Gewicht signifikant stärker als Sitagliptin (−1,6 bzw. −2,5 kg; p jeweils < 0,001). Nach 78 Wochen lag die Reduktion des HbA1c-Werts unter Semaglutid 7 mg wie auch unter 14 mg signifikant tiefer als in der Sitagliptingruppe. Dies traf auch für die Gewichtsreduktion zu. In den Semaglutid-7- und -14-mg-Gruppen erreichten signifikant mehr Patienten die HbA1c-Marke unter 7 Prozent als unter Sitagliptin, und es verloren signifikant mehr Patienten mehr als 5 Prozent ihres Körpergewichts. Die Verträglichkeit von Semaglutid war dosisabhängig. Am häufigsten traten gastrointestinale Nebenwirkungen unter Semaglutid 14 mg auf sowie Infektionen und Infestationen in den Semaglutid-3- und -7-mg-Gruppen und unter Sitagliptin. Die beobachteten gastrointestinalen Nebenwirkungen waren meist mild bis moderat, darunter am häufigsten Nausea (7,3%; 13,4%; 15,1% unter Semaglutid 3 mg, 7 mg, 14 mg vs. Sitagliptin 6,9%). Die Anzahl schwerer Nebenwirkungen war in allen Gruppen ähnlich. Nebenwirkungen, die zum Studienabbruch führten, traten zu 5,6, 5,8 und 11,6 Prozent unter Semaglutid 442 ARS MEDICI 12 | 2019 STUDIE REFERIERT 3 mg, 7 mg, 14 mg auf, unter Sitagliptin bei 5,2 Prozent. Symptomatische Hypoglykämien traten unter Semaglutid seltener auf (4,9%; 5,2%; 7,7% vs. 8,4%). Fazit Bei unter Metformin mit oder ohne Sulfonylharnstoffen schlecht kontrolliertem Blutzucker zeigte orales Semalglutid 7 und 14 mg, nicht aber 3 mg, eine signifikant stärkere Blutzuckersenkung nach 26 Wochen als Sitagliptin 100 mg. Weitere Vergleichsstudien mit oralem Semaglutid und anderen Antidiabetika werden folgen. Die Überlegenheit von oralem Semaglutid über Sitagliptin in Bezug auf HbA1cund Gewichtssenkung deckt sich mit vorgängigen Vergleichsstudien, in denen bereits injizierbare GLP-1-RA den DPP4-Hemmern überlegen waren. Neben dem stärkeren Effekt auf den Blutzucker senkt eine Gewichtsreduktion auch den kardiovaskulären Risikofaktor Übergewicht, was gerade bei adipösen Typ-2-Diabetes-Patienten von Vorteil ist. Das Langzeitnebenwirkungsprofil ist ein Klasseneffekt der GLP-1-RA, die meisten gastrointestinalen Nebenwirkungen waren milder bis moderater Natur. DPP-4-Hemmer ver- ursachen dagegen weniger gastrointes- tinale Nebenwirkungen als GLP-1-RA. VH s Rosenstock J et al.: Effect of additional oral semaglutide vs sitagliptin on glycated hemoglobin in adults with type 2 diabetes uncontrolled with metformin alone or with sulfonylurea: the PIONEER 3 randomized clinical trial. JAMA 2019; 321: 1466–1480. Interessenlage: 6 von 10 Autoren erhalten Honorare für Tätigkeiten wie die Mitwirkung an Advisory Boards von zahlreichen Pharmafirmen, darunter Novo Nordisk. 2 Autoren sind Angestellte von Novo Nordisk. Die Studie wurde von Novo Nordisk finanziert. 444 ARS MEDICI 12 | 2019