Transkript
FORTBILDUNG
Serie: Der Arzt als Unternehmer
Aussenwirkung der Arztpraxis optimieren
Patientensegmentierung als Ausgangspunkt
Die Einnahme der Patientensichtweise ist der erste zen-
trale Schritt, um die Aussenwirkung der Arztpraxis zu
verbessern. Hierbei ist es wichtig, sich in die Patienten
hineinzuversetzen und diese in möglichst homogene Grup-
pen zu segmentieren. Dies ist der Ausgangspunkt für die
Marketingstrategie und die sich daraus ableitenden Mass-
nahmen wie etwa das Online-Marketing, das zunehmend
an Bedeutung gewinnt.
Alexander Fust und Philipp Wustrow
In der Betriebswirtschaftslehre hat sich in den letzten Jahrzehnten der Fokus von der reinen Produktorientierung zur Kundenorientierung verschoben. Bei der Produktorientierung steht das Produkt oder die Dienstleistung im Mittelpunkt. Der Kunde wird mit spezifischen Massnahmen zum Kauf angeregt. Bei der Kundenorientierung sind die Bedürfnisse des Kunden wichtig und dienen als Ausgangspunkt für die Bereitstellung von Angeboten. Schliesslich ist es der Kunde, der die Angebote bezahlt und somit über Erfolg oder Misserfolg der Firma entscheidet. Ein tiefgründiges Verständnis für die Eigenschaften und Bedürfnisse des Kunden ist dementsprechend erfolgskritisch. Bei niedergelassenen Ärzten sind die Marketingaufgaben stark kontextabhängig. Auf der einen Seite gibt es viele Grundversorger, die über mehrere Monate ausgebucht sind und keine neuen Patienten mehr annehmen können. In solchen Fällen werden Marketinginstrumente primär für die Bindung der «richtigen» beziehungsweise «gewünschten» Patienten eingesetzt. Die Aussendarstellung der Arztpraxis wird entsprechend auf die wichtigsten Patientengruppen fokussiert. Ziel ist es, die Patientenzufriedenheit nachhaltig zu steigern. Auf der anderen Seite stehen Spezialisten vor allem in den Städten häufig in einem intensiven Konkurrenzverhältnis zueinander. Der Erfolg des Marketings bemisst sich hier meist an der Gewinnung von neuen Patienten, also an der erfolgreichen Patientenakquise.
gegenüber seinem Patienten erlaube keine Beziehung auf Augenhöhe. Die Befürworter regen an, dass ein solches Abhängigkeitsverhältnis oft auch bei Diskussionen mit dem Treuhänder besteht. Auch dort existieren Informationsasymmetrien. Dabei geht es jedoch nicht um die Gesundheit des Arztes, sondern um die seiner Arztpraxis. Zudem argumentieren sie, dass der Kunde den Ärzten ihre Leistung direkt (Selbstzahler, hohe Franchise) oder indirekt vergütet (monatliche Zahlung der Krankenkassenprämien). Es ist somit eine Anspruchshaltung als Kunde vorhanden. Zur geführten Diskussion gibt es keine definitive Antwort. Wichtiger als die Bezeichnung erscheinen uns die Taten beziehungsweise der verantwortungsbewusste Umgang mit dem Patienten/Kunden. Der Patient/Kunde sollte ausschliesslich in seinem Interesse behandelt und beraten werden. Hierbei ist es hilfreich, sich zu fragen, welche Handlungsempfehlungen man sich selber in der gleichen Situation geben würde. Ein solches Verständnis entschärft die Diskussion, ob man von Patienten oder Kunden sprechen sollte.
