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Hämatologische Tumoren
Auf dem Weg zu einer personalisierten Therapie?
FORTBILDUNG
Die sogenannte personalisierte Krebstherapie berücksichtigt individuelle Tumor- und Patientencharakteristika. Dies führt im Sinne eines ganzheitlichen Ansatzes zu einer massgeschneiderten Behandlung mit höheren Erfolgsaussichten bei gleichzeitig geringeren Nebenwirkungen. Im folgenden Beitrag wird diese Strategie anhand der Lymphome und chronischen Leukämien erläutert.
Christoph Renner 1, 2 und Frank Stenner2
Eckpfeiler in der Entwicklung neuer Therapiekonzepte zur Behandlung hämatologischer Erkrankungen sind Erkenntnisse aus der Grundlagenforschung, die uns ein besseres Verständnis der Pathogenese, aber auch gezielte therapeutische Angriffspunkte aufzeigen. Somit wurde beziehungweise wird die Grundlage einer personalisierten Therapie unter Berücksichtigung individueller Krankheits- und Patientencharakteristika geschaffen. Im Folgenden werden wir uns aus der Gruppe der hämatologischen Erkrankungen vornehmlich auf die personalisierte Therapie bei Lymphomen beziehungsweise chronischen Leukämien fokussieren, indem wir Eigen-
MERKSÄTZE
O Ein verbessertes Verständnis für die molekularen Charakteristika von Lymphom- und Leukämiezellen erlaubt den gezielten Einsatz neuer Medikamente.
O Monoklonale Antikörper greifen in der Regel von aussen Zellen an und können als nackte oder auch modifizierte Moleküle Signalwege aktivieren (z.B. Zelltod einleiten) beziehungsweise Signale zwischen zwei Zellen (z.B. Checkpoint-Inhibitoren) blockieren.
O Sogenannte «small molecules» beinflussen in der Regel intrazelluläre Signalwege, indem sie Wachstumssignale unterdrücken. Haupteinsatzgebiet sind derzeit chronische Leukämien und indolente Lymphome.
O Neue Therapieansätze beschäftigen sich unter anderem mit der Umprogrammierung autologer T-Zellen. Damit bekommen diese eine neue Spezifität und können beispielsweise Tumorzellen angreifen.
schaften der Lymphom- und Leukämiezellen beschreiben, die mittels moderner Diagnostik identifiziert werden und damit bei der Wahl der Medikamente als prädiktive Marker helfen können.
Zielstrukturen und Signalweginterferenzen Eine personalisierte Therapie beruht zum einen auf der Verfügbarkeit von Oberflächenmolekülen als Zielstrukturen für Antikörper, aber auch intrazellulären Signalwegen als Angriffspunkte für sogenannte «small molecules» (Abbildung). Therapeutisch geeignete beziehungsweise validierte Oberflächenmoleküle bei B-Zell-Lymphomen sind CD19, CD20 oder CD22. Aufgrund der B-Zell-Linienspezifität ist bei diesen Markern zwar ein präferenzielles «targeting» gegeben, aber eine therapeutische Unterscheidung zwischen maligner und physiologischer B-Zelle ist mit diesen Markern nicht möglich. Daher führen gegenwärtige gezielte Therapien mit entsprechenden Antikörpern zu einer vollständigen B-ZellDepletion und somit im Einzelfall zu einer problematischen Immunsuppression. Plasmazellen, die reifste Form der B-Zellen, tragen diese Marker nicht und bleiben von der Therapie ausgespart. Daher bleibt zumindest ein humoraler Schutz für bereits bekannte Krankheitserreger erhalten. Auch Stammzellen exprimieren diese Marker nicht, und damit erholt sich die physiologische B-Zell-Population im posttherapeutischen Intervall wieder. Die kritische immunsupprimierte Phase kann jedoch noch Monate nach Therapieabschluss bestehen, was Therapeuten und Patienten bewusst sein sollte. Neben dem extrazellulären zielgerichteten therapeutischen Ansatz kommt zunehmend auch der Interferenz mit dem intrazellulären Signalweg des B-Zell-Rezeptors eine wichtige Rolle zu. Eine Fehlregulation, insbesondere eine vermehrte Aktivierung dieses Signalwegs, ist bei vielen B-Zell-Lymphomen kausal für die maligne Entartung verantwortlich und bietet gleichzeitig neue therapeutische Angriffspunkte.
