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STUDIE REFERIERT
Kniearthrose: Helfen Gelenkspritzen? Und wenn ja, welche?
Thrombozytenreiches Plasma versus Hyaluronsäure
Intraartikuläre Injektionen mit Hyaluronsäure oder mit thrombozytenreichem Plasma werden bei Patienten mit Schmerzen und Bewegungseinschränkungen aufgrund einer Kniearthrose mit unterschiedlichem Erfolg eingesetzt. Aufgrund der bis anhin widersprüchlichen Datenlage hat eine aktuelle Studie beide Gelenkspritzen hinsichtlich ihrer biologischen und klinischen Wirksamkeit miteinander verglichen.
American Journal of Sports Medicine
Die symptomatische Kniearthrose wird derzeit standardmässig mit oralen entzündungshemmenden Medikamenten, mit Physiotherapie, topischen antiinflammatorisch wirksamen Salben und Gels oder mit direkt ins Gelenk injizierten Substanzen behandelt. Letzteres ist meist die letzte einer chirurgischen Intervention vorausgehende Therapieoption und umfasst die intraartikuläre Verabreichung von Kortikosteroiden, von thrombozytenreichem Plasma (plateletrich plasma, PRP) oder die Viscosupplementation mit Hyaluronsäure (hyaluronic acid, HA) als die natürliche schmierende Gelenkflüssigkeit ergänzende beziehungsweise ersetzende Substanz.
MERKSÄTZE
O In einer Vergleichsstudie ergaben sich bei Kniearthrosepatienten, welche intraartikuläre Injektionen von entweder thrombozytenreichem Plasma (PRP) oder Hyaluronsäure (HA) erhalten hatten, keinerlei Unterschiede in den im WOMAC-Schmerz-Score erzielten Ergebnissen.
O Demgegenüber zeigten sich sowohl andere patientenberichtete Kennzahlen als auch über die Analyse von Synovialflüssigkeit erfasste biologische Parameter unter beiden Therapien signifikant verbessert, wobei die Resultate mit PRP denen mit HA überlegen waren.
Bei der HA-Injektion handelt es sich um eine relativ kostenintensive Therapie auf synthetischer Basis, deren tatsächliche und verlässliche Wirkung innnerhalb der intraartikulären Entzündungskaskade bis anhin nicht zweifelsfrei nachgewiesen werden konnte, die aber bei manchen Patienten akute lokale Reaktionen hervorruft. Die Verwendung autologer Blutprodukte wie beispielsweise PRP bietet demgegenüber die Möglichkeit, die Symptome mittels einer vom Patienten selbst stammenden Substanz zu lindern, welche als Alternative zu HA über die Stimulation von Wachstumsfaktoren und die Hemmung inflammatorischer Zytokine gleichzeitig an den zugrunde liegenden Entzündungsprozessen ansetzt. Doch auch die bis jetzt durchgeführten Studien zur klinischen Wirksamkeit einer Behandlung mit PRP haben noch keine eindeutigen Resultate liefern können.
Erste prospektiv randomisierte
Vergleichsstudie zu intaartikulären
Injektionen
Ziel einer aktuellen Untersuchung war es daher, an Patienten mit leichter bis moderater Kniearthrose über die Analyse von Synovialflüssigkeit und die Messung klinischer Parameter die Effekte einer intraartikulären Behandlung mit PRP mit der Wirksamkeit von HA-Injektionen zu vergleichen. Dazu erhielten im Zeitraum von 2011 bis 2014 insgesamt 111 Patienten (mittleres Alter: 56,2 ± 10,2 Jahre; 53 männlich, 58 weiblich) mit unilateraler symptomatischer Kniearthrose randomisiert eine Serie von drei in wöchentlichem Abstand aufeinander folgenden ultraschallgeführten Injektionen mit entweder leukozytenarmem PRP oder mit HA. Die klinischen
Daten wurden jeweils einmal vor Therapie, in den Therapiewochen 2 und 3 sowie zu vier verschiedenen Zeitpunkten im Verlauf des auf die Behandlung folgenden Jahres (Follow-up nach 6, 12, 24 und 52 Wochen) erfasst. Als primäres Studienresultat wurde der 12 und 24 Wochen nach der jeweiligen Behandlung individuell ermittelte Wert auf der Schmerz-Subskala des WOMAC (Western Ontario and Mcmaster Universities Osteoarthritis Index) für die Analyse herangezogen. Sekundäre Masszahlen umfassten die Ergebnisse des Schmerzes im VAS (visuelle Analogskala), des Lysholm-Knie-Scores, der subjektiven Evaluation des Kniegelenks gemäss IKDC (International Knee Documentation Committee) sowie der WOMACSubskalen für Versteifung und Funktion. Ausserdem wurden die jeweils vor sowie 12 beziehungsweise 24 Wochen nach Behandlung in der Kniegelenkflüssigkeit vorhandenen Konzentrationen von Enzündungsparametern (tertiäres Studienresultat: TNF[Tumornekrosefaktor-]␣-Konzentration; weitere erfasste biologische Parameter: IL-[Interleukin-]1-/-F2-/-1ra-/-1F3-/-6- und CXCL8-[C-X-C motif chemokine ligand 8]/ IL-8-Konzentrationen) bestimmt.
