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STUDIE REFERIERT
Vorhofflimmern
Gezielte Therapie der Begleiterkrankungen führt schneller zurück zum Sinusrhythmus
Die ungenügende Behandlung einer Hypertonie oder Herzinsuffizienz begünstigt eine Strukturveränderung am Vorhof und damit die Persistenz eines Vorhofflimmerns. Eine frühzeitige und gezielte Therapie dieser Grunderkrankungen kann die Rückkehr zum Sinusrhythmus erleichtern.
European Heart Journal
Vorhofflimmern (VHF), insbesondere wenn es mit einer koronaren Herzkrankheit (KHK) kombiniert ist, führt bei Persistenz zu einer erhöhten kardiovaskulären Morbidität und Mortalität. Die möglichst dauerhafte Erhaltung eines Sinusrhythmus verbessert die Prognose eines VHF erheblich. Dennoch gestaltet sich das Aufrechterhalten des Sinusrhythmus selbst nach einer Ablation mühsam. Strukturelle Veränderungen des Vorhofs begünstigen das Fortbestehen eines VHF. Verschiedene Mechanismen verursachen eine Umbildung der Vorhofstruktur, unter anderem die Aktivierung des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems (RAAS) und Entzündungen. Diese Erkenntnisse über die pathophysiologischen und strukturellen Veränderungen bei persistierendem VHF haben dazu geführt, dass Begleiterkrankungen mit negativem Einfluss auf die Vorhofstruktur möglichst früh behandelt und damit kardiovaskuläre Risiken minimiert werden. Im Gegensatz zur konventionellen Therapie des VHF, bei der Antiarrhythmika eine Veränderung von Herzfrequenz und Refraktärzeit bewirken sollen, basiert eine gezielte Therapie auf der medikamentösen Behandlung der Grunderkrankung sowie auf Veränderungen in der Lebensführung. Als Medikamente werden dafür ACE(angiotensin-converting enzyme-)Hemmer, Angiotensin-II-Rezeptor-Antagonisten vom Subtyp 1 (AT1), Aldosteronantagonisten und Statine eingesetzt.
Konventionell und gezielt behandeln
Die in den Niederlanden durchgeführte RACE-3-Studie beabsichtigte, die Überlegenheit einer gezielten Therapie der
Grunderkrankung gegenüber der konventionellen Therapie bei Patienten mit seit Kurzem persistierendem VHF und Herzinsuffizienz nachzuweisen. Zwischen Mai 2009 und November 2015 wurden an insgesamt 17 verschiedenen Zentren 250 Patienten rekrutiert; eingeschlossen wurden schliesslich 245 Patienten mit VHF, das seit maximal 5 Jahren bekannt war und länger als 7 Tage, jedoch höchstens über 6 Monate persistierte. Die Auswurffraktion des linken Ventrikels musste erhalten sein oder mindestens 45 Prozent betragen. Bei allen Studienpatienten wurden VHF und Herzinsuffizienz gemäss den ESC-Guidelines von 2012 behandelt und die Therapie zur Herzrhythmuskontrolle weitergeführt. 3 Wochen nach Studieneinschluss wurde bei allen Patienten eine elektrische Kardioversion durchgeführt. Bei einem Rückfall ins VHF wurden die Kardioversion wiederholt, Antiarrhythmika verabreicht oder eine Vorhofablation vorgenommen. Die Interventionsgruppe (n = 119) erhielt darüber hinaus eine medikamentöse Therapie mit Aldosteronantagonisten (Spironolacton, Elperenon), Statinen (Simvastatin, Rosuvastatin), ACE-Hemmern (Enalapirl, Perindopril) oder AT1-Rezeptor-Antagonisten (Losartan, Telmisartan) in der maximal tolerierten Dosis. Blutdruckwerte von weniger als 120/80 mmHg wurden angestrebt. Die zusätzlich durchgeführte kardiale Rehabilitation umfasste körperliche Aktivitäten, Diätvorschriften und regelmässige ärztliche Kontrollen mit dem Ziel, die Adhärenz für Medikamenteneinnahme, körperliche Aktivität und Ernährungsempfehlungen zu verbessern. Primärer Endpunkt der Studie war ein einwöchiges Holter-
EKG 1 Jahr nach Interventionsbeginn, das einen Sinusrhythmus während sechs Siebtel der registrierten Zeit aufzeigen sollte. Zu den sekundären Endpunkten gehörten unter anderem die Anzahl notwendig gewordener elektrischer Kardioversionen oder Vorhofablationen, zusätzlich verordnete Antiarrhythmika, Blutdruckwerte, allfällige Hospitalisationen und die Gesamtmortalität.
