Transkript
POLITFORUM
Xundheit in Bärn
MOTION vom 16.6.2016
Alex Kuprecht Nationalrat SVP Kanton Schwyz
Innovationshemmende und rechtsstaatlich fragwürdige Tarife verändern – Einführung der Vertragsfreiheit bei Labortarifen
Die Motion von Alex Kuprecht haben wir in ARS MEDICI 16/16 vorgestellt.
Der Bundesrat wird beauftragt, Artikel 52 des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung (KVG) so zu ändern, dass die Tarife von Analysen durch medizinische Labors künftig - analog Tarmed und DRG - durch die Tarifpartner verhandelt werden. Ein Vertragszwang im Laborbereich ist aufzuheben.
Die Stellungnahme des Bunderats vom 31.8.2016 hierzu:
Der Bundesrat hatte bereits im Rahmen der Stellungnahme zur Motion Hess Lorenz 16.3193 Gelegenheit, auf dasselbe Anliegen einzugehen und Folgendes festzuhalten: Die geltende Regelung sieht vor, dass das Eidgenössische Departement des Innern eine Liste der durch die obligatorische Krankenpflegeversicherung zu vergütenden Laboranalysen erlässt und dabei auch den Tarif festsetzt. Wie für alle im Rahmen der OKP vergüteten Leistungen müssen die Laboranalysen die Kriterien der Wirksamkeit, Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit erfüllen, und es gelten dieselben Bedingungen wie für alle anderen Tarife, nämlich die Übereinstimmung mit Gesetz, Wirtschaftlichkeit und Billigkeit. Grundlage für die Bewertung des Tarifs einer Analyse bilden deren Gestehungskosten. Der Tarif jeder Analyse berücksichtigt Personalaufwand und Materialkosten der verschiedenen Teilprozesse bei effizienter Erbringung in der notwendigen Qualität. Der Prozess zur Anpassung der Analysenliste dauert in der Regel 9 bis 12 Monate.
Der Tarif kommt einzig bei ambulanter Behandlung zur Anwendung. Bei stationärer Behandlung sind die Analysenleistungen grundsätzlich in der Pauschale inbegriffen. Es gibt vier Kategorien von Laboratorien mit teilweise unterschiedlichen Kostenstrukturen: ärztliches Praxislabor, Offizin des Apothekers oder der Apothekerin, Spitallabor und Privatlabor. Vertraglich können die Versicherer mit den Leistungserbringern bereits heute tiefere Ansätze vereinbaren, gelten doch die Tarifansätze der Analysenliste wie auch die Preise der Arzneimittel als Höchstansätze für die Verrechnung der Leistungen. Dem Bundesrat sind keine entsprechenden Regelungen bekannt. Die Analysenliste wurde im Jahr 2009 totalrevidiert. Das damalige Revisionsprojekt bestand aus zwei Teilen: einerseits die Neutarifierung der Analysen nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen, andererseits der Aufbau einer pflegbaren, automatisierbaren Datenbank, was zu einer Qualitäts- und Effizienzsteigerung führen sollte. Einzig der zweite Aspekt ist noch nicht in ge-
wünschtem Ausmass erreicht und wird im Rahmen eines BAG-Projektes nochmals aufgenommen. Auch im Fall einer Tariffreigabe wäre es die Aufgabe des Bundes, die Analysen auf ihre Wirksamkeit, Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit zu prüfen und in einer Positivliste festzulegen, welche Analysen von der OKP zu vergüten sind. Für die vertragliche Festlegung von Tarifen müssten durch die Versicherer respektive die beiden Versichererverbände mit einer Vielzahl von Leistungserbringern Verhandlungen geführt werden. Angesichts der Vielzahl sehr unterschiedlicher Leistungserbringer im Laborbereich und auch mehrerer Verhandlungspartner seitens Versicherer ist es fraglich, ob durch diese Kompetenzverschiebung ein einheitlicher Tarif nach KVG zustande kommt und ob Anpassungen schneller möglich sind, als dies heute der Fall ist. Schwierigkeiten in Tarifpartnerschaften tauchten in der Vergangenheit mehrfach auf wie beispielsweise beim Tarmed oder bei der Physiotherapie. Insbesondere die Tarmed-Tarifstruktur ist seit Jahren revisionsbedürftig, die Tarifpartner haben aber bis heute keinen Konsens gefunden. Im Pro-
zess der Festlegung des Tarifes in der Analysenliste sind die verschiedenen Interessenverbände bereits in der beratenden Eidgenössischen Kommission für Analysen, Mittel und Gegenstände einbezogen und gemeinsam an der Beratung beteiligt. Der Prozess kann daher weder als rechtsstaatlich fragwürdig noch als intransparent für die interessierten Kreise bezeichnet werden. Vielmehr werden sie nicht nur bei der Vorbereitung der Tariffestsetzung einbezogen, sie können auch jederzeit einen Antrag auf Anpassung der Analysenliste stellen und haben die Möglichkeit, im oben beschriebenen Rahmen selbst Tarifverträge zu schliessen. Aus diesen Gründen beantragt der Bundesrat, dass die bisherige schlanke Regelung für die Tariffestsetzung der Laboranalysen beibehalten wird.
