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STUDIE REFERIERT
Behandlung der Lupusnephritis und Herpes-zoster-Risiko
In einem systematischen Review mit Netzwerkmetaanalyse waren Immunsuppressiva bei einer Lupusnephritis mit einem signifikant ausgeprägteren renalen Nutzen verbunden als Kortikosteroide. Allerdings war auch das Risiko für die Entwicklung von Herpes zoster unter den Immunsuppressiva bedeutend höher als bei einer Behandlung mit Kortikosteroiden.
Journal of Rheumatology
Ein Drittel aller Patienten mit systemischem Lupus erythematodes leidet bereits zu Beginn der Erkrankung an einer Nephritis. Bei 50 bis 60 Prozent der Betroffenen entwickelt sich die Nephritis innerhalb der ersten 10 Jahre. Die Lupusnephritis ist mit der Entwicklung von Nierenerkrankungen im Endstadium und einem vorzeitigen Tod verbunden. Immunsuppressiva wie MycophenolatMofetil (MMF; CellCept® und Generika), Cyclophosphamid (CYC; Endoxan®) oder Azathioprin (AZA; Imurek® und Generika) verbessern die klinischen Ergebnisse im Zusammenhang mit der Lupusnephritis und werden häufig zusammen mit Kortikosteroiden angewendet. Bei einer Kombination beider Medikamentenklassen kann die kumulative Kortikosteroiddosis ge-
MERKSÄTZE
O Immunsuppressiva sind mit einem signifikant geringeren Risiko für eine ESRD verbunden als Kortikosteroide.
O Mit Immunsuppressiva wird ein besseres renales Ansprechen erreicht als mit Kortikosteroiden.
O Unter Immunsuppressiva kommt es zu weniger renalen Rezidiven als unter Kortikosteroiden.
O Immunsuppressiva sind mit einem signifikant höheren Risiko für Herpes zoster assoziiert als Kortikosteroide.
O Der Entwicklung von Herpes zoster kann mit einer Impfung vorgebeugt werden.
senkt werden, sodass sich auch die damit verbundenen Nebenwirkungen verringern. Die Immunsuppressiva unterscheiden sich im Hinblick auf den Applikationsweg, die Anwendungshäufigkeit und die Sicherheit in der Schwangerschaft. Die Wirksamkeit der einzelnen Substanzen bei systemischem Lupus erythematodes wurde bis anhin jedoch nur in wenigen grossen «Head-to-head»Studien verglichen. Jasvinder Singh von der Universität Alabama (USA) und seine Arbeitsgruppe untersuchten nun in einem systematischen Review und einer BayesNetzwerkmetaanalyse anhand von 65 randomisierten, kontrollierten Studien die relative Wirksamkeit und schädigende Wirkungen von Kortikosteroiden und Immunsuppressiva im Rahmen der Induktions- und Erhaltungstherapie einer Lupusnephritis. Bei den Immunsuppressiva handelte es sich um CYC, MMF, AZA, Ciclosporin (CSA; Sandimmun® und Generika), Tacrolimus (TAC; Prograf® und Generika) und Rituximab (RTX; MabThera®). Studien zu Belimumab (Benlysta®) konnten im Rahmen des Reviews nicht ausgewertet werden, weil Patienten mit aktiver Lupusnephritis in diese Untersuchungen meist nicht aufgenommen wurden. Als primäre Endpunkte definierten die Forscher die Rate der Nierenerkrankungen im Endstadium (ESRD) und das renale Ansprechen (inklusive einer stabilen Nierenfunktion). Als sekundäre Endpunkte wurden die Raten renaler Rezidive und der Niereninsuffizienz (Verdoppelung der Serumkreatininkonzentration oder Verringerung der glomerulären Filtrationsrate [GFR] > 20%) untersucht.
Bessere renale Ergebnisse
mit Immunsuppressiva
Unter CYC wurde im Vergleich zu Kortikosteroiden ein signifikant geringeres Risiko für die Entwicklung einer ESRD beobachtet (Odds Ratio [OR]: 0,49; 95%-Konfidenzintervall [KI]: 0,25– 0,92). Auch unter der Kombination CYC/AZA war das ESRD-Risiko im Vergleich zu dem der Kortikosteroide signifikant niedriger (OR: 0,18; 95%KI: 0,05–0,57). Ähnliche Ergebnisse zeigten sich beim Vergleich der ESRDRisiken von hoch dosiertem CYC (OR: 0,16; 95%-KI: 0,03–0,61) und hoch dosiertem CYC/AZA (OR: 0,10; 95%KI: 0,03–0,34) mit dem ESRD-Risiko hoch dosierter Kortikosteroide. Hoch dosierte Kortikosteroide waren mit einem höheren ESRD-Risiko assoziiert als CYC (OR: 3,59; 95%-KI: 1,30– 9,86), AZA (OR: 2,93; 95%-KI: 1,08– 8,10) oder MMF (OR: 7,05; 95%-KI: 1,66–31,91). Zwischen den einzelnen Immunsuppressiva wurde kein signifikanter Unterschied im Hinblick auf das ESRD-Risiko beobachtet. Die renalen Ansprechraten waren im Vergleich zu Kortikosteroiden signifikant höher unter CYC (OR: 1,98; 95%-KI: 1,13–3,52), unter MMF (OR: 2,42; 95%-KI: 1,27–4,74) und unter Tacrolimus (OR: 4,20; 95%-KI: 1,29– 13,68). Zwischen den einzelnen Immunsuppressiva zeigten sich keine signifikanten Unterschiede bezüglich des renalen Ansprechens. MMF und CYC waren mit einer geringeren Wahrscheinlichkeit für ein renales Rezidiv verbunden als Kortikosteroide (0,16 und 0,23), und MMF war im Vergleich zu AZA mit einer geringeren Wahrscheinlichkeit (0,43) für ein renales Rezidiv assoziiert. Unter hoch dosiertem CYC kam es weniger häufig zu einer Verschlechterung der Nierenfunktion als unter Kortikosteroiden (Standarddosierung/hohe Dosierung), AZA oder einer Plasmapherese (OR: 0,10–0,29).
