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LDL-C-Senkung bei kardiovaskulären Hochrisikopatienten
Womit, wie tief – und wie sicher?
Als Medikamente zur Senkung des LDL-Cholesterins (LDL-C) im Blut stehen seit wenigen Jahren die PCSK9-(Proproteinkonvertase-Subtilisin/Kexin-Typ-9-)Hemmer zur Verfügung. Mit diesen neuen Substanzen lassen sich die LDL-C-Werte sehr effektiv auf sehr niedrige Levels absenken. Doch für welche Patienten ist eine solche extreme LDL-C-Senkung geeignet, und welche Nebenwirkungen können damit einhergehen? Wann und bei wem ist der Einsatz von PCSK9-Hemmern angezeigt, und wie sieht das Sicherheitsprofil dieser neuen Substanzen aus? Auf diese und andere Fragen ging Professor Dr. François Mach, Chefarzt Kardiologie, Hôpitaux Universitaires Genève, in einem Vortrag anlässlich des 22. Zürcher Herzkreislauftages ein und beleuchtete dabei speziell die Indikationen und die Praxis des klinischen Einsatzes von PCSK9-Hemmern in der Schweiz.
Eine zu hohe Konzentration von Cholesterin, insbesondere von LDL-(«low-density lipoprotein»-)Cholesterin (LDL-C), im Blut stellt einen wesentlichen Risikofaktor für atherosklerotische kardiovaskuläre (CV-)Ereignisse wie Herzinfarkt, Schlaganfall oder periphere arterielle Verschlusskrankheit (pAVK) dar. Ein solcher erhöhter Cholesterinspiegel (Hypercholesterinämie) kann auf verschiedenste Ursachen zurückgehen, so zum Beispiel auf genetische Erkrankungen wie die familiäre Hypercholesterinämie (FH), auf Überernährung und Adipositas, Diabetes mellitus, Niereninsuffizienz, Lebererkrankungen oder Hypothyreose. Zu Beginn seiner Ausführungen stellte Prof. Mach noch einmal den weltweit dominierenden Stellenwert der koronaren Herzkrankheit (KHK) bei der Analyse der Todesursachen dar. Die Prävalenz der KHK, die auch gemäss Weltgesundheitsorganisation (WHO) inzwischen das Ausmass einer wahren Pandemie angenommen hat, nimmt immer noch weiter zu und stellt aufgrund der durch sie bedingten immensen Gesundheitskosten auch eine grosse sozioökonomische Herausforderung dar. Auch hierzulande gilt die KHK beziehungsweise die Atherothrombose als die Todesursache Nummer 1 und wird in ihrer Ausprägung durch verschiedene miteinander in Zusammenhang stehende Risikofaktoren wie Tabakrauchen, viel Sitzen, Übergewicht, Bluthochdruck, Diabetes und Fettstoffwechselstörungen bestimmt.
Je niedriger das LDL-C, desto geringer das kardiovaskuläre Risiko
Dass ein kausaler Zusammenhang zwischen erhöhten Cholesterinwerten und dem Auftreten von atherosklerotischen CV-Ereignissen besteht, ist inzwischen unbestritten und erst kürzlich in einem Konsensuspapier des European Athero-
sclerosis Society (EAS) Consensus Panel (1) bekräftigt worden. Randomisierte, kontrollierte Studien (RCT) mit ihrer durchschnittlichen Dauer von 5 Jahren haben den Nachweis erbracht, dass, je niedriger das LDL-C durch aktive Behandlung abgesenkt werden konnte, das Risiko für künftige CVEreignisse desto geringer ausfällt. Auch prospektive Kohortenstudien, die mit Follow-up-Zeiten von im Mittel 12 Jahren wesentlich längere Beobachtungszeiträume abdeckten, kamen zu ähnlichen Ergebnissen, welche bezüglich der unter jeweiliger LDL-C-Senkung beobachteten Reduktion von CVEreignissen sogar eine noch ausgeprägtere Dosisabhängigkeit zeigten. Noch deutlicher war die Dosis-Wirkungs-Beziehung bei der Analyse von Daten aus genetischen beziehungsweise Mendel-Randomisierungs-Studien