Immuntherapie mit CD20-spezifischen monoklonalen Antikörpern Klassisches Beispiel für einen prädiktiven Marker mit hoher Relevanz ist das CD20-Antigen mit Expression auf nahezu allen reifzelligen B-Zell-Lymphomen. Der CD20-spezifische Antikörper Rituximab (MabThera®) ist ein fester Bestandteil der B-Zell-Lymphom-Behandlung und wird bei verschiedenen Entitäten entweder als Monotherapie (z.B. follikuläres
1 Onkozentrum Hirslanden, Zürich 2 Universitätsspital Basel
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Abbildung: Angriffspunkte und Zielstrukturen neuer Medikamente in der personalisierten Lymphomtherapie (Abkürzungen s. Text)
Lymphom) oder in Kombination mit Chemotherapie eingesetzt. Neuere CD20-Antikörper (z.B. Obinutuzumab [Gazyvaro®]) entfalten eine zum Teil höhere Zytotoxizität (ADCC: antibody dependent cellular cytotoxicity) und eliminieren damit Lymphomzellen noch effizienter. Dies führt beispielsweise im Rahmen der Behandlung der chronisch lymphatischen Leukämie (CLL) zu einem besseren Ansprechen, was sich in einer Zunahme negativer MRD-Befunde niederschlägt (MRD: minimale Rest-Erkrankung): Im Vergleich zur herkömmlichen Behandlung mit Rituximab plus Chemotherapie können nach einer Kombinationstherapie mit Obinutuzumab plus Chemotherapie bei mehr Patienten trotz empfindlicher Nachweismethoden keine Lymphomzellen mehr nachgewiesen werden (1). Es ist allerdings noch offen, ob die erhöhte Rate der MRD-Negativität auch zu einer verlängerten Überlebensdauer führen wird. Für einen solchen Zusammenhang spricht das Ergebnis einer Subgruppenanalyse der LyMa-Studie bei jüngeren Mantelzell-Lymphom-Patienten (MCL) (2). Der MRD-Status im Knochenmark beziehungsweise im peripheren Blut vor Hochdosistherapie und Stammzelltransplantantion war prädiktiv für ein längeres progressionsfreies Überleben (Knochenmark: p = 0,0451; peripheres Blut: p = 0,0016). Von therapeutischer Bedeutung war die Analyse der progressionsfreien Überlebensrate nach drei Jahren getrennt nach Therapiearmen, da nach der Stammzelltransplantation eine Randomisierung in Rituximaberhaltungstherapie und reine Beobachtung erfolgte. MRD-positive Patienten (sowohl im peripheren Blut als auch im Knochenmark) profitierten signifikant von einer Erhaltungstherapie (61,6% vs. 86,2%; p = 0,0110) und erreichten damit bezüglich der Rate progressionsfreien Überlebens das Niveau MRD-negativer Patienten (83,9%). In dem Kollektiv MRD-negativer Patienten ergab sich kein signifikanter Vorteil für den Rituximabeinsatz (83,9% vs. 91,8%). Damit entscheidet der MRD-Status nach autologer Stammzelltransplantation bei MCL-Patienten über den Einsatz einer Rituximaberhaltungstherapie.