Segmentierung Ihrer Patienten
Es gibt einen guten Grund, warum Firmen ihre Kunden in möglichst homogene Gruppen unterteilen: Es wäre ökonomisch nicht sinnvoll, jeden Kunden einzeln zu betrachten und für ihn ein individuelles Kommunikationskonzept zu entwickeln. Dennoch möchte man den Kunden möglichst persönlich ansprechen. Zu diesem Zweck gibt es unterschiedliche Segmentierungskriterien, wie zum Beispiel das Alter, das Vermögen, das Kaufverhalten oder der Lebenszyklus. In Arztpraxen werden die behandelnden Ärzte nicht nur mit divergierenden Krankheitsbildern konfrontiert, sondern auch mit Patienten unterschiedlichen Charakters. In Arztpraxen werden Segmentierungskriterien wie etwa der Lebenszyklus oder Unterschiede im Vertrauensverhältnis zum Arzt angewandt. Bei der Betrachtung des Lebenszyklus können zwei Gruppen exemplarisch betrachtet werden: hilfsbedürftige Personen und junge Familien. Ihre Bedürfnisse unterscheiden sich stark. So erwarten junge Familien etwa eine Spielecke im Wartezimmer, kindergerechte Toiletten
Patient, Kunde oder beides?
Das Verständnis und der Umgang mit einer Person definieren sich häufig auch über ihre Bezeichnung. Im Gesundheitswesen stellt sich die Frage, ob die Patienten als Kunden bezeichnet werden können. Diese Frage wird kontrovers diskutiert. Die Gegner argumentieren, dass der Patient in einem Abhängigkeitsverhältnis zu seinem Arzt steht und die ärztliche Behandlung einen Eingriff in die körperliche Integrität des Patienten darstellt. Der Wissensvorsprung des Arztes
Reflexionsbox
O Wie unterscheiden sich Ihre Patienten? O Wie können Sie diese Patienten segmentieren? O Was erwarten diese Patientengruppen von Ihnen,
Ihren MPA und Ihrer Praxis ganz allgemein (Angebote, zwischenmenschlicher Umgang etc.)?
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oder ganz allgemein eine gewisse Toleranz und Offenheit gegenüber schreienden Kindern. Hilfsbedürftige, oft ältere Personen erwarten hingegen häufig, dass man sich mehr Zeit für sie nimmt, Hektik ausbleibt und Rücksicht auf ihre langsamere Gehgeschwindigkeit genommen wird. Weitere Patientengruppen können zum Beispiel der Stänkerer (eher pessimistisch veranlagt), der Hypochonder/Angsthase (braucht Sicherheit und Vertrauen) oder der Besserwisser (hat ein hohes Informationsbedürfnis) sein. Es gilt also, sich in derartige Patientengruppen hineinzuversetzen, um ihre Bedürfnisse optimal zu verstehen und befriedigen zu können.
Patientensegmentierung als Ursprung der Marketingstrategie Was für den Arzt die Anamnese ist, ist für das Marketing die Kundensegmentierung. Ohne eine durchgeführte Patientensegmentierung ist es nicht möglich, eine professionelle Marketingstrategie zu entwickeln. Durch ein vertieftes Verständnis für die Zielgruppe können Marketinginstrumente deutlich gezielter und effizienter eingesetzt werden. So können beispielsweise Informationsmaterialien hinsichtlich der dort kommunizierten Inhalte und des Bildmaterials auf die Bedürfnisse der Zielgruppe abgestimmt werden. Sie können dazu einen Vorschlag für solche Informationsmaterialien Vertretern dieser Zielgruppe zeigen und deren Feedback einholen. Da die Aussenkommunikation einer Arztpraxis zunehmend online erfolgt, ist es essenziell, auch im Internet Marketinginstrumente zielgruppengerecht einzusetzen.
Reflexionsbox
O Welche Zielgruppe aus der Segmentierung möchten Sie erreichen?
O Welche Erwartungen hat diese Zielgruppe?
O Wo informiert sich diese Zielgruppe?
