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BERICHT
Update zur rheumatoiden Arthritis
Therapiepalette wird immer breiter
Für die Behandlung von Patienten mit rheumatoider Arthritis öffnen sich neue Therapieoptionen. Zu den klassischen Basismedikamenten und den Biologika kommen neuerdings Biosimilars sowie in Zukunft JAK-Inhibitoren. Prof. Josef Smolen aus Wien erläuterte am EULAR-Kongress in London anhand neuer Studien den aktuellen Stand der Rheumatherapie.
Klaus Duffner
Patienten mit einer frisch diagnostizierten rheumatoiden Arthritis (RA) sollten so schnell wie möglich mit einem Basismedikament (DMARD, disease modifying antirheumatic drug) behandelt werden. Goldstandard ist nach wie vor Methotrexat (MTX). Nach einer Eingewöhnungsphase sollte das Medikament innerhalb von zwei bis drei Monaten auf die optimale Dosis angehoben werden.
ptomatik kommen (DAS28 < 2,6 bei rund 60%). Sie reiche fast an die Effektivität von Biologikatherapien heran, so Smolen. Weitere konventionelle Basismedikamente (z.B. Sulfasalazin), zusätzlich zu dieser Kombination, bringen gemäss einer noch unveröffentlichten Studie hingegen keine weitere Effektivitätssteigerung (3). Umgekehrt weisen Rheumapatienten, die nicht noch weitere konventionelle Basismedikamente Konventionelle Medikamente, zusätzlich zur wirksamen MTX-SteroidKombination, bringen nichts, ausser mehr Nebenwirkungen. Aber was ist die «optimale Dosis»? In verschiedenen Studien zeigt sich, dass dieses Basismedikament nicht zu tief dosiert werden sollte, so der Rheumaexperte vom Allgemeinen Krankenhaus der Stadt Wien. Eine wöchentliche Applikation von mindestens 25 mg sei daher zu empfehlen (1). Damit würden ein Viertel der Patienten in Remission gehen und bis zu 40 Prozent eine ACR70-Response erreichen (70%ige Verbesserung von Symptomen wie Gelenkschmerz, Gelenkschwellung, Funktionsbeeinträchtigung oder CRP-Wert) (2). Glukokortikoide und weitere konventionelle Medikamente Wird Methotrexat mit Kortikoiden kombiniert, kann es im Vergleich zu einer MTX-Monotherapie zu einer weiteren deutlichen Verbesserung der Sym- zusätzlich zur MTX-Kortikoid-Kombination erhielten, signifikant weniger Nebenwirkungen auf. Mit anderen Worten: Noch mehr Medikamente, zusätzlich zur wirksamen MTX-SteroidKombination, bringen ausser mehr Nebenwirkungen nichts. Biologika Versagt bei Patienten mit mittelschwerer bis schwerer aktiver RA die konventionelle Basistherapie, dürfen Biologika zum Einsatz kommen. Die zentrale Frage im Zuge einer solchen Entscheidung lautet: Haben Biologika, mit ihren teilweise erheblich unterschiedlichen Wirkmechanismen, alle die gleiche Effektivität? In der Schweiz stehen mittlerweile eine ganze Reihe dieser Medikamente zur Verfügung (siehe Kasten). In einer Analyse verschiedener Studien mit Patienten, die in vorherigen Behandlungen unzureichend auf MTX reagiert hatten, zeigten unterschiedliche Biologika eine nahezu identische ACR70Response von rund 20 Prozent (2). «Allerdings ist eine Metaanalyse etwas anderes als Head-to-Head-Studien», gab Smolen zu bedenken. Alle Biologika haben eine ähnliche Wirksamkeit. In einer solchen neuen Head-to-HeadUntersuchung