Immuntherapie mit Immuntoxinen
Immuntoxine (ACD: antibody-drug conjugates) stellen die zweite Therapiegeneration von gegen Tumoroberflächen-
moleküle gerichteten Antikörpern dar. Neben der Spezifität des Antikörpers für das Zielmolekül besitzen ADC auch die Fähigkeit, nach Bindung an der Zelloberfläche in die Zelle zu internalisieren und dort ihr gekoppeltes Toxin freizusetzen. Brentuximab Vedotin (Adcetris®) ist ein Konjugat eines CD30-spezifischen Antikörpers mit dem Spindelgift Monomethylauristatin E. Hodgkin-Reed-Sternberg-Zellen sind meist stark positiv für CD30, was dieses als Zielzellantigen prädestiniert. Brentuximab Vedotin wurde zunächst bei Hodgkin-Lymphom-Patienten, die nach Hochdosis-Chemotherapie mit autologer Stammzelltransplantation ein Rezidiv aufweisen, getestet und erreichte eine objektive Ansprechrate von 75 Prozent (n = 102 Patienten) (3). Dabei kann bei 94 Prozent der Patienten eine Tumorreduktion und eine geschätzte 12-Monate-Überlebensrate von 89 Prozent erzielt werden. Diese beeindruckenden Ergebnisse konnten in mehreren Studien bestätigt werden. Bei neu initiierten Studien wird Brentuximab Vedotin bereits früher mit herkömmlichen Chemotherapeutika kombiniert. Auch wird derzeit geprüft, ob Brentuximab Vedotin einzelne Chemotherapeutika der Polychemotherapieschemata ersetzen und damit die therapiebedingte Toxizität senken kann. Die Erfolge von Brentuximab Vedotin haben ein grosses Interesse für AntikörperToxin-Konjugate in der Lymphom-, aber auch in der Leukämiebehandlung ausgelöst. So befinden sich zurzeit beispielsweise CD19-, CD20-, CD22-, C3D3-, CD38- und CD79-spezifische Immuntoxine in klinischer Testung.
Immuntherapie mit Checkpoint-Inhibitoren
Durch den Einsatz von PD1- beziehungsweise PD-L1-spezifischen Antikörpern kann die immunsuppressive Interaktion von PD1 mit PD-L1 oder PD-L2 und damit eine bestehende Immunsuppression aufgehoben werden. Dieses Therapiekonzept wurde nun unter anderem in zwei Phase-I/II-Studien bei Hodgkin-Lymphom-Patienten mit rezidivierter oder refraktärer Erkrankung getestet, da Hodgkin-Reed-SternbergZellen eine starke PD-L1/L2-Expression aufweisen. Eine genomische Alteration, die als pathognomonisch angesehen werden kann, lässt sich bei 97 Prozent der HodgkinLymphom-Patienten nachweisen (4). Eine Studie mit 23 Hodgkin-Lymphom-Patienten mit dem Anti-PD1-Antikörper Nivolumab (Opdivo®) (3 mg/kg KG alle 2 Wochen) ergab eine Ansprechrate von 87 Prozent (5). Dies ist umso beeindruckender, da knapp zwei Drittel der Patienten bereits eine Stammzelltransplantation beziehungsweise eine Vortherapie mit Brentuximab Vedotin erhalten hatten. Die Qualität des Ansprechens ist sehr gut, und 6 Patienten konnten eine konsolidierende Stammzelltransplantation erhalten. Die Begeisterung für PD1-spezifische Antikörper ist derzeit auch in der Lymphomtherapie mit einer Vielzahl aktiv rekrutierender Studien (clinicaltrials.gov) ungebremst.