O Wie können Sie diese Zielgruppe erreichen?
zahlen Sie Google einen Betrag pro Klick auf Ihre Anzeige (Google AdWords). Dafür erscheint Ihre Webseite bei einer Suche weiter oben mit dem Vermerk «Anzeige». Sie können selbst wählen, wie hoch dieser Betrag sein soll, und Sie bestimmen die maximalen Ausgaben für alle Klicks. Die Position hängt davon ab, wie viel andere Firmen für denselben Suchbegriff zahlen und wie attraktiv Ihre Anzeige für die Suchenden ist. Bei der SEO wie auch dem SEM empfehlen wir, eine hierfür spezialisierte Firma aufzusuchen.
Reflexionsbox
O Mit welchen Suchbegriffen würden Patienten in Ihrer Umgebung online nach einem Arzt suchen?
O Wenn Sie diese Suchbegriffe eingeben: An welcher Position erscheint Ihre Praxis?
O Wie attraktiv ist Ihre Webseite für Ihre Zielgruppe? O Welche Informationen interessieren Ihre Zielgruppe? O Ist Ihre Webseite auch auf dem Smartphone gut darstellbar?
Die beste SEO bringt Ihnen jedoch nichts, wenn Ihre Webseite Ihre
Zielgruppe nicht überzeugt und sich der Patient nur kurz darauf
aufhält. Es geht darum, dass Ihre Zielgruppe die gewünschten In-
formationen möglichst schnell findet und auch Ihre Arztpraxis
möglichst so wahrnimmt, wie von Ihnen intendiert. Zur Optimie-
rung der Seite ist es ratsam, Personen Ihrer Zielgruppe oder Pa-
tienten ganz allgemein zu fragen, wie sie die Webseite beurteilen
und welche Informationen für sie relevant sind.
Abschliessend lässt sich festhalten, dass Marketingmassnahmen
nur ihren gewünschten Effekt erzielen können, wenn die Inhalte
zielgerichtet gegenüber homogenen Patientensegmenten kommu-
niziert werden.
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Alexander Fust, Dr. oec. HSG Projektleiter
Online-Marketing – Google
Die Arztsuche hat sich in den letzten Jahren stärker ins Internet verlagert. Die meisten Patienten «googlen» ihren Arzt vor dem Besuch der Praxis. Gemäss dem Statistikportal «Statista» wurden 2016 in der Schweiz Suchanfragen in über 90 Prozent der Fälle über Google abgewickelt. Untersuchungen zeigen auch, dass vor allem die ersten fünf Resultate einer Google-Suche am häufigsten einen «Klick» erhalten. Falls die Webseite Ihrer Praxis erst auf der zweiten GoogleSeite erscheint, ist die Wahrscheinlichkeit gering, dass ein potenzieller Patient den Weg zu Ihrer Webseite über Google findet. Was können Sie tun? Es gibt unter anderem zwei Möglichkeiten, dies zu Ihren Gunsten zu beeinflussen: die Suchmaschinenoptimierung (search engine optimization, SEO) und das Suchmaschinenmarketing (search engine marketing, SEM). Bei der Suchmaschinenoptimierung gestalten Sie Ihre Webseite so, dass sie bei einer Google-Suche mit den gewünschten Schlüsselbegriffen möglichst weit oben auf Google erscheint. Es ist somit wichtig zu wissen, welche Suchwörter Ihre segmentierten Patientengruppen nutzen. Demnach suchen Patienten nach Begriffen wie «schwarzes Muttermal» und weniger nach «malignes Melanom», um ein Beispiel zu nennen. Google hält zwar seine Suchalgorithmen geheim, trotzdem sind einige Aspekte bekannt, die zu einem besseren Ranking führen können (z.B. Struktur der Webseite, Domainname, Links). Beim SEM
Philipp S. F. Wustrow, M.A. HSG Projektleiter, wissenschaftlicher Mitarbeiter
KMU-HSG Schweizerisches Institut für Klein- und Mittelunternehmen Universität St. Gallen, Dufourstrasse 40a, 9000 St. Gallen E-Mail: alexander.fust@unisg.ch; Internet: www.kmu.unisg.ch
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