an Patienten mit Genmutationen, welche lebenslang entweder zu höheren oder niedrigeren LDL-C-Spiegeln führen. Hier konnten die Effekte über Zeiträume von bis zu 50 Jahren analysiert werden. Es ergab sich über sämtliche Untersuchungsmodalitäten mit jedweder medikamentös oder genetisch bedingten Senkung der Plasma-LDL-C-Konzentration eine entsprechende Verminderung des Risikos für atherosklerotische CV-Ereignisse, welche proportional war sowohl zur absoluten LDLC-Reduktion als auch zur kumulierten Dauer der Exposition gegenüber geringeren LDL-C-Spiegeln. Gemäss den Leitlinien der European Society of Cardiology (ESC) und der EAS zur Dyslipidämie soll bei CV-Hochrisikopatienten eine therapeutische Absenkung der LDL-C-Konzentration auf Werte von weniger als 1,8 mmol/l beziehungsweise um 50 Prozent vom Ausgangswert, wenn dieser zwischen 1,8 und 2,5 mmol/l liegt, angestrebt werden. «Dies ist ohne Statine unmöglich», so Mach. Daher gilt für diese Patienten eine Klasse-I/Level-A-Empfehlung zur Gabe von Sta-
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tinen in höchstmöglicher Dosierung als Erstlinientherapie. Aus verschiedenen Gründen werden jedoch nicht alle Patienten die Targets allein mit Statinen erreichen, daher empfehlen die Leitlinien die Ergänzung der Therapie mit Ezetimib. Auch für Patienten, bei denen eine Erhöhung der Statindosis auf-
grund von Nebenwirkungen (meist Muskelschmerzen) nicht möglich ist, wird Ezetimib als Add-on empfohlen (IIa/C). Falls Statine in der Maximaldosis nicht toleriert und auch nach Zugabe von Ezetimib (10 mg, 1 Dosis) die Zielwerte nicht erreicht werden, ist der Einsatz eines PCSK9-Inhibitors in Erwägung zu ziehen (IIb/C).
PCSK9-Inhibitoren – Studien zu Sicherheitsaspekten
LDL-C-Senkung mit Evolocumab auf sehr niedrige Werte ist klinisch effektiv und sicher
Giugliano RP et al., Lancet 2017; 390: 1962–1971: Sekundäranalyse der FOURIER-Studie (26 000 Pat., Statin und/oder
Ezetimib ± Evolocumab) gleichbleibende Assoziation von LDL-C-Senkung und dem Risiko für
kardiovaskuläre Ereignisse bis hinunter zu LDL-C-Konzentrationen von < 0,2 mmol/l keinerlei Anlass zu Sicherheitsbedenken während 2,2 Jahren Follow-up Koren MJ et al., JAMA Cardiol 2017; 2: 598–607: OSLER-1-Extensionsstudie (ca. 1300 Pat., bis anhin längste Exposition mit einem PCSK9-Hemmer im Rahmen einer klinischen Studie, Nachbeobachtungszeit: 4 Jahre) Evolocumab (zusätzlich zu Standardbehandlung) erzielt anhaltende Senkung der LDL-C-Spiegel kein häufigeres Auftreten unerwünschter Ereignissen bei kumulativer Exposition Robinson JG et al., J Am Coll Cardiol 2017; 69: 471–482: Metaanalyse von 14 RCT zur Sicherheit einer LDL-C-Senkung (Alirocumab: n=3340, Kontrolle [Plazebo/Ezetimib]: n=1894) auf konsekutiv <25 und <15 mg/dl LDL-C-Spiegel <25 oder <15 mg/dl unter Alirocumabtherapie waren nicht mit einer Zunahme der Raten von während der Behandlung aufretenden Nebenwirkungen (allgemein, neurokognitiv) assoziiert. Lediglich die Kataraktinzidenz war in der Gruppe mit LDL-C-Spiegeln < 25 mg/dl höher als bei denjenigen Patienten, welche dieses tiefe Level nicht erreichten
Keine neurokognitiven Nebenwirkungen unter PCSK9-Hemmer-Therapie
Giugliano RP et al., NEJM 2017; 377: 633–643: ca. 1200 Pat., 19 Monate Follow-up keine signifikanten Unterschiede hinsichtlich Gedächtnisleistungs-