wurden die beiden TNFInhibitoren Certolizumab pegol und Adalimumab (jeweils in Kombination mit Methotrexat) direkt miteinander verglichen (4). Dabei zeigten weder die ACR20-Ergebnisse nach 3 Monaten (69,2% vs. 71,4%), noch die DAS28Daten nach 2 Jahren (35,5 vs. 33,5%), noch die Sicherheitsprofile Unterschiede. Der Vergleich von TNF-Inhibitoren mit anderen Wirkstoffklassen weist ähnliche Tendenzen auf: Weder die Ergebnisse des Vergleichs von Adalimumab versus Abatacept vor einigen Jahren noch die aktuelle Vergleichsstudie (ORBIT) (5) von Rituximab und Etanercept oder Adalimumab bei RA-Patienten, die nicht auf konventionelle Basistherapeutika ansprachen, zeigten hinsichtlich ihrer Wirksamkeit grössere Differenzen. Schliesslich erwiesen sich auch der IL-6-Hemmer Sirukumab und die IL-6-Rezeptor-Hemmer Tocilizumab und Sarilumab in einem Cross-studyVergleich als ziemlich ebenbürtig (6–8). Biosimilars Biosimilars sind preiswerte Kopien eines lang erprobten Biologikums, dessen Patentschutz abgelaufen ist. Sie dürfen keine schlechtere Wirkung haben als das Original, obwohl sie auf molekularer Ebene zwar sehr ähnlich, aber nicht absolut deckungsgleich mit dem 1016 ARS MEDICI 22 I 2016 BERICHT Tabelle: In der Schweiz bei rheumatoider Arthritis zugelassene Biologika Tumornekrosefaktor-(TNF-)Blocker O Etanercept (Enbrel®) O Infliximab (Remicade®) O Adalimumab (Humira®) O Golimumab (Simponi®) O Certolizumab pegol (Cimzia®) Biosimilar von TNF-Blockern O Infliximab (Remsima®) O Infliximab (Inflectra®) Andere Wirkprinzipien O Rituximab (MabThera®) O Abatacept (Orencia®) O Tocilizumab (Actemra®) TNF-Rezeptor-2-ImmunglobulinHybridmolekül chimärer monoklonaler Antikörper vollhumaner monoklonaler Antikörper vollhumaner monoklonaler Antikörper Fab-Teil eines humanisierten Antikörpers, gekoppelt mit Polyäthylenglykol (PEG) Biosimilar zu Remicade® Biosimilar zu Remicade® chimärer monoklonaler Anti-CD20-Antikörper (selektive Anti-B-Zell-Wirkung) Hybridmolekül aus dem negativen kostimulatorischen Rezeptor CTLA-4 und Immunglobulin (Anti-T-Zell-Wirkung) humanisierter monoklonaler Antikörper gegen den Interleukin-6-Rezeptor Referenzprodukt sind. Seit im vergangenen Jahr erstmals zwei Infliximab-Biosimilars auf den Markt gekommen sind, schauen die Rheumatologen gespannt auf die Erfahrungen, die mit diesen Substanzen gesammelt werden. Kombination von Biologika mit DMARD 30 bis 40 Prozent der derzeit mit Biologika versorgten RA-Patienten werden in der klinischen Praxis nicht zusätzlich mit einem DMARD behandelt. Haben solche Patienten einen Nachteil im Vergleich zu Bei stabiler Remission unter Biologika können Behandlungsintervalle verlängert oder Dosierungen reduziert werden. Am EULAR in London wurden eine ganze Reihe neuer Ergebnisse, aber auch neuer Nachahmerprodukte vorgestellt. Darunter befindet sich auch ein Etanercept-Biosimilar, das, wie eine neuere Studie zeigt, eine dem Originalprodukt sehr ähnliche Wirksamkeit aufweist (9). Ob der Wechsel aus einer bestehenden Biologikatherapie (Infliximab) zu einem Biosimilar sinnvoll beziehungsweise gefahrlos ist, wird derzeit in einer grossen randomisierten «Real-life-Studie» getestet. Ergebnisse dazu werden bis Ende 2016 erwartet. Dagegen gilt als sicher, dass Antikörper gegen das Biologikum («Anti-Antikörper») nicht nur gegen Infliximab, sondern auch gegen das Biosimilar gebildet werden. Daher wird in diesen Fällen von einem Wechsel auf das Nachahmerprodukt abgeraten (10). Patienten, die zusätzlich zum Biologikum mit konventionellen Medikamenten behandelt werden? In einer Arbeit aus dem Jahr 2015 wurde die Kombination aus Abatacept und Methotrexat mit den jeweiligen Monotherapien verglichen (11). Ergebnis: Nach einem Jahr zeigte sich die Kombinationstherapie den Einzeltherapien hinsichtlich der Ansprechraten (DAS28) signifikant überlegen (61,3 vs. 45,7 bzw. 43,1%). Auch die Kombination von Tocilizumab mit MTX schnitt signifikant besser ab als die MTX-Monotherapie (12). Alle Biologika hätten in Kombination mit MTX sowohl bei früher als auch etablierter RA eine bessere Wirkung als in Monotherapie. Um einen solchen Vorteil zu erreichen, sei eine MTX-Dosierung von 10 mg/Tag in der Kombination mit Biologika vollkommen ausreichend, sagte Smolen. Tritt dann eine lang anhaltende stabile Remission ein, kommt vom Patienten nicht selten der Wunsch nach einem Abbruch der Biologikatherapie. «Das ist eine Möglichkeit für 25 Prozent der RA-Patienten. Aber man sollte sich bewusst machen, dass nach einem Therapierückzug mit der Zeit auch die guten Ergebnisse wieder verloren gehen», so der Experte. Neue Zielstrukturen In den vergangenen Jahren ermöglichten neue molekularbiologische Erkenntnisse die Bestimmung neuer potenzieller Zielstrukturen für die RA-Therapie. Eines davon ist IL-17. Während bei Patienten mit Psoriasisarthritis Anti-IL17-Medikamente gute Resultate erzielten, scheint das bei rheumatoider Arthritis nicht der Fall zu sein. So wiesen die beiden IL-17-Hemmer Secukinumab und Brodalumab speziell bei AntiTNF-Versagern nur eine «limitierte Effektivität» auf, so Smolen. Deshalb sei IL-17 als potenzielles Ziel bei RA, im Gegensatz zu anderen Indikationen, nicht ideal (13). Der gegen IL-12/23 gerichtete Antikörper Ustekinumab bekommt mit Guselkumab einen Gefährten, der jedoch nicht gegen die p19-, sondern gegen die p40-Untereinheit gerichtet ist. Sowohl Ustekinumab als auch Guselkumab zeigten gemäss einer Studie aus dem Jahr 2015 nach 28 Wochen jedoch keine signifikante Verbesserung der Ansprechraten (ACR 20/50/ 70) im Vergleich zu Plazebo (14). Scheitert die Behandlung mit einem Biologikum, wird häufig ein anderes verwendet. Wie wirksam sind aber die nach einem ersten fehlgeschlagenen Anti-TNF-Versuch eingesetzten Biologika? In einer aktuellen Analyse in der Zeitschrift «Lancet» wurde dieser Frage nachgegangen (2). Dabei wiesen Abatacept, Golimumab, Tocilizumab und Rituximab nahezu identische ACR70Responderraten auf (10–12%). Auch der Wechsel auf ein anderes Wirkprinzip scheint nach einem ersten gescheiterten Versuch nicht zwingend notwendig zu sein. In einer neueren Analyse wiesen der TNF-Hemmer Abatacept und der Anti-CD20-Antikörper Rituximab keine signifikanten Unterschiede auf (15). Das bedeutet: Nachdem zuerst ein TNF-Inhibitor zum Einsatz gekommen