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STUDIE REFERIERT
Langzeiteffektivität und Sicherheit von TNF-α-Inhibitoren bei rheumatoider Arthritis
Vergleichsdaten aus der EXXELERATE-Studie
In der Head-to-head-Studie EXXELERATE wurde die Wirksamkeit des pegylierten Tumornekrosefaktor-alpha-(TNF-α-)Inhibitors Certolizumab pegol plus Methotrexat (MTX) mit der Wirksamkeit eines anderen TNF-α-Inhibitors (Adalimumab) plus MTX bei der Behandlung von Patienten mit mittlerer bis schwerer aktiver rheumatoider Arthritis verglichen. Die erste Evaluation der 104-wöchigen Studie fand nach 12 Wochen statt.
The Lancet
EXXELERATE ist die erste kontrollierte, prospektive Studie, in welcher an Patienten mit aktiver rheumatoider Arthritis die Effektivität und die Sicherheit zweier TNF-␣-Inhibitoren auf Basis einer Therapieentscheidung nach 12 Wochen miteinander verglichen werden. Frühere Studien hatten bereits gezeigt, dass durch das schnelle Ansprechen des Anti-TNF schon nach 12 Wochen eine zuverlässige Entscheidung über die Fortführung der Therapie möglich ist. Eine solche Entscheidung nach 12 Wochen zu treffen, wird von der European League Against Rheumatism (EULAR) und vom internationalen Treat-to-targetExpertenkomitee empfohlen.
Studiendesign und -ziel An der Studie nahmen Patienten aus 151 Zentren weltweit teil. Die Patienten waren mindestens 18 Jahre alt und litten trotz vorangegangener mindestens 12-wöchiger Therapie mit MTX unter einer aktiven rheumatoiden Arthritis
MERKSÄTZE
O Eine Behandlung mit Certolizumab pegol plus Methotrexat ist einer solchen mit Adalimumab plus MTX nicht überlegen.
O Nach primärem Versagen eines ersten TNF-Inhibitors ist die Umstellung auf einen anderen TNF-Inhibitor klinisch nützlich und sicher.
gemäss den Guidelines 2010 des ACR (American College of Rheumatology) und der EULAR und wiesen prognostische Faktoren eines schweren Krankheitsverlaufs auf: Tests auf Rheumafaktoren und/oder CCP-Antikörper (Antikörper gegen zyklische zitrullinierte Proteine) waren bei ihnen positiv ausgefallen. In der zunächst doppelblinden Parallelgruppenstudie erhielten die bis anhin biologikanaiven Patienten entweder Certolizumab pegol (Cimzia®; Wochen 0, 2 und 4: 400 mg, danach 200 mg alle 2 Wochen) plus MTX oder Adalimumab (40 mg alle 2 Wochen) plus MTX. In Woche 12 wurden die Patienten als Responder oder Nonresponder klassifiziert. Der Krankheitszustand oder -fortschritt wurde gemäss DAS28-ESR (Disease Activity Score 28 – erythrocyte sedimentation rate) beurteilt. Bei Respondern war entweder die Krankheitsaktivität gering (DAS28: ≤ 3,2), oder der DAS28 hatte sich um mindestens 1,2 Punkte gegenüber Baseline verringert. Sprachen Patienten der beiden Gruppen innerhalb von 12 Wochen auf ihre jeweilige initiale Therapie an, führten sie diese bis zum Studienende in Woche 104 durch. Nonresponder in der Certolizumab/MTX-Gruppe wurden fortan auf Adalimumab (40 mg) plus MTX und Nonresponder in der Adalimumab/MTX-Gruppe auf Certolizumab pegol (400 mg in Woche 12, 14 und 16, danach 200 mg alle 2 Wochen) plus MTX umgestellt. Nonresponder, die auch nach dem Wechsel nach weiteren 12 Wochen nicht auf die Therapie
ansprachen, wurden für die Auswertung nicht weiter berücksichtigt. Primäre Endpunkte waren zum einen der Prozentsatz der Patienten, die eine 20-prozentige Besserung der Erkrankung gemäss den ACR-Kriterien (ACR20) in Woche 12 erfuhren, und zum anderen der prozentuale Anteil der Patienten, welche nach 104 Wochen eine geringe Krankheitsaktivität (DAS28 ≤ 3,2) aufwiesen. Sekundäre Endpunkte erfassten unter anderem eine geringe Krankheitsaktivität (DAS28 ≤ 3,2) in den Wochen 6, 12 und 52.