Endpunkten zwischen der plazebo- und der evolocumabbehandelten (zusätzlich zu Statintherapie) Gruppe keine Assoziation zwischen LDL-C-Spiegeln und kognitiven Veränderungen Harvey PD et al., Eur Heart J 2017; doi:10.1093/eurheartj/ehx661: Metaanalyse von 14 Phase-II- und -III-RCT (insg. 3340 Pat., die meisten unter Background-Statinmedikation in maximal tolerierter Dosis, randomisiert zu zusätzlich Alirocumab, Plazebo oder Ezetimib, 2 Jahre Follow-up) keine Evidenz einer Assoziation von neurokognitiven Nebenwirkungen mit der Alirocumabtherapie insgesamt geringe Inzidenz neurokognitiver unerwünschter Ereignisse unter Behandlung (≤ 1,2%), keine signifikanten Unterschiede zwischen alirocumabbehandelter Gruppe und Kontrollen keine Assoziation zwischen neurokognitiven Nebenwirkungen und LDL-C-Spiegeln < 25 mg/dl
PCSK9-Inhibitoren senken LDL-C-Spiegel drastisch
Derzeit sind als lipidsenkende Medikamente aus der Klasse der PCSK9-Hemmer mit Evolocumab (Repatha®) und Alirocumab (Praluent®) zwei verschiedene Substanzen auf dem Markt erhältlich, welche als monoklonale Antikörper PCSK9 binden und so die Aufnahme von LDL-C aus dem Blut in die Leber erhöhen. Die Präparate zeichnen sich durch eine lange Halbwertszeit aus und werden entweder in zweiwöchentlichen oder monatlichen Abständen subkutan injiziert. Die Entwicklung der PCSK9-Hemmer hat ihren Ursprung ebenfalls in Untersuchungen an Trägern von Mutationen, welche zu verminderten PCSK9-Spiegeln und mithin zu einem vergleichsweise geringeren Myokardrisiko führen. Wie nachfolgende Studien (3) allerdings ergaben, erhöht sich mit einer solchen Mutation wie auch mit einer genetisch bedingten Verminderung der HMG-CoA-(3-Hydroxy-3-Methylglutaryl-Coenzym A-)Reduktase (des biochemischen Angriffspunkts von Statinen) das Risiko für Diabetes, was sich weder unter Statinbehandlung noch in den PCSK9-HemmerStudien gezeigt hat, wo die entsprechende Wirkung aber auch nur wenige Jahre und nicht wie im Falle der Mutationsträger lebenslang andauerte. «Falls wir fortfahren mit der PCSK9-Therapie, was wir wohl müssen, wäre ich nicht überrascht, wenn wir in 5, 10 oder 15 Jahren in manchen Populationen eine ähnliche Erhöhung des Diabetesrisikos beobachten», prophezeite der Referent. Was bewirkt nun die effektive LDL-C-Senkung durch PCSK9-Hemmer? Wie in der GLAGOV-Studie (4) gezeigt, wird bei massiver Verminderung von LDL-C (<1 mmol) durch zusätzliche Gabe von Evolocumab das Atheromavolumen zwar signifikant, aber absolut nur um 1 Prozent gesenkt. «Wir wissen noch nicht, was dies für das Auftreten von zukünftigen kardiovaskulären Ereignissen bedeutet», so Mach. Klar ist jedoch, dass die durch Gabe von Evolocumab zusätzlich zu Statin und/oder Ezetimib erzielte drastische LDLC-Reduktion zu einer signifikanten Senkung des Risikos für zukünftige Myokardinfarkte, Schlaganfälle und kardiovaskulär bedingte Todesfälle führt, wie in der FOURIER-Studie (5) an insgesamt 27 000 Hochrisikopatienten über eine Nachbeobachtungszeit von im Mittel 2½ Jahren gezeigt werden konnte.
Sicherheitsaspekte der massiven LDL-C-Senkung
Eine Subanalyse (6) dieser Studie weist darüber hinaus darauf hin, dass sogar bei Patienten mit auf extrem niedrige Levels abgesenkten LDL-C-Werten (< 0,4 mmol) noch eine signifikante Risikoreduktion erfolgt. «Wir sind daher drauf und dran, für Hochrisikopatienten sogar eine Senkung der LDLC-Werte in den Gefässen auf nahezu 0 als sinnvoll zu erachten», so der Referent, «zumindest sollten sie so weit wie möglich reduziert werden.»