Häufiger Sinusrhythmus bei frühzeitiger Begleittherapie
Nach 1 Jahr konnte bei 89 Patienten der Interventionsgruppe (75%) ein Sinusrhythmus nachgewiesen werden, in der Kontrollgruppe waren es hingegen nur 79 Patienten (63%; Odds-Ratio [OR]: 1,765; 2-seitiger p-Wert: 0,042). Einen dauerhaften Sinusrhythmus (ohne kurzzeitigen Rückfall in ein VHF für < einen Siebtel eines einwöchigen Holter-EKG) zeigten in der Interventionsgruppe 71 (62%), in der Kontrollgruppe 63 (52%) der Patienten (OR: 1,494, p = 0,131). Bezüglich des B-natriuretischen Peptids zum Nachweis einer Herzinsuffizienz (NT-proBNP) sowie des Blutdrucks und des Lipidprofils war in der Interventionsgruppe eine signifikante Verbesserung nachweisbar (p < 0,001). Die Studie konnte zeigen, dass mit einer frühzeitigen und gezielten Therapie von Hypertonie und Herzinsuffizienz bei Patienten mit VHF eine wertvolle Senkung des Blutdrucks und der Blutlipide sowie eine Verbesserung der Herzinsuffizienz und eine längere Erhaltung des Sinusrhythmus erreicht werden können. Die Resultate anderer Studien, wonach eine frühzeitige Therapie der Grunderkrankungen bei Patienten mit
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VHF die Rückkehr in einen Sinusrhythmus begünstigt, wurden damit bestätigt. Dies gilt vor allem für Patienten mit Adipositas, wenn eine Gewichtsreduktion und eine Verbesserung der Fitness erreicht werden, sowie für Patienten mit Hypertonie oder Herzinsuffizienz, wenn rechtzeitig eine antihypertensive oder eine erfolgreiche Therapie der Herzinsuffizienz etabliert wird. Die Studie konnte allerdings nicht differenzieren, welche der vier eingesetzten Medikamente letztlich dazu beigetragen haben, dass ein VHF weniger häufig aufgetreten ist. Eine mögliche Erklärung für den positiven
Effekt hinsichtlich der Verhinderung von strukturellen Veränderungen am Vorhof durch ACE-Hemmer, AT1-Rezeptor-Antagonisten und Aldosteronantagonisten könnten unter anderem auch deren antifibrotische beziehungsweise bei Statinen deren entzündungshemmende Eigenschaften sein. Obwohl die Resultate bezüglich Gewichtreduktion und Verbesserung des Body-MassIndexes (BMI) relativ bescheiden ausfielen, trägt sicherlich auch die kardiale Rehabilitation zur Strukturerhaltung des Vorhofs bei. Allerdings muss festgehalten werden, dass das 1-jährige Follow-up dieser Studie zu kurz angelegt
war, um den langfristigen Nutzen beziehungsweise die dauerhafte Aufrechterhaltung eines Sinusrhythmus bei gezielter Therapie der Vorerkrankungen von Patienten mit VHF zu beweisen.
MIK L
Quelle: Rienstra M et al.: Targeted therapy of underlying conditions improves sinus rhythmmaintenance in patients with persistent atrial fibrillation: results of the RACE 3 trial. Eur Heart J 2018, published online Feb 1; doi: 10.1093/ eurheartj/ehx739.
Akutes Koronarsyndrom
Duale Plättchenhemmung nach Stenteinlage: 6 oder 12 Monate?
Patienten mit akutem Koronarsyndrom und frisch implantiertem Stent benötigen eine verlässliche Thrombozytenaggregationshemmung. Die Resultate der SMART-DATE-Studie beweisen zwar weitgehend die Nichtunterlegenheit einer 6-monatigen gegenüber einer 12-monatigen Therapie. Aufgrund der erhöhten Myokardinfarktrate kann die Reduktion der Behandlungsdauer dennoch nicht empfohlen werden.
