Transkript
EDITORIAL
Organe aus dem 3-D-Drucker – die ethische Dimension
Es klingt gleichermassen futuristisch wie vielversprechend: Auf dem Weg zur Herstellung von lebendem künstlichem Gewebe oder gar ganzen Organen für den Einsatz in der regenerativen oder in der Transplantationsmedizin scheint die Wissenschaft, verfolgt man entsprechende Pressemeldungen, derzeit offenbar in rasantem Tempo voranzukommen. Was vor rund 30 Jahren als Tissue Engineering begann und in Form von Knorpeln, Hautersatzprodukten, Gefässprothesen oder Herzklappen mittlerweile klinisch anwendbare Gestalt angenommen hat, macht durch den Einsatz neuer computergestützter Techniken und Verfahren wie etwa der dreidimensionalen (3-D) Drucktechnik seit ein paar Jahren unter dem Begriff «Bioprinting» immer grössere Fortschritte. Wenn auch noch viele Jahre bis zu seiner Verwirklichung vergehen dürften, ist der Traum von Medizinern wie betroffenen Patienten, eines Tages mit in beliebiger Anzahl künstlich herstellbaren Lebern, Nieren oder Herzen ganz auf Spenderorgane verzichten und somit die durch Letztere verursachten, zum Teil gravierenden sowohl medizinischen als auch ethischen Komplikationen umgehen zu können, nicht nur hell entfacht, sondern durchaus in den Bereich des Möglichen gerückt. Dies weckt natürlich allseits Erwartungen und Begehrlichkeiten, denn der Bedarf ist fraglos gegeben. Nicht nur auf dem Gebiet der personalisierten Biofabrikation menschlicher «Ersatzteile», sondern – und hier durch die innovative Technik wohl sogar zeitnaher zu decken – auch, was Alternativen zu Tierversuchen für Medikamententests angeht. Und so werden vielerorts, wie etwa jüngst in Baden-Württemberg (1), bei ihren entsprechenden Forschungsbemühungen nicht nur staatliche, universitäre Labore, sondern auch viele (derzeit noch) kleinere oder mittlere kommerzielle Unternehmen beziehungsweise Start-ups von öffentlicher Hand gefördert, welche hier berechtigter- wie legitimerweise ein zumindest auf längere Sicht sehr lukratives Geschäftsmodell
verorten, zumal wenn man von Anfang an die «pole position» behauptet … So wie etwa Organovo, der im kalifornischen San Diego ansässige derzeitige Marktführer im Bereich Bioprinting, der bereits jetzt mit seinen Produkten sehr ordentlich im Geschäft ist. Während man an der Pazifikküste den Fokus voll auf die medizinische Anwendung setzt und die Schwelle zur Herstellung komplexerer, vielschichtiger Gewebestrukturen bereits überschritten hat, verfolgt man drüben in Brooklyn Modern Meadow unter CEO Andras Forgacs, zuvor – rein zufällig – schon Mitbegründer von Organovo, im Einklang mit einem sich zunehmend vegan gerierenden westlichen Zeitgeist eher die Idee, tierische Produkte, hergestellt ganz ohne lebendes Tier, anzubieten. Noch handelt es sich dabei um Leder und andere organische Materialien – in gar nicht so ferner Zukunft soll allerdings auch zum Verzehr geeignetes Fleisch dazukommen … Bei allen Verheissungen dieser neuen technischen Möglichkeiten findet eine ethische Diskussion oder Einordnung dessen, wenn überhaupt, eher im Abseits statt. Wie ein kürzlich im «Journal of Medical Ethics» veröffentlichtes Paper (2) darlegt, erscheint das Bioprinting zur Herstellung menschlicher Organe gegenüber anderen modernen Technologien, die sich etwa auf die genetische Veränderung von Tieren stützen, zwar auf den ersten Blick ethisch erhaben. Dennoch stellen sich auch hier gesellschaftlich-sittliche Herausforderungen, die tunlichst parallel zum weiteren wissenschaftlichen Prozess angegangen werden sollten. Diese betreffen etwa die Frage, wer sich in einer pekuniär heterogenen Gesellschaft das «Druck-dir-dein-Organ» künftig wird leisten können und wer dagegen auf ein Spenderorgan warten und zeitlebens Immunsuppressiva einnehmen muss. Ebenso wäre zu klären, wem die gedruckten Organe «gehören» – mit anderen Worten: Kann es hier ein Recht auf intellektuelles Eigentum, sprich: Patente, geben? Und nicht zuletzt handelt es sich, ganz abgesehen von der Problematik, die der auch beim Bioprinting meist erforderliche Umgang mit embryonalen Stammzellen aufwirft, bei diesem Verfahren um eine letztlich klinisch noch ungetestete Methode, bei der das Einbringen lebender Zellen in den Körper noch nicht annähernd geprüfte Risiken birgt. Schon allein deshalb, aber auch weil es selbst aus Sicht der Protagonisten noch weit von klinischer «Serienreife» entfernt ist, besteht Anlass genug, den Hype um ein möglicherweise dereinst tatsächlich bahnbrechendes Verfahren zunächst einmal zu bremsen.
Ralf Behrens
1. Lebendiges Gewebe aus dem Drucker. Pressemitteilung des Universitätsklinikums Freiburg, 22.09.2017, https://www.uniklinik-freiburg.de/nc/presse/pressemitteilungen/detailansicht/ presse/1353.html?tx_aspresse_pi1%5BbackLink%5D=1570&cHash=02dc9f96b0dfe78b833 dcabf5004dadf
2. Vermeulen N et al.: 3D bioprint me: a socioethical view of bioprinting human organs and tissues. J Med Ethics 2017; 43: 618–624.
ARS MEDICI 20 I 2017
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