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S Stärken (strengths):
• nur 1–2 Injektionen/Monat erforderlich (erhöht Compliance)
• LDL-C im Zielbereich • (bis jetzt) wenig bis keinerlei
Nebenwirkungen
W Schwächen (weaknesses):
• Langzeit-Follow-up hinsichtlich kardiovaskulärer Ereignisse fehlt bis anhin (bisherige Studien haben zumindest einen andauernden offenen Arm zur Überwachung der Sicherheit)
• hohe Behandlungskosten
O Möglichkeiten
(opportunities):
• senken LP(a) (Ursachen und Auswirkungen derzeit noch unklar)
• erhöhen HDL-C (Ursachen und Auswirkungen derzeit noch unklar)
• ersetzen bei vielen Patienten die Statineinnahme (ist dies angesichts der Tatsache, dass die in Studien beobachtete LDLC-Senkung mit PCSK9-I zusätzlich zu Statin ± Ezetimib erzielt wurde, als positiv zu bewerten?)
T Gefahren (threats):
• potenzielle
Langzeitnebenwirkungen
Abbildung: PCSK9-(Proproteinkonvertase-Subtilisin/Kexin-Typ-9-)Inhibitoren (PCSK9-I) – SWOT-Analyse (nach F. Mach; LDL-C: «Lowdensity-lipoprotein»-Cholesterin, LP(a): Lipoprotein (a), HDL-C: «High-density-lipoprotein»-Cholesterin)
Könnte ein solch aggressives medikamentöses Herunterregulieren von LDL-C nun aber nicht vielleicht doch schädlich für bestimmte Körperfunktionen sein? Immerhin gab es zuletzt Hinweise, dass es unter einer lipidsenkenden Therapie mit Statinen vermehrt zum Auftreten von neurokognitiven Störungen kommen kann. Hier präsentierte der Referent allerdings ebenfalls eigene Daten (7), gemäss denen weder für Statine noch für Evolocumab von Baseline bis Ende der Studie eine Beeinträchtigung der neurokognitiven Funktion zu beobachten war. Auch in der OSLER-Extension-Studie (8) mit Evolocumab zeigte sich zumindest auch während der auf 4 Jahre ausgedehnten Follow-up-Zeit kein vermehrtes Auftreten von Nebenwirkungen (siehe auch Tabelle «Sicherheitsaspekte»). Wie sich durch die Langzeitbeobachtung zeigt, dauert die durch Behandlung mit entweder Alirocumab oder Evolocumab als Add-on zu Statin/Ezetimib erzielte massive Reduktion von LDL-C für Wochen, ja sogar Jahre an. Dass die Effektgrösse hinsichtlich der Risikoreduktion dagegen bei kürzerer Therapiedauer (z.B. in der FOURIER-Studie nur 2½ Jahre) geringer auszufallen scheint, darauf weist eine kürzlich veröffentlichte Metaanalyse (9), durchgeführt ebenfalls unter Beteiligung des Referenten, hin. Die beste Risikoreduktion bezüglich zukünftiger CV-Ereignisse ergibt sich nach Ansicht Machs bei einem Therapiebeginn mit hohen LDL-C-Spiegeln und der Möglichkeit zur massiven Senkung durch Statine/Ezetimib (plus PCSK9-Hemmer bei bestimmten Hochrisikopatienten).
