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STUDIE REFERIERT
Kortison oder NSAR bei akuter Gicht?
Kortikosteroide gleichermassen effektiv bei weniger Nebenwirkungen
Zur Behandlung eines akuten Gichtanfalls werden nicht steroidale Antirheumatika (NSAR) als Therapie der ersten Wahl empfohlen, obwohl sie einige gravierende Nebenwirkungen besitzen. Kortikosteroide können da eine echte Alternative sein, wie ein systematischer Review über die aktuellsten randomisierten, kontrollierten Studien zeigt.
Journal of Rheumatology
Gicht ist die häufigste Ursache einer entzündlichen Arthritis. Hervorgerufen wird sie durch eine Hyperurikämie und Ureateinlagerungen in den Gelenken. In den USA und in Grossbritannien ist in den letzten 20 Jahren eine deutliche Zunahme von Inzidenz und Prävalenz zu beobachten. Akute Gichtanfälle führen im Durchschnitt zu einer 5-tägigen Arbeitsunfähigkeit und erhöhen damit die direkten und indirekten Krankheitskosten pro Person wesentlich. Die klinischen Guidelines empfehlen NSAR als First-Line-Therapie. Unter Kurzzeittherapie mit NSAR kommt es jedoch vermehrt zu gastrointestinalen Blutungen, und Langzeittherapien bergen das Risiko kardiovaskulärer Nebenwirkungen. NSAR sind kontraindiziert bei Patienten mit Nieren- oder Leberfunktionsstörungen, Blutgerinnungsstörungen und Herzinsuffizienz und stehen deshalb gerade den Patienten mit höherem Gichtrisiko nicht für eine Behandlung zur Verfügung. Korti-
MERKSÄTZE
O Kortikosteroide können als Alternative zu NSAR bei der Primärtherapie einer akuten Gicht eingesetzt werden.
O Kortikosteroide haben bei der relativ kurzen Therapiedauer eines akuten Gichtanfalls weniger Nebenwirkungen als NSAR.
O Vor allem ältere Patienten profitieren von den Vorteilen der Kortikosteroide (weniger gastrointestinale Blutungen, bessere Nierenverträglichkeit).
kosteroide, welche ebenfalls als Primärbehandlung infrage kommen, haben weniger klinische Kontraindikationen und ein geringeres Interaktionspotenzial. Trotzdem werden sie viel seltener verschrieben als NSAR. Dieser systematische Review vergleicht Nutzen und Risiken einer Kortikosteroidtherapie gegenüber derjenigen mit NSAR, da jüngere Studien darauf hinweisen, dass sich Kortison ebenfalls als Primärbehandlung im akuten Gichtanfall bewährt.
Kein Unterschied zwischen
Kortikosteroiden und NSAR
Sechs Studien mit insgesamt 817 Patienten konnten in die Übersichtsarbeit eingeschlossen und durch Metaanalysen ausgewertet werden. Die Diagnose der Gicht wurde klinisch gestellt und wenn möglich durch Bestimmung intraartikulärer Mononatriumureatkristalle bestätigt (2 Studien). Das Followup einer Gichtbehandlung mit Kortikosteroiden oder NSAR betrug im Durchschnitt 15 Tage (4–30 Tage). In der Auswertung der Studien konnte kein Unterschied zwischen beiden Behandlungen bezüglich der definierten Endpunkte Schmerzmanagement, Gelenkschwellung, Erythembildung, Druckdolenzen und Bewegungseinschränkung festgestellt werden. Auch das Ansprechen auf die Therapie, die Zeit bis zur Rückbildung des Gichtanfalls oder der Verbrauch an zusätzlichen Medikamenten war unter beiden Medikamenten gleich. Kortikosteroide führten seltener zu Verdauungsstörungen, Übelkeit und Erbrechen, wohingegen NSAR ein geringeres Risiko für Gesichtsrötungen (rash) besitzen. Über die Über-
legenheit einer der beiden Therapien kann aufgrund der kleinen Studienzahl keine Aussage gemacht werden. Eine frühere Studie zur Kostenanalyse beider Therapien hat jedoch gezeigt, dass Kortikosteroide kosteneffizienter sind als NSAR. Mit geringer bis mässiger Evidenz können deshalb Kortikosteroide und NSAR als gleichwertige Behandlungsmethoden bei akuter Gicht betrachtet werden.
Ältere Patienten profitieren
Limitationen des Reviews liegen in der geringen Zahl der verfügbaren Studien und der teilweise ungenauen Einschätzung des Behandlungsergebnisses. Eine Aussage über die wirksamste Dosis oder die Verabreichungsart ist nicht möglich, unter anderem deshalb, weil bei zwei der ausgewerteten Studien während der Behandlung mit Kortison beziehungsweise NSAR die gleichzeitige Therapie mit harnsäuresenkenden Medikamenten weitergeführt wurde. Das Bias-Risiko war bei keiner der Studien wirklich klein, sodass es weiterer qualitativ hochwertiger Studien bedarf, um die Gleichwertigkeit beider Therapien in vertrauenswürdiger Weise zu bestätigen. Berücksichtigt man, dass Patienten mit akuter Gicht meist älter sind und zusätzliche Komorbiditäten aufweisen, welche sie für eine NSARGastropathie empfänglich machen, können Kortikosteroide aber durchaus eine valable Alternative mit weniger toxischen Nebenwirkungen sein. O
Marianne I. Knecht
Quelle: Billy CA et al.: Corticosteroid or nonsteroidal antiinflammatory drugs for the treatment of acute gout: a systematic review of randomized controlled trials. J Rheumatol 2017, Aug 1, pii: jrheum.
Interessenlage: Keine Angaben zu Interessenkonflikten in der referierten Originalstudie.
1050 ARS MEDICI 22 I 2017