Der Bundesrat beantragt die Ablehnung der Motion.
Erste Hilfe für Menschen mit letzter Hoffnung
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ARS MEDICI 21 I 2016
POLITFORUM
INTERPELLATION vom 14.6.2016
Überprüfung der Medikamentenpreise – wird die gegenläufige Kostenentwicklung berücksichtigt?
Roland Eberle
Ständerat SVP Kanton Thurgau
Im Lichte eines Bundesgerichtsurteils vom 14. Dezember 2015 musste das Bundesamt für Gesundheit (BAG) den laufenden Prozess zur Überprüfung der Medikamentenpreise abbrechen und für 2016 aussetzen. Nun ist das BAG daran, eine neue Verordnungsregelung zu erarbeiten, mit dem Ziel, die Preisüberprüfungen im Jahr 2017 wieder aufzunehmen. In diesem Zusammenhang bitte ich den Bundesrat, folgende Fragen zu beantworten: 1. Ist er darüber informiert, dass
sich die Arzneimittelkosten im hochpreisigen Segment massiv nach oben bewegen, während sie
im tiefpreisigen Segment (Grundversorgung) rückläufig sind? 2. Falls ja: Welche Schlussfolgerungen sind daraus gezogen worden? 3. Falls ja: Wurden Überlegungen angestellt, wie man diesen erheblichen Unterschieden durch Differenzierungen bei der geplanten Revision der dreijährlichen Preisüberprüfung Rechnung trägt? 4. Wurde bei der geplanten Revision der dreijährlichen Preisüberprüfung berücksichtigt, dass ein übermässiger Preisdruck auf preisgünstige Arzneimittel die Versorgungssicherheit vermehrt gefährdet? Falls ja, wie? 5. Wie sehen Inhalt und zeitlicher Fahrplan betreffend Einführung dieser Revision aus? Welche Akteure und Verbände wurden aktiv in deren Erarbeitung involviert? 6. Zieht er in Erwägung, den Prozess zur periodischen Überprü-
fung der Medikamentenpreise zwischen hochpreisigen und tiefpreisigen Medikamenten zu differenzieren? 7. Kann er sich vorstellen, gewisse Medikamentensegmente ganz von der Preisüberprüfung auszunehmen?
Begründung Gemäss vorliegenden Zahlen sind die Medikamentenkosten zulasten der obligatorischen Krankenpflegeversicherung (OKP) zwischen 2013 und 2015 um rund 230 Millionen Franken gestiegen. Bei den sehr hochpreisigen Medikamenten mit Packungskosten über 1000 Franken sind die Kosten um rund 230 Millionen Franken (über 50%) und im Segment von 100 bis 1000 Franken pro Packung um 70 Millionen Franken (rund 8%) gewachsen. Demgegenüber sind die Kosten im gleichen Zeitraum in den Preisgruppen unter 100 Franken pro
Packung um 70 Millionen Franken gesunken. Gemessen an der Anzahl verkaufter Packungen machten im Jahr 2015 die Preisgruppen über 100 Franken pro Packung nur 4,3 Prozent der Gesamtmenge aus, verursachten aber 49 Prozent der Gesamtkosten. Die Kostenentwicklung wurde demnach von den hochpreisigen Medikamenten nach oben beeinflusst. Gleichzeitig wirkte die niedrigpreisige Gruppe kostendämpfend. Der Trend wird sich fortsetzen. Der Kostenanstieg bei hochpreisigen Medikamenten kann nicht durch weitere Kürzungen in unteren Preisgruppen kompensiert werden, weil dort das Sparpotenzial weitgehend ausgeschöpft ist. Weitere Preissenkungen in diesem Segment würden zum Ausscheiden von Wettbewerbern und zur Gefährdung der Grundversorgung führen. Deshalb ist die Einführung eines differenzierten Preisbildungssystems angezeigt.