PCSK9-Hemmer: Leitlinienempfehlungen und Indikationen in der Schweiz
Im Update der Leitlinie zum Einsatz von PCSK9-Hemmern bei Patienten mit atherosklerotischer CV-Erkrankung (ASCVD) oder FH (10) empfiehlt die ESC/EAS Task Force für Patienten mit sehr hohem Risiko zunächst die maximal tolerierte Statindosis. Hinsichtlich eines zusätzlichen Einsatzes von Ezetimib legt sich das Expertengremium allerdings nicht fest. «Wir sollten es aber geben», so die persönliche Meinung Machs, «denn es ist kostengünstig und sehr gut verträglich, wie Studien über 7 Jahre Laufzeit gezeigt haben.» Falls die LDL-C-Spiegel darunter immer noch über 2,6 mmol/l liegen und weitere Anzeichen für ein besonders hohes Risiko (FH, Diabetes, schwere oder extensive ASCVD oder deren rasche Progression) bestehen, dann sollte der zusätzliche Einsatz eines PCSK9-Inhibitors erwogen werden. Hinsichtlich der Primärprävention bei Patienten ohne entsprechende Parameter eines höheren Risikos gilt für die Indikation zur Addition eines PCSK9-Hemmers ein Grenzwert von 3,6 mmol/l. Bei Patienten mit FH, aber ohne klinisch diagnostizierte ASCVD liegen die entsprechenden LDL-CGrenzwerte für die zusätzliche Gabe eines PCSK9-Inhibitors bei 3,6 mmol/l (bei Vorliegen von weiteren Risikofaktoren) beziehungsweise 4,5 mmol/l (ohne weitere Risikofaktoren). Als Marker eines solchen hohen Risikos nannte der Referent folgende in der Computertomografie-Angiografie (CTA) zutage tretende Befunde: global: linke Hauptstammstenose, proximale Stenose der
LAD (linke vordere Koronararterie), Dreigefässerkrankung fokal: Schwere der Stenose (> 50%), Zusammensetzung der Läsion (gemischt oder nicht kalzifiziert).
Auch in der Schweiz ist die heterozygote FH oder das Vorliegen einer klinisch manifesten Atherosklerose offiziell zugelassene Indikation für den Einsatz von sowohl Evolocumab als auch Alirocumab zusätzlich zu Statin/Ezetimib, und zwar unter Berücksichtigung derselben LDL-C-Grenzwerte (> 2,6 mmol/l mit bzw. > 3,5 mmol/l ohne zusätzliche Risikofaktoren), wie sie auch im oben erwähnten Leitlinien-Update der ESC/EAS Task Force angesetzt wurden. Eine weitere Indikation stellt die Statinintoleranz dar, wobei hier zunächst drei verschiedene Statine zu testen sind.
Vorgaben, Kosten und offene Fragen
Gemäss Limitatio [12] kann die Verschreibung eines PCSK9Inhibitors durch Angiologen, Diabetologen/Endokrinologen, Kardiologen, Nephrologen und Neurologen erfolgen, wobei die Krankenkasse vorab darüber zu informieren ist, dass der Patient sämtliche in der Indikation genannten Kriterien erfüllt. Vor einer entsprechenden Verordnung ist sicherzustellen, dass der Blutdruck kontrolliert ist, die HbA1cWerte unter 7,5 Prozent liegen und ein Nikotinverzicht angestrebt wird. Nach 6 Monaten unter Therapie muss dann entweder eine 40-prozentige Reduktion der LDL-C-Spiegel oder aber eine Absenkung auf einen Wert von maximal 1,8 mmol/l nachgewiesen werden, sonst wird eine Fortsetzung der Behandlung nicht genehmigt. Zur Frage, welche Auswirkungen eine vermehrte Verschreibung der PCSK9-Inhibitoren angesichts der relativ hohen Behandlungskosten (Statine: ca. 350 Franken/Jahr;
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PCSK9-Hemmer: ca. 6500–7000 Franken/Jahr) auf das Ge-
sundheitssystem haben könnte, präsentierte der Referent
neue Daten aus eigenen Untersuchungen (11) an einer Ko-
horte von Patienten mit akutem Koronarsyndrom in der
Schweiz (ca. 7000 Patienten). Hier konnte beobachtet wer-
den, dass die Patienten unter moderater oder hoher Statindo-
sis allein durch Hinzugabe von Ezetimib bereits nach einem
Jahr etwa zu 70 Prozent die LDL-C-Zielwerte erreichen. Eine
breit gestreute Gabe von PCSK9-Inhibitoren könnte diesen
Wert möglicherweise auf 80 bis 90 Prozent erhöhen, was
aber nach Ansicht Machs letztlich zu kostenintensiv wäre,
aber auch gar nicht erforderlich ist: «70 Prozent der Patien-
ten beim Zielwert zu haben, wäre bereits eine erhebliche Ver-
besserung des Ist-Zustands, denn derzeit sind es weniger als
50 Prozent.»
Neben den hohen Kosten (Mach: «Der Preis ist eine Schande
und sollte gesenkt werden.») sind die noch ungeklärten po-
tenziellen Langzeitnebenwirkungen ein wichtiger Faktor in
der persönlichen Einschätzung des Referenten bezüglich der
Stärken und Schwächen der PCSK9-Hemmer (siehe Abbil-
dung «SWOT-Analyse»).