Immuntherapie mit bispezifischen Antikörpern
Bispezifische Antikörper verknüpfen eine Antikörper- mit einer T-Zell-Therapie. Ein Antikörper mit einer Spezifität für ein Tumorantigen (in dem Fall ein B-Zell-Antigen wie CD19) ist hierbei an einen zweiten Antikörper gekoppelt, der ein T-Zell-Aktivierungsantigen (in dem Fall das CD3-Antigen) erkennt. Diese bispezifischen Moleküle (BiMab bzw. BiTEAntikörper von engl. «bi-specific T-cell engagers») bringen
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B- und T-Zelle in direkten Kontakt und führen nach T-ZellAktivierung zu einer B-Zell-Lyse. Ein CD19/CD3-spezifischer BiMab (Blinatumomab [Blincyto®]) ist für die Behandlung von Patienten mit einer rezidivierenden oder refraktären Philadelphia-Chromosom-negativen akuten lymphoblastischen B-Vorläufer-ALL (akute lymphoblastische Leukämie; CD19+) zugelassen. Dieser neuartige Antikörper wird derzeit auch bei Patienten mit rezidiviertem oder refraktärem DLBCL (CD19+) getestet und erreichte bei 21 Patienten eine Gesamtansprechrate von 43 Prozent mit 19 Prozent kompletten Remissionen (6). Die häufigsten unerwünschten Ereignisse waren Tremor (48%), Pyrexie (44%), Müdigkeit (26%) und Ödeme (26%). Neurologische Grad-3-Ereignisse umfassten Enzephalopathie und Aphasie (jeweils 9%), Zittern, Sprachstörungen, Schwindel, Somnolenz und Desorientierung (jeweils 4%). Die Ursache dieser neurologischen Symptome ist gegenwärtig ungeklärt.
Inhibitoren intrazellulärer Signalwege
Eine gezielte Blockade des für die B-Zell-Entwicklung wichtigen, über den B-Zell-Rezeptor vermittelten Signalwegs kann auf verschiedenen Ebenen erfolgen. Klinisch im Fokus stehen zurzeit Inhibitoren der Bruton-Tyrosin-Kinase (BTKi) oder der PI3-Kinase (PI3Ki); erste Substanzen (Ibrutinib [Imbruciva®], Idelalisib [Zydelic®]) haben die Zulassung erhalten. Beide Kinasen sind in Lymphomzellen und insbesondere bei CLL- und MCL-Patienten konstitutiv überaktiv und fördern Zellproliferation und -überleben.
Signalwegblockade mit BTK-Inhibitoren
Ibrutinib ist der erste zugelassene Inhibitor der Bruton-Tyrosin-Kinase (BTK), der irreversibel kovalent an diese Kinase bindet und damit eine starke und anhaltende Hemmung der enzymatischen Aktivität verursacht. Die Sicherheit und Wirksamkeit von Ibrutinib wurde in einer multizentrischen, einarmigen Phase-II-Studie an 111 vorbehandelten MCL-Patienten mit einer oralen Dosierung von 560 mg Ibrutinib einmal pro Tag bewertet. Die Gesamtansprechrate von 66 Prozent mit 17 Prozent kompletten Remissionen bei einer medianen Dauer des Ansprechens von 17,5 Monaten ist beeindruckend (7). Interessanterweise nahm die Ansprechrate im Verlauf der Behandlung kontinuierlich zu, sodass im Gegensatz zu klassischen Chemotherapeutika auch spät einsetzende Remissionen bei fortgesetzter Therapie auftreten können. Auch in der CLL-Behandlung zeigt Ibrutinib eine hohe Aktivität und wurde initial im Vergleich zu dem CD20-spezifischen Antikörper