Stellungnahme des Bundesrats vom 31.8.2016
1.–3. Der Bundesrat ist sich bewusst, dass die Arzneimittelkosten in einigen Segmenten stärker angestiegen sind als in anderen. Ein Ziel im Rahmen seiner gesundheitspolitischen Strategie Gesundheit 2020 ist es denn auch, das Kostenwachstum im Medikamentenbereich und insbesondere bei den patentgeschützten Originalpräparaten zu stabilisieren, ohne dabei die Forschung zu behindern und den Standort Schweiz zu schwächen. Massnahmen wie die dreijährliche Überprüfung der Aufnahmebedingungen sollen dazu führen, dass bei bestehenden Therapien Kosteneinsparungen erreicht werden, damit neue innovative Arzneimittel ebenfalls vergütet werden können, ohne dass die obligatorische Krankenpflegeversicherung zu stark belastet wird. Der Bundesrat hat am 24. Februar 2016 entschieden, dass aufgrund des Bundesgerichtsurteils vom 14. Dezember 2015 die für die Überprüfung der Aufnahmebedingungen massgeblichen Verordnungsbestimmungen an die höchstrich-
terliche Rechtsprechung anzupassen sind. Das Bundesgericht kam zum Schluss, dass das Bundesgesetz über die Krankenversicherung vorgebe, dass die Kriterien der Wirksamkeit, Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit für sämtliche Arzneimittel der Spezialitätenliste im Rahmen jeder Überprüfung gleichermassen geprüft werden müssen. Es besteht keine rechtliche Grundlage, um einzelne Arzneimittelsegmente unterschiedlich zu behandeln. 4. Im Bericht «Sicherheit in der Medikamentenversorgung» in Erfüllung des Postulates Heim vom 20. Januar 2016 zeigt der Bundesrat auf, wo die Ursachen und Problemfelder liegen und wie der Bund die Kantone in dieser Angelegenheit unterstützen kann. Der Bundesrat kommt zum Schluss, dass die Verfügbarkeit von Arzneimitteln in der Schweiz insgesamt gut und sicher ist und dass die aktuelle Lage der Versorgung mit Arzneimitteln keine dringlichen Interventionen durch den Bund erfordert. Dennoch kann es in der komplexen
Versorgungskette zu Lücken und Engpässen kommen. Betroffen sind vor allem Krebsmedikamente, Nischenprodukte sowie Impfstoffe. Eines von vier im Bericht dargestellten möglichen Handlungsfeldern zur Sicherung der Medikamentenversorgung ist die Preisbildung und Vergütung von Arzneimitteln. Ist ein Arzneimittel von grosser medizinischer Bedeutung, kann das BAG bereits heute ausnahmsweise ein zugelassenes Arzneimittel von Amtes wegen in die SL aufnehmen, ausnahmsweise eine Preiserhöhung gewähren oder auf eine Preissenkung im Rahmen einer Überprüfung der SL verzichten. In der aktuell geplanten Revision sind keine weiteren Massnahmen zur Sicherung der Medikamentenversorgung vorgesehen. 5. Der Bundesrat hat die Vorlage am 6. Juli 2016 in die Vernehmlassung gegeben. Sämtliche Akteure und interessierten Kreise haben nun die Möglichkeit, zu den vorgesehenen Anpassungen der Verordnungsbestimmungen Stellung zu nehmen. Auch künftig sollen alle Arzneimittel der SL alle drei Jahre überprüft
werden. Die Überprüfung soll 2017 wieder aufgenommen werden. Dabei sollen neu auch die Kriterien der Wirksamkeit und Zweckmässigkeit neben der Wirtschaftlichkeit geprüft werden. Im Rahmen der Wirtschaftlichkeit sollen sowohl ein Auslandpreisvergleich als neu auch systematisch ein Vergleich mit anderen Arzneimitteln, die zur Behandlung derselben Krankheit eingesetzt werden (sogenannter therapeutischer Quervergleich), berücksichtigt werden. 6./7. Es besteht, wie bereits erwähnt, mit den heutigen rechtlichen Grundlagen keine Möglichkeit für den Bundesrat, einzelne Arzneimittelgruppen unterschiedlich zu behandeln. Alle Arzneimittel, die in der SL mit einem durch die OKP zu vergütenden Preis aufgeführt sind, müssen die Kriterien der Wirksamkeit, Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit erfüllen. Der Bundesrat ist bereit zu prüfen, welche rechtlichen Grundlagen angepasst werden müssten, um eine nach Preisen differenzierte Behandlung von Arzneimitteln zu ermöglichen.
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