Lancet
Patienten mit einem akuten Koronarsyndrom (ACS) haben im Vergleich zu Patienten mit einer stabilen koronaren Herzkrankheit (KHK) ein höheres Risiko, erneut ein ischämisches Ereignis zu erleiden. Deshalb wird bei Patienten mit ACS präventiv eine mehrmonatige Behandlung mit Thrombozytenaggregationshemmern empfohlen. Auch nach perkutaner Stenteinlage aufgrund eines ACS empfehlen sowohl die Guidelines des American College of Cardiology und der American Heart Association (ACC/AHA) als auch diejenigen der Europaen Society of Cardiology (ESC) eine zweifache Thrombozytenaggregationshemmung (dual antiplatelet therapy, DAPT) mit Acetylsalicylsäure (ASS [Aspirin cardio®]) und einem P2Y12-Antagonisten (Clopidogrel [Plavix®], Prasugrel [Efient®], Ticagre-
lor [Brilique®]). Die Therapie soll über
12 Monate oder länger durchgeführt
werden, ausser wenn relevante Kontra-
indikationen wie ein übermässiges Blu-
tungsrisiko vorliegen. Dennoch bleibt
die optimale Dauer der Thrombozyten-
aggregationshemmung bei Patienten
mit ACS und Status nach perkutaner
koronarer Intervention (PCI) mit einem
medikamentenfreisetzenden
Stent
(drug-eluting stent, DES) umstritten.
Open-label-Studie mit 2712 Patienten
Die vorliegende SMART-DATE-Studie
wurde mit dem Ziel durchgeführt, die
Nichtunterlegenheit einer 6-monatigen
DAPT gegenüber einer DAPT über
12 oder mehr Monate zu beweisen. Es
handelt sich um eine multizentrisch
durchgeführte, prospektive, randomi-
sierte Open-label-Studie aus Südkorea. Zwischen September 2012 und Dezember 2015 wurden Patienten mit einem ACS rekrutiert. Ein ACS umfasste eine instabile Angina pectoris, einen NichtST-Strecken-Hebungs-Myokardinfarkt (non ST-segment-elevation myocardial infarction, NSTEMI) oder einen STStrecken-Hebungs-Myokardinfarkt (ST-segment elevation myocardial infarction, STEMI). Die Studienpatienten mussten mindestens eine Läsion eines Koronargefässes mit einem Durchmesser von 2,25 bis 4,25 mm und einer visuell abgeschätzten Stenose von 50 Prozent oder mehr aufweisen, welche mittels PCI behandelt werden sollte. Aus der Studie ausgeschlossen wurden Patienten mit bekannter Kontraindikation für ASS, Clopidogrel, Heparin, das Kontrastmittel oder für die von den
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Stents abgegebenen Medikamente. Weitere Ausschlusskriterien waren schwere Blutungen während der letzten 3 bzw. grosse chirurgische Eingriffe während der letzten 2 Monate und eine Lebenserwartung von weniger als 2 Jahren. Die insgesamt 2712 rekrutierten Patienten wurden in zwei Gruppen randomisiert. Nach perkutaner Einlage eines DES (Biolimus-, Everolimus- oder Zotarolimusstent) erhielten 1375 Patienten über 6 Monate eine duale Thrombozytenaggregationshemmung mit ASS und einem P2Y12-Antagonisten (Clopidogrel, Prasugrel oder Ticagrelor). Nach Ablauf der 6 Monate wurde die Plättchenhemmung nur noch mit ASS weitergeführt. Eine zweite Gruppe von 1355 Patienten erhielt nach Stenteinlage die DAPT gemäss den Leitlinien der ACC/AHA und ESC über 12 Monate oder länger. Prasugrel und Ticagrelor wurden in Südkorea erst während der laufenden Studie zugelassen und deshalb nicht vor Dezember 2014 in der Studie verwendet. Falls notwendig, wurden alle Studienteilnehmer gemäss den Guidelines zusätzlich mit einem Statin, Betablockern oder ACE(«angiotensin-converting enzyme») Hemmern behandelt. Klinische Followups erfolgten 1, 6, 12 und 18 Monate nach perkutaner Stenteimplantation. Die Gesamtmortalität, ein Myokardinfarkt oder ein Hirnschlag 18 Monate nach der Intervention wurden gemeinsam als primärer Endpunkt zusammengefasst. Als sekundäre Endpunkte galten unter anderem die jeweiligen kardialen oder zerebralen Zwischenfälle als individuelle Ereignisse, der Herztod eines Patienten, Stentthrombosen oder sogenannte BARC-(«Bleeding Academic Research Consortium»-)Blutungen.