Ofatumumab (Arzerra®) bei CLL-Rezidiven getestet (8). Bei einer medianen Beobachtungszeit von 9,4 Monaten verbesserte Ibrutinib signifikant die Dauer des progressionsfreien und des Gesamtüberlebens. Nach 12 Monaten lebten noch 90 Prozent der Patienten in der Ibrutinibund 81 Prozent in der Ofatumumabgruppe. Die Gesamtansprechrate war für Ibrutinib signifikant höher (42,6% vs. 4,1%, p < 0,001). Die Ansprechrate und -dauer ist dabei unabhängig von der Präsenz einer del17p-Mutation oder der Resistenz auf Purinanaloga. Die häufigsten unerwünschten Ereignisse waren Durchfall, Müdigkeit, Fieber und Übelkeit. Für den klinischen Alltag relevant sind zudem das gehäufte Auftreten kardialer Nebenwirkungen (Vorhofflimmern, arte-
rielle Hypertonie) sowie Blutungskomplikationen (insbesondere unter oraler Antikoagulationstherapie). Die Frage nach der sogenannten Ursprungszelle spielt beim diffus-grosszelligen B-Zell-Lymphom (DLBCL) eine wichtige Rolle und erlaubt durch Einsatz der Immunhistochemie oder noch besser der Molekularbiologie eine Unterteilung in den Keimzentrums- (GCB, ca. 60%) und den aktivierten B-ZellSubtyp (ABC, ca. 40%). Retrospektive Analysen legen nahe, dass Patienten mit ABC-DLBCL eine schlechtere Prognose haben und aufgrund einer konstitutiven Aktivierung des B-Zell-Rezeptor-Signalwegs von einer Therapie mit Inhibitoren dieses Signalwegs (BCRi) profitieren könnten. Dies wurde kürzlich in einer Phase-I/II-Studie mit 80 refraktären oder rezidivierten DLBCL-Patienten für Ibrutinib bestätigt (9). 37 Prozent (14 von 38) der Patienten in der ABC-Gruppe aber nur 5 Prozent (1 von 20) in der GBC-Gruppe sprachen auf Ibrutinib an (p = 0,0106). Insbesondere Patienten mit der MYD88-Mutation (80%) sprachen darauf an und bestätigen In-vitro-Daten, die eine Kooperation zwischen dem B-ZellRezeptor- und dem MYD88-Signalweg nahelegen.
Signalwegblockade mit Proteasominhibitoren
Die Aktivierung des B-Zell-Rezeptor-Signalwegs führt in letzter Konsequenz zu einer konstitutiven NF-b-Aktivierung (nuclear factor kappa b). Daher sollten auch Proteasominhibitoren beim diffus-grosszelligen B-Zell-Lymphom (DLBCL) vom ABC-Subtyp eine klinische Aktivität aufweisen. Erste Ergebnisse der REMoDL-B- (10) und der PYRAMIDStudie zeigen jedoch, dass die Hinzunahme des Proteasominhibitors Bortezomib weder bezogen auf die Ansprechrate noch die progressionsfreie Überlebensrate nützlich ist. Wahrscheinlich noch bedeutsamer ist, dass kein Unterschied zwischen dem ABC- und GCB-Subtyp für sämtliche Parameter (Gesamtanprechrate, progressionsfreie und Gesamtüberlebensrate) auch bei gemäss dem internationalen prognostischen Index IPI definierten Subgruppen unter R-CHOP-Immunchemotherapie (Rituximab plus Chemotherapie) besteht. Diese Ergebnisse relativieren den Stellenwert der Unterteilung in ABC- und GCB-Subtypen, und es ist fraglich, ob diese Unterscheidung bereits Verwendung für eine personalisierte Therapie bei DLBCL-Patienten finden darf.