Höheres Herpes-zoster-Risiko
unter Immunsuppressiva
Unter allen Immunsuppressiva wurde im Vergleich zu Kortikosteroiden ein signifikant höheres Risiko für die Entwicklung von Herpes zoster beobachtet. Das Herpes-zoster-Risiko verteilte sich wie folgt:
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ARS MEDICI 5 I 2017
O MMF vs. Kortikosteroide (OR: 4,38; 95%-KI: 1,02–23,87)
O CYC vs. Kortikosteroide (OR: 6,64; 95%-KI: 1,97–25,71)
O TAC vs. Kortikosteroide (OR: 9,11; 95%-KI: 1,13–70,99)
O CYC + AZA vs. Kortikosteroide (OR: 8,46; 95%-KI: 1,99–43,61).
Sonstige Nebenwirkungen
Die Malignitätsraten aller Medikamente waren vergleichbar. Bezüglich der Häufigkeit von Diabetes/Hyperglykämien, Osteonekrosen und der Mortalität stellten die Wissenschaftler ebenfalls keine Unterschiede zwischen den untersuchten Medikamenten fest. Im Hinblick auf andere Nebenwirkungen wurden deutliche Unterschiede zwischen den einzelnen Immunsuppressiva beobachtet. Hoch dosiertes CYC war mit einem 3,3-fach höheren Risiko für gastrointestinale Nebenwirkungen im Vergleich zu MMF und einem 8,2-fach höheren Risiko für gastrointestinale Nebenwirkungen im Vergleich zu TAC verbunden. Zudem war hoch dosiertes CYC mit einem 4,5-fach höheren Alopezierisiko assoziiert als MMF. Des Weiteren war CYC mit einem 9,7-fach höheren Risiko für Blasentoxizitäten (hämorrhagische Zystitis, Hämaturie) verbunden als Kortikosteroide, und unter hoch dosiertem CYC kam es häufiger zu Zytopenien als unter MMF (OR: 1,69).
Fazit und Diskussion
Insgesamt gelangten die Autoren zu dem Ergebnis, dass Immunsuppressiva im Vergleich zu Kortikosteroiden bei einer Lupusnephritis mit einem signifikant ausgeprägteren renalen Nutzen verbunden sind. Die bessere Wirksamkeit der Immunsuppressiva ist in der Literatur bereits gut dokumentiert. Im Rahmen des vorliegenden Reviews konnten die Unterschiede jedoch erstmals quantifiziert werden. Das 2- bis 10-fach erhöhte ESRD-Risiko unter der Kortikosteroidmonotherapie unterstreicht nach Ansicht der Autoren die Bedeutung der Immunsuppressiva zur Prävention von Nierenschäden bei Patienten mit Lupusnephritis. Auch das im Vergleich zu Kortikosteroiden 4- bis 9-fach erhöhte Herpeszoster-Risiko der Immunsuppressiva konnte im Rahmen des Reviews erstmals quantifiziert werden. In diesem
Zusammenhang weisen die Autoren darauf hin, dass die US Centers for Disease Control and Prevention für Patienten ab 60 Jahren mit systemischem Lupus erythematodes vor Beginn einer immunsupprimierenden Behandlung eine Herpes-zoster-Impfung empfehlen. Im Hinblick auf Malignitäten wurden keine Unterschiede zwischen den untersuchten Medikamenten beobachtet. Dabei ist jedoch zu beachten, dass sich eine Krebserkrankung meist im Zeitraum einiger Jahre entwickelt. Die im Review berücksichtigten Studien zur Induktionstherapie erstreckten sich jedoch nur über etwa 6 Monate und die meisten Studien zur Erhaltungstherapie über 11/2 bis 2 Jahre. Somit sollte aus den fehlenden Unterschieden nicht auf ein vergleichbares Krebsrisiko aller Medikamente geschlossen werden. Zur Evaluierung des Malignitätsrisikos sind nach Ansicht der Autoren gut designte Langzeitkohorten- und Registerstudien erforderlich. Ähnliches gilt für die nicht beobachteten Unterschiede bezüglich der Entwicklung von Diabetes/Hyperglykämie und Osteonekrosen. Auch hier waren die Ereignisraten gering und die Daten daher für die Ermittlung von Unterschieden nicht aussagekräftig genug. Im Hinblick auf Nebenwirkungen wie Alopezie, Zytopenie, Leukopenie, auf die Blasentoxizität und die gastrointestinale Verträglichkeit wurden signifikante Unterschiede zwischen den Immunsuppressiva beobachtet, die bei der Auswahl eines individuell geeigneten Medikaments von Bedeutung sind. O
Petra Stölting
Quelle: Singh JA et al.: Treatments for lupus nephritis: a systematic review and network metaanalysis. J Rheumatol 2016; 43: 1801–1815.
Interessenkonflikte: Die referierte Studie wurde vom Patient-centered Outcomes Research Institute (PCORI) finanziert. Zu den Interessenkonflikten der Autoren des referierten Reviews sind keine Angaben vorhanden.