Studienergebnisse
Zwischen dem 14. Dezember 2011 und dem 11. November 2013 wurden 1488 Patienten untersucht, von welchen 915 randomisiert wurden. 457 Patienten nahmen Certolizumab pegol plus MTX und 458 Adalimumab plus MTX ein. In Woche 12 fand sich kein statistisch signifikanter Unterschied zwischen den beiden Studiengruppen hinsichtlich des Anteils von Patienten mit ACR20Response (314 [69%] von 454 mit Certolizumab pegol plus MTX behandelten Patienten und 324 [71%] von 454 mit Adalimumab plus MTX behandelten Patienten; Odds-Ratio [OR]: 0,9; 95%-Konfidenzintervall [KI]: 0,67– 1,20; p = 0,467). Auch eine geringe Krankheitsaktivität gemäss DAS28 nach 104 Wochen war in beiden Gruppen vergleichbar häufig erreicht worden, und zwar von 161 (von insgesamt 454, 35%) Patienten der Certolizumabpegol/MTX-Gruppe und von 152 (von 454, 33%) Patienten der Adalimumab/ MTX-Gruppe (OR: 1,09; 95%-KI: 0,82– 1,45; p = 0,532). In Woche 12 wurden 65 Nonresponder von Certolizumab pegol auf Adalimumab und 57 Nonresponder von Adalimumab auf Certolizumab pegol umgestellt. 33 (58%) von 57 Patienten, welche auf Certolizumab pegol umgestellt worden waren, und 40 (62%) von 65 Patienten, die auf Adalimumab umgestellt worden waren, reagierten 12 Wochen später. Sie erreichten eine niedrige Krankheitsaktivität beziehungsweise einen DAS28-Wert ≤ 3,2 oder eine Reduktion um mindestens 1,2 Punkte. 389 (75%) von 516 Patienten, die Certolizumab pegol plus MTX erhalten hatten, und 386 (74%) von 523 Patienten, die Adalimumab plus MTX erhalten
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hatten, berichteten über behandlungsabhängige Nebenwirkungen. Maligne Erkrankungen traten bei 8 Patienten der Certolizumab-pegol-Gruppe und bei 7 Patienten der Adalimumab-Gruppe auf (u.a. Basalzell-, Blasenzell- und Mammakarzinome). 3 Todesfälle (1%) fanden sich in jeder Gruppe. Während eines 70-tägigen Zeitraums nach Wechsel der Behandlung wurden keinerlei schwerwiegende Infektionen beobachtet.
Diskussion
Eine systematische Literaturrecherche aus dem Jahr 2010 zum Thema TNFBlocker nutzte die Datenbanken Ovid und Pubmed. Die Recherche ergab, dass zum damaligen Zeitpunkt keine randomisierte und kontrollierte Studie existierte, welche direkt die Wirksamkeit und Sicherheit von zwei TNF-Inhibitoren miteinander vergleicht. Die EULAR und das ACR empfehlen zur Erstbehandlung einer rheumatoiden Arthritis herkömmliche synthetische DMARD (disease-modifying antirheumatic drugs) wie MTX, Leflunomid, Azathioprin oder Etanercept. Falls keine ausreichende Wirksamkeit er-
reicht werden kann, sollte zusätzlich ein biologisches DMARD gegeben werden. Falls innerhalb von 3 Monaten keine ausreichende Wirksamkeit erzielt werden kann, sollte auf ein anderes biologisches DMARD umgestellt werden. Bisher wurden keine Head-to-headStudien durchgeführt, welche zwei biologische DMARD miteinander verglichen. Auch gibt es keine Studien, welche die Wirksamkeit und Sicherheit einer Umstellung auf einen zweiten TNF-Inhibitor prüften. Die Evidenz für die Wirksamkeit einer Umstellung auf einen TNF-Inhibitor basiert auf Studien, welche die Wirksamkeit einer Umstellung auf einen THF-Inhibitor von einem herkömmlichen DMARD oder die Umstellung von TNF-Inhibitoren auf einen anderen untersuchten, zum Beispiel die REALISTIC- oder die GO-AFTER-Studie. Die in diesen Studien untersuchten Patientenpopulationen waren allerdings heterogen, und die Vorbehandlung mit TNF-Inhibitoren war nicht einheitlich und von unterschiedlicher Dauer, und die Gründe für einen Therapieabbruch unterschieden sich ebenfalls.
Fazit
Die Ergebnisse der EXXELERATE-
Studie zeigen, dass eine Behandlung mit
Certolizumab pegol plus MTX einer
Therapie mit Adalimumab plus MTX
weder hinsichtlich der kurzzeitigen
(12 Wochen) noch bezüglich der Lang-
zeiteffektivität (2 Jahre) überlegen ist.
Die Daten zeigen zudem den klinischen
Nutzen und die Sicherheit der Umstel-
lung auf einen anderen TNF-Inhibitor
nach primärem Versagen eines ersten
TNF-Inhibitors ohne vorangegangene
Wash-out-Periode.
O
Claudia Borchard-Tuch
Quelle: Smolen JS et al.: Head-to-head comparison of certolizumab pegol versus adalimumab in rheumatoid arthritis: 2-year efficacy and safety results from the randomised EXXELERATE study. Lancet 2016; 388(10061): 2763–2774.
Interessenlage: Die referierte Studie wurde von UCB Pharma finanziert. Einige der Autoren der Originalpublikation sind Mitarbeiter dieses Unternehmens, die übrigen geben an, diverse Beziehungen zu verschiedenen anderen Pharmafirmen zu unterhalten sowie (finanzielle) Unterstützung von diesen Unternehmen erhalten zu haben.
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