PRP-Therapie mit Vorteilen
Für alle untersuchten Parameter ergab sich eine signifikante Interaktion zwischen den jeweils vor und nach Behandlung ermittelten Werten, mit einer bis zum 24-WochenFollow-up beobachteten Verbesserung sowohl in der PRP- als auch in der HAGruppe und einer sich anschliessenden Verschlechterung der jeweiligen Werte bis zum 52-Wochen-Follow-up. Keinerlei Unterschiede ergaben sich dagegen für PRP- und HA-behandelte Patienten bezüglich des primären Studienresultats: Die in beiden Gruppen ermittelten Werte des WOMAC-Schmerz-Scores wichen zu keinem der untersuchten Zeitpunkte signifikant voneinander ab. Hinsichtlich der sekundären klinischen Studienparameter zeigten sich dagegen Differenzen zwischen den Behandlungsgruppen: So ergab die statistische Auswertung einen signifikant höheren (besseren) IKDC-Score in der PRP- gegenüber der HA-Gruppe sowohl 24 (65,5 ± 3,6 vs. 55,8 ± 3,8; p = 0,013) als auch 52 Wochen nach Behandlung (57,6 ± 3,37 vs. 46,6 ± 3,76; p = 0,003). Auch die erzielten VAS-Score-Resultate waren in der PRP-Gruppe zu beiden Erfassungszeitpunkten statistisch niedriger (und somit günstiger) als in der HA-Gruppe
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(nach 24 Wochen: 34,6 ± 3,24 vs. 48,6 ± 3,7; p = 0,096; nach 52 Wochen: 44 ± 4,6 vs. 57,3 ± 3,8; p = 0,039). Fixed-effects-Analysen ergaben, dass Patienten mit leichter Kniearthrose und niedrigerem Body-Mass-Index unter PRP signifikant bessere Resultate erzielten. Bei der Auswertung der biochemischen Parameter ergaben sich statistisch signifikante Unterschiede zwischen den Behandlungsgruppen hinsichtlich der nach 12 Wochen gemessenen IL-1B(PRP: 0,14 ± 0,05 pg/ml, HA: 0,34 ± 0,16 pg/ml; p = 0,06) und TNF-␣-Konzentrationen (PRP: 0,08 ± 0,01 pg/ml, HA: 0,2 ± 0,18 pg/ml; p = 0,068). Somit hatte die PRP- im Vergleich mit der HA-Therapie einen günstigeren Effekt auf das Vorliegen der genannten Entzündungsmarker ausgeübt, welcher mit den durch die Patienten berichteten deutlicheren Verbesserungen unter PRPTherapie korreliert. Daher schliessen die Autoren der Studie aus ihren Daten,
dass sich die subjektiv ermittelten Symptomverbesserungen zumindest teilweise auf die antientzündlichen Eigenschaften der PRP-Therapie zurückführen lassen.
Schlussfolgerungen
Ihre Ergebnisse, so die Studienautoren, sind im Einklang mit der aktuellen Literatur, wonach sowohl PRP- als auch HA-Injektionen zu statistisch signifikanten Verbesserungen in Bezug auf Schmerz und Funktion gegenüber dem Zustand vor entsprechender Therapie führen. Wenn auch das primäre Studienergebnis, der WOMAC-SchmerzScore, in beiden Behandlungsgruppen nicht signifikant unterschiedlich ausgefallen war, so zeigte die Analyse der sekundären Messzahlen demgegenüber doch eine nicht nur statistisch, sondern auch klinisch bedeutsame Verbesserung nach PRP-Therapie. Der IKDCScore hatte sich unter PRP gegenüber
Baseline in einer Grössenordnung verbessert, welche das gemäss Definition für eine klinische Signifikanz des Therapieeffekts geforderte Mindestmass der absoluten Veränderung (6,3 Punkte nach 24 Wochen und 16,7 Punkte nach 52 Wochen) 24 Wochen nach Therapie deutlich überschritt (Differenz ca. 10 Punkte) und diesem 52 Wochen nach PRP-Injektion zumindest noch nahekam (Differenz ca. 11 Punkte). O
Ralf Behrens
Quelle: Cole BJ et al.: Hyaluronic acid versus plateletrich plasma: a prospective, double-blind randomized controlled trial comparing clinical outcomes and effects on intra-articular biology for the treatment of knee osteoarthritis. Am J Sports Med 2017; 45(2): 339–346.
Interessenlage: Ein Teil der Autoren der referierten Originalstudie hat Forschungsunterstützung und/oder Vortrags- bzw. Beratungshonorare von diversen Pharmafirmen oder Behörden erhalten oder hält Anteile an einzelnen Unternehmen.
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