Grosse Erwartungen setzt Mach in eine Ende 2017 an sechs
Zentren in der Schweiz gestartete RCT mit dem Kürzel EVO-
PACS (Evolocumab for Early Reduction of LDL-Cholesterol
Levels in Patients with Acute Coronary Syndromes). Dabei
handelt es sich um eine Sicherheitsstudie an insgesamt 300
Patienten mit akutem Koronarsyndrom, welche im Katheter-
labor noch vor Kenntnis der Gefässanatomie Evolocumab
injiziert bekommen. Die Studie soll Aufklärung darüber
bringen, inwieweit sich eine massive LDL-Reduktion (< 1,0/ < 0,5 mmol/l) zum Zeitpunkt einer akuten KHK etwa auf Blutplättchen oder die Nierenfunktion auswirkt. Erste Er- gebnisse werden nach Ablauf eines Jahres erwartet. L Literatur: 1. Ference BA et al.: Low-density lipoproteins cause atherosclerotic cardio- vascular disease. 1. Evidence from genetic, epidemiologic, and clinical studies. A consensus statement from the European Atherosclerosis Society Consensus Panel. Eur Heart J 2017; 38: 2459–2472. 2. Catapano AL et al.: 2016 ESC/EAS Guidelines for the Management of Dyslipidaemias. Eur Heart J 2016; 37: 2999–3058. 3. Ference BA et al.: Variation in PCSK9 and HMGCR and risk of cardiovascular disease and diabetes. NEJM 2016; 375: 2144–2153. 4. Nicholls SJ et al.: Effect of evolocumab on progression of coronary disease in statin-treated patients: the GLAGOV randomized clinical trial. JAMA 2016; 316:2373–2384. 5. Sabatine MS et al.: Evolocumab and clinical outcomes in patients with cardiovascular disease. NEJM 2017; 376: 1713–1722. 6. Gugliano RP et al.: Clinical efficacy and safety of achieving very low LDLcholesterol concentrations with the PCSK9 inhibitor evolocumab: a prespecified secondary analysis of the FOURIER trial. Lancet 2017; 390: 1962–1971. 7. Gugliano RP et al.: Cognitive function in a randomized trial of evolocumab. NEJM 2017; 377: 633–643. 8. Koren MJ et al.: Long-term low-density lipoprotein cholesterol-lowering efficacy, persistence, and safety of evolocumab in treatment of hypercholesterolemia: results up to 4 years from the open-label OSLER-1 extension study. JAMA Cardiol 2017; 2: 598–607. 9. Koskinas KC et al.: Effect of statins and non-statin LDL-lowering medications on cardiovascular outcomes in secondary prevention: a metaanalysis of randomized trials. Eur Heart J 2017, Oct 23; doi: 10.1093/eurheartj/ehx566. 10.Landmesser U et al.: 2017 Update of ESC/EAS Task Force on practical clinical guidance for proprotein convertase subtilisin/kexin type 9 inhibition in patients with atherosclerotic cardiovascular disease or in familial hypercholesterolaemia. Eur Heart J 2017, Oct 16; doi: 10.1093/eurheartj/ehx549 (Epub ahead of print). 11. Gencer B et al.: Eligibility for PCSK9 inhibitors according to American College of Cardiology (ACC) and European Society of Cardiology/European Atherosclerosis Society (ESC/EAS) guidelines after acute coronary syndromes. J Am Heart Assoc 2017; 6: e006537. 12. Angaben zu Evolocumab und Alirocumab in der Spezialitätenliste des Bundesamts für Gesundheit (BAG), http://bag.e-mediat.net/SL2007. Web.External/ShowPreparations.aspx Ralf Behrens Quelle: «PCSK9 inhibitors: new admission and indications for clinical use in Switzerland», Vortrag von Prof. Dr. François Mach, Genf, am 22. Zürcher Herzkreislauftag, 30. November 2017. 100 ARS MEDICI 3 | 2018