Myokardinfarkte bei 6-monatiger Therapie häufiger
Die Studie wurde als Nichtunterlegenheitsstudie angelegt. Das Durchschnittsalter der Patienten lag bei 62 Jahren. Der Anteil an Patienten mit STEMI betrug in beiden Behandlungsgruppen mehr als 37 Prozent, derjenige von Patienten mit NSTEMI mehr als 31 Prozent, und an einer instabilen Angina pectoris litten 31 beziehungsweise 30,7 Prozent der Patienten. Die drei verschiedenen medikamentenbeschichteten Stens wurden je zu einem Drittel ver-
wendet. Nach 18 Monaten traten die als primärer Endpunkt definierten schweren kardialen und zerebrovaskulären Ereignisse bei 63 Patienten der Gruppe mit 6-monatigen DAPT und bei 56 Patienten der 12-monatigen DAPTGruppe auf (kumulative Ereignisrate: 4,7% vs. 4,2%; p non-inferiority = 0,03 bei einer vordefinierten Nichtunterlegenheitsschwelle von 2,0%). Zwischen den beiden Behandlungsgruppen konnte bezüglich der Gesamtmortalität kein Unterschied festgestellt werden (2,6 vs. 2,9%; HazardRatio [HR]: 0,90; p = 0,90). Jedoch kam es in der Gruppe mit 6-monatiger DAPT vermehrt zu Myokardinfarkten (1,8 vs. 0,8%; HR: 2,41; p = 0,02). Unter der kürzer dauernden Plättchenhemmung traten sowohl vermehrt Infarkte der Stentarterien als auch solche der benachbarten Koronargefässe auf. Das Risiko einer Stentthrombose oder eines Hirninfarkts hingegen lag bei beiden Behandlungsgruppen wieder ähnlich hoch. Obwohl im Hinblick auf Blutungskomplikationen kein signifikanter Zusammenhang zwischen der Dauer der DAPT und der Stärke des P2Y12Antagonisten gefunden werden konnte, tendierten Patienten mit einem potenten Plättchenhemmer (Prasugrel oder Ticagrelor) eher zu Blutungen als Patienten unter Clopidogrel (HR: 1,54; p = 0,08).
12-monatige DAPT nach Stenteinlage weiterhin empfohlen
Die Nichtunterlegenheit einer 6-monatigen dualen Thrombozytenaggregationshemmung gegenüber einer 12-monatigen Behandlung konnte zwar mit dieser Studie für die Gesamtmortalität, Hirninfarkte, Stentthrombosen und für schwere Blutungen nachgewiesen werden. Jedoch liegt die Myokardinfarktrate unter 6-monatiger DAPT signifikant höher als bei der 12-monatigen DAPT. Eine mögliche Erklärung hierfür könnte die Zunahme an Stentthrombosen nach Absetzen des P2Y12-Hemmers sein, obwohl sich die Gesamtzahl der Stentthrombosen zwischen den beiden untersuchten Behandlungsregimen nicht signifikant unterschied. Erwähnt werden muss, dass in der vorliegenden Studie vorzugsweise Clopidogrel eingesetzt wurde, was zu einem gewissen Bias hinsichtlich der Nichtunterlegenheit der 6-monatigen DAPT geführt haben kann,
da die potenteren P2Y12-Hemmer Pra-
sugrel und Ticagrelor zu besseren Re-
sultaten bei der Thrombozytenaggrega-
tionshemmung führen. Zurzeit sind
zwei weitere Studien, DAPT STEMI
und REDUCE, daran, eine Kurzzeit-
DAPT mit derjenigen über 12 Monate
zu vergleichen. Beide erwähnten Stu-
dien, von welchen bisher nur Zwischen-
resultate am TCT-(«Transcatheter Car-
diovascular Therapeutics»-)Kongress
2017 veröffentlicht wurden, lassen kei-
nen signifikanten Unterschied bei der
Häufigkeit von Myokardinfarkten
unter Kurzzeitbehandlung erkennen,
Blutungen treten bei kurzer Behand-
lungsdauer (erwartungsgemäss) sogar
seltener auf. Aufgrund der Resultate
aus der hier besprochenen SMART-
DATE-Studie kann jedoch vorderhand
eine Änderung der geltenden Guidelines
für die duale Thrombozytenaggrega-
tionshemmung nach Stentimplantation
nicht befürwortet und die 12-monatige
DAPT nach ACS und DES weiterhin
nur empfohlen werden.
MIK L
Quelle: Hahn JY et al.: 6-month versus 12-month or longer dual antiplatelet therapy after percutaneous coronary intervention in patients with acute coronary syndrome (SMART-DATE): a randomised, open-label, non-inferiority trial. Lancet 2018; 391: 1274–1284.
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