Signalwegblockade mit PI3K-Inhibitoren
Die Phosphatidylinositol-3-kinase-Familie (PI3K) besteht aus einer Anzahl von Serin-/Threonin-Kinasen, die Wachstum, Differenzierung, Metabolismus, Überleben und Proliferation in verschiedenen Zellen regulieren. Eine Inhibition der p110␦-Einheit führt zum Beispiel zu einer signifikanten B-Zell-Depletion und Blockade des B-Zell-Rezeptor-Signalwegs. Daher fokussieren die meisten therapeutischen Ansätze in der Lymphombehandlung auf die direkte Blockade der p110␦-Einheit. Prototyp dieser Substanzklasse ist Idelalisib, ein selektiver p110␦-Inhibitor. Idelalisib wurde zunächst in einer randomisierten Phase-III-Studie bei 220 Patienten mit rezidivierter CLL in Kombination mit Rituximab getestet (11). Als Vergleich diente der Kontrollarm mit Rituximab plus Plazebo. Bezogen auf die Wirksamkeit zeigten sich eine signifikant höhere Ansprechrate unter Rituximab plus Idelalisib (81% vs. 13%), eine signifikante Steigerung der Rate kompletter
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Remissionen nach einem Jahr (93 vs. 46%, p < 0,001) und bereits eine signifikante Verlängerung des 1-Jahres-Gesamtüberlebens (92% vs. 80%, p = 0,02). Für den klinischen Alltag wichtige Nebenwirkungen sind eine im Verlauf einsetzende Diarrhö und Pneumonitis. Diarrhöen vom Grad 3 bis 5 werden in bis zu 17 Prozent der Fälle angegeben. Während die leichteren Formen früh, das heisst innerhalb der ersten zwei Monate beobachtet werden, können die schweren Diarrhöen verzögert (median 7,1 Monate) einsetzen und ungünstig verlaufen, worüber die Patienten informiert sein sollten. In Fällen schwerer Diarrhö sollte mittels Kolonoskopie eine CMV-Kolitis unbedingt ausgeschlossen werden. Gutes Management ist auch wichtig für die Pneumonitis. Eine Lungenfunktionsprüfung zu Beginn der Therapie und bei klinischen Symptomen (Husten, Dyspnoe) ist angezeigt. Finden sich in der Computertomografie auffällige Befunde, sollte auch eine bronchoskopische Kontrolle niederschwellig durchgeführt werden. Hier können Zytomegaloviren (CMV) aber auch PCP (Pneumozystispneumonie) eine kausale Rolle spielen, die geklärt sein sollte. Da jüngste Analysen von Studien sowohl eine vermehrte CMV-Reaktivierung als auch höhere PCP-Raten aufzeigen, werden unter Therapie bereits eine entsprechende Prophylaxe (z.B. Sulfamethoxazol plus Trimethoprim 960 mg 3-mal pro Woche p.o.) und ein regelmässiges CMV-Monitoring empfohlen (12).
Signalwegblockade mit Immunmodulatoren
Immunmodulatoren (IMID) wie Lenalidomid (Revlimid®) sind Eckpfeiler der Myelomtherapie und wurden inzwischen auch bei Lymphomen mit ermutigenden Ansprechraten getestet. Die Kombination aus Lenalidomid und Rituximab erzielt bei Patienten mit follikulärem Lymphom Grad 3 und rezidivierender oder refraktärer Erkrankung eine Gesamtansprechrate von bis zu 86 Prozent. Wird die Kombination direkt in der Erstlinientherapie eingesetzt, können Gesamtanprechraten von bis zu 98 Prozent mit einer hohen Rate kompletter Remissionen (87% bestätigte und unbestätigte) und MRD-Negativität erreicht werden. Die Zulassung zur Behandlung des Mantelzelllymphoms (MCL) beruht auf Studien mit rezidivierender oder refraktärer MCL-Erkrankung aufgrund einer Gesamtanprechrate von 42 bis 53 Prozent. Beim diffus-grosszelligen B-Zell-Lymphom (DLBCL) scheint Lenalidomid eine präferenzielle Aktivität beim ABC-Subtyp zu besitzen, da über eine Blockade des Transkriptionsfaktors IRF4 erneut eine Inhibition des B-Zell-Rezeptor- beziehungsweise NF-b-Signalwegs ausgelöst wird. Kombinationstherapien mit R-CHOP plus Lenalidomid (13) legen einen synergistischen Effekt im ABC-Subtyp nahe und werden derzeit prospektiv getestet.