ist, darf entweder ein zweiter TNFInhibitor oder ein Biologikum mit einem ARS MEDICI 22 I 2016 1017 BERICHT anderen Wirkmechanismus eingesetzt werden. Zum heutigen Zeitpunkt gäbe es beim zweiten Therapieversuch für einen Wechsel im Wirkungsmechanismus keine zwingende Evidenz, so Smolen. Januskinase-Inhibitoren Januskinase-(JAK-)Inhibitoren fangen im Gegensatz zu den Biologika die Zytokinsignale nicht im Extrazellulärraum, sondern intrazellulär ab. Derzeit befindet sich der JAK-Inhibitor Baricitinib Hemmer überlegen zu sein scheint», erklärte der österreichische Rheumaspezialist. Allerdings müssen manche Ergebnisse beim Vergleich bestimmter Substanzen mit Vorsicht betrachtet werden. Denn JAK-Inhibitoren haben die Eigenschaft, sowohl die DAS28Werte für CRP (C-reaktives Protein) als auch die ESR (erythrocyte sedimentation rate) so zu verändern, dass «übertriebene Responseraten» zustande kommen. Mit ähnlich überhöhten An- JAK-Inhibitoren wirken möglicherweise besser als TNF-Hemmer, allerdings stehen Langzeitsicherheitsdaten noch aus. noch in der Prüf- beziehungsweise Zulassungsphase. Beim Vergleich von Baricitinib zu den Ergebnissen anderer Biologika sei der JAK-Inhibitor hinsichtlich der ACR20/50/70-Werte «ziemlich gut», so Smolen (2, 16). Auch bei Patienten, deren MTX-Therapie gescheitert war, zeigte sich laut einer neueren Studie Baricitinib gegenüber dem TNF-alphaHemmer Adalimumab im Vorteil (DAS28, ACR20/50/70) (17). «Wir benötigen allerdings noch mehr Daten. Aber es ist schon interessant, dass erstmals ein JAK-Inhibitor einem TNF- sprechraten bei CRP- und ESR-Werten ist übrigens auch bei der Behandlung mit IL-6-Hemmern zu rechnen (18). Das Kriterium «niedrige Krankheits- aktivität» sei deshalb sowohl für die JAK- als auch IL-6 Hemmung mit SDAI/CDAI-Scores besser reflektiert, erklärte Smolen. O Klaus Duffner Quelle: What is New (WIN) Session 2, Vortrag von Prof. Josef Smolen: «RA therapy» anlässlich des EULAR 2016, 9. Juni 2016 in London. Referenzen: 1. Visser K & Van der Heijde D: Ann Rheum Dis 2009; 68: 1094–1099. 2. Smolen J et al.: Rheumatoid arthritis. Lancet 2016. DOI: http://dx.doi.org/10.1016/ S0140-6736(16)30173-8 3. Verschuren & Westhovens 2016 (submitted). 4. https://www.rosenfluh.ch/qr/vergleichsstudie 5. Porter D et al.: Lancet 2016; http://dx.doi.org/ 10.1016/ S0140-6736(16)00380-9. 6. Takeuchi et al.: Ann Rheum Dis2016; 75(Suppl2): 717 (EULAR 2016, Abst. Sat0145). 7. Kremer JM et al.: Arthritis Rheum 2011; 63: 609–621. 8. Genovese et al.: Arthritis Rheum 2015; 67: 1424–1437. 9. Emery P et al.: Ann Rheum Dis 2015. doi:10.1136/annr- heumdis-2015-207588. 10. Ruiz-Argüello B: Ann Rheum Dis 2016; 75(Suppl2): 58 (EULAR 2016; Abstract OP0015). 11. Emery P et al.: Ann Rheum Dis 2015; 74: 19–26. 12. Burmester G et al.: Ann Rheum Dis 2016; 75: 1081–1091. 13. Genovese MC et al.: Arthritis Rheum 2014; 66: 1693–1704. 14. Smolen J et al.: Ann Rheum Dis 2015; 74 (Suppl 2): 76–77. 15. Manders SH et al.: Arthritis Res Ther 2015; 17: 134. 16. Genovese MC et al.: N Engl J Med 2016; 374: 1243–1252. 17. Taylor PC et al.: ACR 2015, Abstract 2L. 18. 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