Aktivierung des Zelltods durch Bcl-2-Inhibitoren
Das antiapoptotische BCL-2-Protein ist in Lymphomzellen überexprimiert und trägt zur Chemotherapieresistenz bei. Selektive, oral zu applizierende BCL-2-Inhibitoren wie Venetoclax (noch nicht in der Schweiz registriert) stoppen die Proliferation von Lymphomzellen mit hoher BCL-2-Expression. Die Zulassung basiert auf einer Phase-I-Dosis-EskalationsStudie mit täglich oral zu applizierendem Venetoclax bei Patienten mit rezidivierender oder refraktärer chronisch lymphatischer Leukämie (CLL) beziehungsweise kleinzelligem
lymphozytischem Lymphom (SLL) (14). Von 116 Patienten sprachen 92 (79%) an. Auch bei Patienten mit ungünstiger Prognose, einschliesslich derjenigen mit einer Resistenz gegen Fludarabin, der del17p-Mutation und nicht mutiertem IgHV-Gen (was in allen Fällen eine schlechtere Prognose bedeutet) liessen sich Ansprechraten von über 70 Prozent erzielten. Die geschätzte progressionsfreie 15-Monate-Überlebensrate betrug für die 400-mg-Dosis-Gruppen 69 Prozent. Damit ergänzt Venetoclax sinnvoll das therapeutische Arsenal und stellt insbesondere in der BCRi-refraktären Situation eine interessante Therapiealternative dar. Die klinische Erprobung wurde inzwischen auch auf andere hämatologische Erkrankungen mit starker BCL-2-Aktivität ausgedehnt und zeigt zum Beispiel auch bei älteren Patienten mit akuter myoloischer Leukämie (AML) eine hohe Wirksamkeit. Für den Kliniker wichtig zu wissen ist das mögliche Auftreten eines Tumorlysesyndroms. Zu dessen Vermeidung sollte das vorgegebene Dosis-Eskalations-Schema strikt eingehalten werden.
Zukünftige Entwicklungen:
umprogrammierte Abwehrzellen
Bei diesem Ansatz wird ein chimärer Antigenrezeptor (CAR)
in T-Zellen eingeschleust, was deren Spezifität verändert,
diese quasi «umpolt». Der Vorteil dieser Therapie ist, dass
auch bei einer einmaligen Applikation Gedächtniszellen im
Patienten entstehen können und sich so eine langfristige
Krankheitskontrolle erzielen lässt, was einer Heilung ent-
sprechen könnte.
Die reifsten Daten liefert wohl die ZUMA-1-Studie, die Patien-
ten mit rezidiviertem oder refraktärem diffus-grosszelligem
B-Zell-Lymphom (DLBCL) einschloss (15). Bei inzwischen
mehr als 110 behandelten Patienten liegt die Gesamtansprech-
rate bei 82 Prozent. 54 Prozent aller Patienten erreichen eine
komplette Remission. Die mediane Dauer des Ansprechens
beträgt 8,1 Monate. Patienten mit Therapieansprechen über
sechs Monate haben eine grosse Chance (> 90%), langfristig
in Remission zu bleiben. Die Nebenwirkungen (Grad ≥ 3) betrafen hauptsächlich die hämatologischen Parameter (Neutrope-
nie 66%, Leukopenie 44%, Anämie 43%, febrile Neutrope-
nie 31%, Thrombozytopenie 24%) sowie eine transiente
Enzephalopathie (21%). Damit ist diese infusionale Therapie
umprogrammierter Abwehrzellen ein interessanter neuer
Ansatz und birgt das Potenzial, die allogene Stammzelltrans-
plantation in einigen Indikationen zu ersetzen.
Die Grundlagen sind gelegt, die Verfügbarkeit in klinisch
relevantem Massstab (Produktion des individuellen Zellpro-
dukts in hoher Stückzahl) stellt eine logistische Hürde dar
und muss durch den Aufbau entsprechend geeigneter Labo-
ratorien noch gelöst werden.
O
Prof. Dr. med. Christoph Renner E-Mail: christoph.renner@unibas.ch
Prof. Dr. med. Frank Stenner E-Mail: frank.stenner@unibas.ch
Departement Biomedizin, Universität Basel Hebelstrasse 20, 4031 Basel
Interessenkonflikte: Die Autoren haben keine Interessenkonflikte deklariert. Literatur unter www.arsmedici.ch
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